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Die Weltbühne ist zurück!
Kotofeij K. Bajun. Werder (Havel). Ein
Dorf im Kreis Zauch-Belzig. 1949. Eine Frau, Mittdreißigerin, angetan
mit Schürze und Kopftuch, stellt die leeren Milchkübel vor die Hofpforte
auf das hölzerne Podest für den Milchkutscher. Ihr neunjähriger Sohn
geht ihr nach Kräften zur Hand und schleppt die zwar leere, doch immerhin
nur unwesentlich kleinere Milchkanne aus dem Hause zur Mutter.
Das Haus ist das letzte des Dorfes. Hinter ihm verlässt die Chaussee
den Weiler in Richtung Stadt, in Richtung Reichsbahnhof.
Ein Mann nähert sich auf der Chaussee. Die Frau hält die Hand über die
Augen und versucht angestrengt zu erkennen, wer das wohl sein könnte.
Irgendetwas kommt ihr seltsam bekannt vor. Der Gang vielleicht?
Dann werden ihr die Knie weich. Sie lässt eine der Kannen fallen, greift
nach ihrem Sohn, bekommt ihn an den Schulterriemen von dessen Lederhose
zu fassen und sagt beinahe tonlos: „Georg, Jungchen, der Vater ist zurück!“
Dann lässt sie den Jungen los und stürmt dem Manne entgegen.
Der Junge sieht, wie sich beide in die Arme schließen. Als er den Vater
das letzte Mal sah, war das 1944 unter dem Weihnachtsbaum. Der Vater
hatte seinen verwaschenen Anzug an und spielte auf der Geige. Hinter
dem Weihnachtsbaum hing das kleine Ölbild, was der Vater einst als junger
Bursche von ihrem Hause gemalt hatte. Der Vater konnte alles. Er war
ein guter Vater. Es gab keinen besseren auf der ganzen, weiten Welt.
Vaters Stahlhelm war
viel zu groß und zu schwer für den Vierjährigen.
Keine Ahnung habend, dass die Verbrecher, die dem Vater diesen Helm auf
den Kopf gezwungen hatten, drauf und dran waren, ihm den Vater für immer
zu nehmen, trug Klein-Schorsch die Blechschüssel mit dem Stolz eines unbedarften
kleinen Jungen.
Ob er dem Vater das letzte Mal gewunken hatte, nachdem dieser in den Zug
gestiegen war, um an die Front zurückzufahren? Der Roten Arbeiter- und
Bauern Armee der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken gegenüberzustehen,
verringerte zum Ende des Jahres 1944 die Überlebenschancen für einen deutschen
Landser bis zur Unkenntlichkeit. Die Rotarmisten kämpften für ihre Heimat,
für das Überleben ihres überfallenen Volkes.
Was hat jemand dieser Urgewalt entgegenzusetzen, der von Verbrechern ausgeschickt
wurde, um den Russen das Öl von Maikop, die Schwarzerde der Ukraine und
den Zugang zum Schwarzen Meer zu stehlen?
Der Junge stürmte nun ebenfalls los. Da standen sie dann, zu dritt. Sie
hatten überlebt …
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Wissen Sie, was in dem kleinen Jungen vorging, als er den Vater wiedersah
nach nunmehr fünf Jahren? Fünf Jahre – das sind für einen kleinen Jungen
eine Ewigkeit. Wissen Sie, was er in diesem Augenblick fühlte?
Wir wissen es. Woher, fragen Sie erstaunt? Wo wir doch unmöglich dabei
gewesen sein können!
Das ist richtig. Aber wir waren am Abend des 20. Mai 2025 im Kaufland
Rathenow an der Milower Landstraße. Und zwischen all den anderen Zeitschriften
lag SIE.
Die Weltbühne.
Der Preußische Landbote ist ein altes Kampfschwein. Da fließen selten
Tränen. Zu viele Narben, zu viele gebrochene Knochen, ausgeschlagene Zähne.
Doch jetzt rinnen sie hernieder und tropfen unbarmherzig auf das Blatt
vor uns: Vater ist wieder da!
Vater ficht mit dem Florett. Das feinste Florett führte unser geistiger
Herr Papa Dr. jur. Kurt Tucholsky. Wir sind bloß rüde Berserker, die –
wie Monsieur Cyrano de Bergerac der Aussichtslosigkeit unseres Kampfes
bewusst – mit dem Morgenstern und der Streitaxt rücksichtslos auf die
Mikrobe der Menschlichen Dummheit eindreschen, wo wir ihrer oder deren
von ihr infizierten Träger habhaft werden können.
Wir gehen nicht als Sieger vom Felde, denn die Köpfe dieser Hydra sind
Legion.
Aber unsere Ehre, unser Spiegelbild, unseren Anstand – den können wir
behalten. Hammer und Sichel behalten wir auch, wohl wissend, welche ungeheuren
Menscheitsverbrechen diese edelsten Symbole der Menschheit desavouierten.
Doch das taten die Scheiterhaufen der Inquisition und der protestantischen
Hexenbrenner, die Konquistadoren und die christlichen Judenmörder auch.
Das rechtfertigt
nicht, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Die Idee des Friedens und
einer menschlichen Gesellschaft dahinter bleibt davon bei Christen, Moslems,
Kommunisten, gerechten Hebräern, die es mit Micha 6.8. halten und allen
anderen Progressiven zur Gänze unberührt
Der Preis des Blättchens ist sportlich. Na und? Welcher Sohn, der seinen
Vater abgöttisch liebt, würde nicht seiner Seele Seligkeit dran setzen,
um den Vater wieder in die Arme zu schließen!
Viermal verboten, fünfmal verboten. Doch die Weltbühne zeigt – und nehmen
Sie das bitte nicht als ausgelatschte Plattitüde, deren Bart länger ist,
als der unseres Herrn Kaisers Barbarossa im Kyffhäuser – worauf es wirklich
ankommt: Wieder aufstehen! Die rechte Hand umfasst den Griff des Schwertes,
der linke Arm hebt den Schild – es geht weiter. Drauf und dran - Spieß
voran!
Stünde es uns zu, eine Auszeichnung zu vergeben, die Weltbühne bekäme
von uns die Baurdshan-Momysch-Uly-Medaille
an die Brust geheftet. Vater ist wieder da! Er kam über die Wolokolamsker
Chaussee, die überall in der Welt just dort verläuft, wo wir den Feind
keinen Zoll weit hinter unsre Linien lassen!
За нами Москва!
Wir halten stand.
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