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KI und das Grauen der roten Ampeln


Don M. Barbagrigia. München. Wie sagte doch der Genosse Nosferatu zu Herrn Harker, als er in weiser Voraussicht ein Schiff von Warna nach Whitby charterte: „Über Land braucht es seine Zeit!“

Allerdings hätte man zu seiner Epoche ohne Pferd und zu Fuß allein von München nach Berlin bei einer Tagesleistung von vier ¼ Meilen oder 30 Kilometern gute drei Wochen gebraucht.

Gut, das wollen wir jetzt mal außen vor lassen. Zugegeben, wenn alles glatt läuft, so in der Nacht und ohne hindernde Ampeln und Baustellen, dann ist das bei sinniger Fahrweise heute in gut fünf Stunden zu schaffen. Ein Lamborghini-Kamikaze bekommt das bei entsprechend niedrigen Überlebenschancen auch in drei Stunden gebacken. … entweder München oder Friedhof und Schrottplatz. Egal!

Sehr gute Autobahnen und leistungsstarke Automobile würden also eine halbe Tagesreise garantieren, die man im Mittelalter in etwa für die Strecke von Potsdam nach Berlin aufwenden musste.

So weit, so gut das alles.

Bei der anstehenden Verkehrsdichte jedoch ist das so eine Sache. Die obligatorischen, viele Staus generierenden Baustellen oder ebenfalls zu Verkehrsstau führenden Unfälle bremsen den Kraftfahrer schon mal auf ein gehöriges Maß herunter.

Zugegeben, wir sind noch weit von den mittelalterlichen drei Wochen Reisedauer entfernt – es sei denn, man entschlösse sich zu einer Zugreise mit der Deutschen Bahn. Dann allerdings steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich jedes Reiseziel am Ende in irgendeinem Irrenhaus verliert.

Womit wir uns allerdings der frühneuzeitlichen Reiseplanung wieder anzunähern vermögen, sind die Verkehrsampeln oder – wie es im Bürokraten-Deutsch so grausam heißt – die Lichtsignal-gestützte Verkehrsregelung, welche in Deutschland in weiten Teilen noch Ablaufprogramme aus ihren Anfangstagen auf dem Berliner Potsdamer Platz umzusetzen scheint.

Natürlich macht die stetig zunehmende Verkehrsdichte bei konstanter Infrastruktur eine elektronische Verkehrsregelung nötig. Das wollen wir ja nicht bestreiten.

Wenn man aber gefühlt die besten Lebensjahre an roten Ampeln wie zum Beispiel in der Chur- und Hauptstadt Brandenburg an der Havel verbringt, dann wird es bitter.

Diese bieten nicht einmal den tröstlichen und sehr hilfreichen Countdown-Komfort Stettiner Ampeln, welche allen an ihnen wartenden Verkehrsteilnehmern unentwegt anzeigen, wie lange sie noch ihres ersehnten Grüns harren müssen, respektive wann es Zeit ist, so peu a peu den Anker auszuwerfen.

Unverständlich vor allem ist diese mehr als leidige Tatsache, als dass es nun unselige Mode geworden ist pausenlos von den Segnungen der Künstlichen Intelligenz (KI) zu schwadronieren, die zunehmend alle Lebensbereiche übergriffig infiltriert.

Nun war es uns schon immer sehr zweifelhaft, ob es in der Mark überhaupt noch Spuren biologischer Intelligenz gibt.

Verstehen Sie uns nicht falsch: Wir nehmen uns aus dieser Defizitvermutung keineswegs aus und behaupten nie und nimmer, dass wir die Wahrheit gepachtet und die Weisheit mit Löffeln gefressen hätten. Auch wir sind nur törichte Narren in Christo!

Wenn aber die KI noch zu etwas mehr nutze sein soll, als Menschen auszuspionieren, ihre politischen und Kaufinteressen zu ermitteln und somit letzten Endes manipulativ zu kontrollieren, warum findet diese KI dann nicht irgendwann einmal Einzug in die Steuer- und Regelungssysteme der märkischen Ampelanlagen?

Warum schaltet eine absolut gerechtfertigte Ampel im märkischen Dorfe Fohrde, zwischen der Chur- und Hauptstadt Brandenburg an der Havel und der Stadt des Großen Kurfürsten Rathenow an der diese beiden Städte verbindenden Bundesstraße 102 gelegen, auf Rot und bremst den ganzen Fernstraßenverkehr einschließlich der schweren Lastkraftwagen aus, obwohl kein Aas, kein Automobil, Fahrradfahrer, Fußgänger etc. weit und breit zu sehen ist – desgleichen vor dem Ortseingang des anderthalb preußische Meilen nördlich gelegenen Dörfchens Döberitz?

Was soll das? Was das an Bremsmaterial bei den tausenden Fahrzeugen kostet, an Zeit und vor allem an sinnlos verballerter Energie, um all die Kraftfahrzeuge wieder in Bewegung zu setzen!

Schieben Sie mal ein Automobil an oder versuchen sie das bei einem LKW! Spätestens dann wissen Sie, wovon hier gesprochen wird.

Apropos Bewegung! Vor zwanzig Jahren suchten Schüler des ehemaligen Grasow-Gymnasiums ein Motto für die Havelmetropole und verfielen auf den launigen Gedanken, München den Titel „Stadt der Bewegung“ zu klauen. Der Landbote berichtete darüber: siehe

Brandenburg – Stadt der Bewegung – ein Kalenderbild für das Jahr 2005

Mutmaßlich weil die Münchner nach dem verlorenen Kriege und dem sich daran anschließenden Systemwechsel dieser Nazibezeichnung keine allzu große Profitabilität mehr beimaßen, sondern im Gegenteil seit dem 30. April 1945, 16.05 Uhr Ortszeit etwas verschämt mit diesem „Ehrentitel“ umgingen, blieb den Domstädtern vom Havelufer ein Markenrechtsprozess erspart.

(Hingegen nenne dich mal als Kuhbläke „Bad“, ohne dass das von allerhöchster Stelle nach zig tausend Begutachtungen und Prüfungen abgesegnet wurde – dann raucht es aber im Karton! Denn in einem solchen Falle geht es um blanke Taler – und da hört der Spaß aber auf!)

Sei es drum! Dieses Stadtmotiv ist aber aus einem noch gewichtigeren Grunde völlig blödsinnig und beschreibt einmal mehr die Bildungsresistenz bundesdeutscher Schülergenerationen:

Hätten diese Kinder ihre Augen aufgemacht und im Sinne des großen Philosophen Georg Christoph Lichtenberg diese Augen dann auch zum Sehen benutzt, statt nur, um sie zu schminken und mit ihnen mögliche Sexualpartner auf sich aufmerksam zu machen – dann wäre ihnen nicht entgangen, dass der Brandenburger Stadtverkehr – seinen Verkehrsampeln geschuldet – die vollkommene Antithese zu jeglicher Bewegung ist. Hier feiert der Stillstand grausame Orgien!

Es gab eine Zeit in der Havelmetropole, die vor biologisch-menschlicher Intelligenz nur so strotzte. Diese Zeit liegt mehr als tausend Jahre zurück und reicht bis in die Epoche vor etwa achthundert Jahren.

Damals besahen sich kundige, auf ihre Art gebildete und erfahrene Wenden und später gleichermaßen ingeniöse Lokatoren die Gegend nach ihren topografischen Gegebenheiten und legten den Grundriss der Schwesterstädte Alt- und Neustadt Brandenburg sowie des Doms so an, dass man nur zwei, drei Wege zu sperren brauchte – und schon kam keine Seele mehr rein oder raus.

Selbst profilierte Raubritter wie Hanseken von Quitzow auf Plaue bissen sich ihre Gaunerzähne an dieser Genialität aus.

Just dieses Konzept trägt übrigens noch heute und zeugt von einer Jahrhunderte in die Zukunft reichenden und bewundernswerten geistigen Leistung der Ahnen, denen noch eine existenzsichernde menschliche Klugheit zu eigen war.

Allerdings wirkt sich dieses auf Verteidigung der Städte unter mittelalterlichen Bedingungen angelegte Schema heutigen Tages negativ auf die Bewohner der Domstadt und ihrer Gäste aus: Zwei Straße dicht, eine Brücke kaputt ... siehste, klappt immer noch!

Die Raubritter sitzen übrigens heute in den Volksvertretungen, Ordnungs- und Finanzämtern und haben es nicht mehr nötig mit Spieß und Schwert vor die Tore der Stadt zu ziehen. Die machen das heute mit bedrucktem Papier und die Büttel der Neuzeit rekrutieren den Willen der beutelschneidenden Bescheidgeber, wenn sich die Beschiedenen als bockig oder unfähig erweisen.

Hin oder her – heute geht es um die roten Ampeln. Also, die mittelalterlichen Stadtanlagen Deutschlands – insofern Airmarschall Harris mit seinen Bomberflotten keine großzügig umsetzbaren und an die Erfordernisse der Moderne angepassten Stadtplanungen vorbereiten konnte – stehen in aller Regel einem solchen infrastrukturellen Umbau massiv entgegen.

Jetzt kommen die Ampeln ins Spiel. Eine immer wiederkehrende Idee lautet ja, den Verkehr in Ringsystemen um die Stadtkerne herumzuführen und diese somit zu entlasten.

Das ist auch sinnvoll, wenn man denn auf diesen Ringstraßen sogenannte Grüne Wellen installiert, wie das bereits seit fünfzig Jahren auf der Berliner Heerstraße funktioniert. Diese Grüne Welle zeugt ebenfalls von der seltenen Anwesenheit menschlicher Intelligenz.

Da diese aber gar so rar gesät ist, so sind es die Grünen Wellen naturgemäß auch.

… vor allem in Brandenburg an der Havel. Man ist versucht, diesen beiden Komponenten eine sie verbindende direkte Proportionalität zu unterstellen: In Brandenburg an der Havel dominiert gefühlt die Rote Welle.

Wir glauben aber, die Mutmaßung wäre zu weit gegriffen, dieses Rot mit der ehemaligen Roten Arbeiterstadt Brandenburg in eine deliberierte Übereinstimmung zu bringen. So viel Geschichtsbewusstsein kriegen wir in der alten Hansemetropole kaum zusammengekratzt. Vor allem aber – was ergäbe das für einen Sinn? Das wäre doch eine miserable Reminiszenz!

Nein, das ist ein ganz simpler Ausdruck für die galoppierende Vergreisung des gesellschaftlichen Systems Bundesrepublik Deutschland im Allgemeinen und der Abwesenheit von progressiv orientierter, intelligenter Dynamik in Brandenburg im Besonderen.

Wie sollte sich so eine Dynamik auch entfalten, erdrückt von Tonnen aufsedimentierter Bürokratie!

Also zurück zum Anfang! Verfallende oder nicht fertigzustellende Pisten wie zum Beispiel die Bundesautobahn A 14, zusammenkrachende Brücken, eine Deutsche Bahn auf dem Abstellgleis und eine Ampeldichte in Deutschland, welche mittlerweile der Bevölkerungsdichte dieses Landes einzuholen scheint, führen uns schrittweise wieder in die mit Sicherheit nicht so gute, alte Zeit zurück.

Der Preußische Landbote denkt in die Zukunft. Wir treten nun also vermehrt mit den lokalen Haltern von Eselchens in Kontakt, mit dem erklärten Ziel uns demnächst der Gesellschaft eines oder zweier dieser wahrhaft intelligenten Grautiere zu versichern.

Gut, dann dauert es eben wieder drei Wochen, bis wir in München sind. Aber was will man auch in der Welfenstadt, es sei denn, man wird von deutschen Behörden verpflichtet, um seiner Seele Seligkeit Willen an die Isar zu pilgern. Behörden, denen sich offensichtlich die Erkenntnis verweigert, dass auch ein ausländischer Reisepass ein sekundäres Personal- und Identifikationsdokument ist, welches sich von einem primären Dokument namens „Geburtsurkunde“ herleitet. … und die deshalb darauf bestehen, dass ein solcher Reisepass zu besorgen ist, obwohl eine rechtsgültige Geburtsurkunde vorliegt! Wenn das halt nur in München geht, dann muss man eben nach München pilgern!

Zwei Dinge sind eben unendlich, wie uns unser physikalischer Übervater Albert Einstein lehrte: Das Universum und die Menschliche Dummheit. Na ja, beim Weltall war er sich eigentlich nicht ganz so sicher.

Da keimt in uns glattweg der Verdacht auf, der menschliche Verstand, der ja von Gottvater gleich dem Heiligen Geiste zu Pfingsten ebenfalls über alle Menschenkinder undifferenziert ausgeschüttet wurde und seither Einlass in eines jeden Menschen Hirn begehrt, stecke in Bezug auf eine gewichtige Anzahl von Vertretern dieser Gattung ebenfalls im Stau, ausgebremst durch eine Überzahl an wie auch immer gearteten roten Ampeln. Das können sein: Faulheit, Blödheit, Indolenz, Arroganz, Desinteresse, Selbstsucht ... die Zahl dieser Dämonen ist Legion!

Bleiben wir aber in dieser Metapher, so hegen wir doch die Hoffnung, dass auch diese Regungen menschlicher Vernunft und biologischer Intelligenz irgendwann einmal auch diese Hürde überwinden mögen.

Hoffentlich tun sie das, bevor die KI den Laden zur Gänze übernimmt. Denn die Erfahrung lehrt, je mehr künstliche Intelligenz menschliche Entscheidungen beeinflusst, manipuliert und erleichtert, desto mehr ergeben sich viele Leute in die unvermeidliche Degeneration des eigenen Verstandes und der eigenen Urteilsfähigkeit.

Das Gute daran ist: Ein Haufen hirntoter Konsumenten-Zombies wird sich der Vergeudung von Lebenszeit an roten Ampeln sicherlich kaum bewusst – denn von welcher Art von „Leben“ könnte unter diesen Umständen dann noch zu reden sein?

Also Prost! mit grüner Waldmeisterbrause oder Berliner Weißen unter dem grünen Blätterdach deutscher Linden und Eichen – wenn wir schon sonst kein Grün mehr zu sehen bekommen!

31. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2003
22.06.2025