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Auf den Hund gekommen

Jules-Francois S. Lemarcou. Tangermünde. Ist doch merkwürdig! Tausende und abertausende Deutsche rennen mit einem Hund oder mehreren an der Leine herum und sagste was gegen den Köter, dann sind sie bereit zur Waffe zu greifen. Das ist der wundeste Punkt in ihrem Leben – so wichtig ist ihnen das Vieh.

Andererseits fühlen sie sich beleidigt, wenn man sie eine Köter-Nation nennt, was ja auch durchaus den Tatsachen entspricht. Woher diese Schizophrenie?

Warum fühlen sie sich durch das Kostbarste herabgewürdigt, was sie täglich mit sich umherzotteln und diese Kreaturen Gehwege zu zuscheißen lassen, mit ihrem Gebell die Nerven ihrer Mitmenschen abtöten und anscheinend nur so in der Lage sind, sich als Wildfremde zu begegnen?

Es ist etwas Skurriles, Paradoxes um die Bindungsarmut vieler Menschen, der sie nicht eben selten mit einem Hunde zu begegnen suchen. Mit ihren Mitmenschen wird es zu kompliziert. Wenn dem Hund etwas nicht passt, dann bellt er, dann knurrt er und mitunter fasst er auch mal zu. Darin aber erschöpft sich schon sein Repertoire. Das ist selbst für Kleingeister überschau- und handhabbar.

Ein Weiteres gesellt sich dieser Merkwürdigkeit hinzu: Menschen vieler Nationen üben sich in der Unart, sich mit Schimpfwörtern zu bedenken, die oftmals etwas Angestrebtes, Begehrtes, für viele Menschen sogar Unerreichbares, in vielen Fällen jedoch Unverzichtbares zum Inhalt haben.

Das mögen Tiere sein, welche dem Menschen wertvolle Dienste leisten, wie Kamele, Schafe, Schweine, Esel … Selten aber bedenkt man sich mit Tiernamen, mit denen nun wirklich ein gewisser Ekel verbunden ist. So hört man selten, dass ein Mensch mit dem Wort: „Du Vogelspinne“ oder „Du Tarantel“ beleidigt wird. Nun gut, „Du falsche Schlange“ mag eine Ausnahme bilden. Aber wer schimpft einen schon mit „Du Katze“? Aber der geliebte Hund muss als Schimpfwort herhalten, ebenso wie der nächste Verwandte im Reiche der Fauna – der Affe!

Wenn es um Körperteile geht, konzentriert sich das Schimpfwortvokabular meist auf die unteren, äußeren Geschlechtsorgane respektive auf den Darmausgang. Dessen Wert übrigens ermessen die meisten nackten Affen erst, wenn er obstipativ seinen Dienst versagt. Dann geht es schnell an die Existenz. Und doch … Nun, es mag in diesem Falle mit den von diesem Darmausgang abgesonderten Exkrementen zu tun haben; doch warum das Schimpfwort, welches mit der Vulva verbandelt ist, um derentwillen seit Menschengedenken Kriege vom Zaun gebrochen werden?

Das verstehe, wer will! Just dieser irrationalen Dummheit ist es auch geschuldet, dass sich Menschen, die ohne ihre Hunde schier nicht überleben könnten, sich massiv pikiert gebärden, wenn man sie in ihrer Gesamtheit als eine Köter-Nation klassifiziert.

Der das übrigens tat, war ein Türke. Wir besahen uns daraufhin alle Bilder, derer wir von Konstantinopel oder dem türkischen Hinterland habhaft werden konnten und entdeckten in der Tat keine solche Akkumulation von Caniden. Vielleicht werden Hunde dort anderweitig verwertet – wir wissen es nicht. Möglicherweise betrachten die Osmanen Hunde in Bezug auf ihre energetische Verwendbarkeit etwas pragmatischer. Keine Ahnung.

Uns aber scheint, dass der Beleidiger mindestens so dämlich ist, wie die Adressaten seiner Beleidigung, die brav – ihren Tölen gleich – über das ihnen hingehaltene Stöckchen sprangen und sich furchtbar gekränkt gerierten, als ein deutsches Gericht diesen Beleidigungsvorwurf teflonartig abperlen ließ.

Am Meisten lamentierten die Nazis. Was die jedoch auf die Palme brachte, will uns auch nicht recht einleuchten. Nun ist es zwar ein Allgemeinposten, dass Nationalsozialisten nicht die hellsten Kerze auf der Torte sind – aber den Unterschied zwischen Hunden und Schweinehunden sollte selbst ihnen dämmern. Letzteres wäre in ihrem Falle ebenfalls keine Beleidigung, sondern eine ungerechtfertigte Schmeichelei.

Und so wie es bei den Menschen schwarze, weiße, rote, gelbe und nach übermäßigem Alkoholgenuss oder in englischen Adelskreisen auch blaue Vertreter der Spezies gibt, so bildet auch die Rasse der Schweinehunde ein sehr heterogenes Spektrum: Manche tragen ein Braunhemd und manche einen Fez oder was auch immer. Zu erkennen sind sie nur an der ihnen allen gemeinen geminderten Intelligenz, welche der von einem Meter Feldweg und den angrenzenden Holzpfosten unterlegen ist.

„Meine Liebe – sie haben eine Haut wie ein sechzehnjähriger Pfirsich …“ – das hat Esprit. „Köter-Nation“ und „Türkenhund“ dagegen bezeichnen hingegen den antipoden Pol der Geistlosigkeit und der intellektuellen Armseligkeit.

Wir sind keine Hundefanatiker. Was nicht bedeutet, dass wir nicht gut zu Hunden sind, die uns auch freundlich begegnen. Sie sind Mitkreaturen und haben ihren Platz auf Gottes weiter Welt. Aus dieser Überzeugung aber speist sich der Respekt vor diesen Tieren. Ihre Art als Schimpfwort zu missbrauchen, disqualifiziert also nur den Nackten Affen, der sich dieser Torheit schuldig macht.

Und so halten wir es mit Schopenhauer, der seinen Pudel – wenn dieser wieder einmal seinen menschlichen Gefährten verärgerte – mit dem einzigen Schimpfwort bedachte, welches der Kategorie der Beleidigungen in allen Details gerecht wird: „SIE MENSCH!“

27. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
07.06.2022