Schöne Luise wieder daheim!
Schleppdampfer von 1910 für Brandenburg gerettet
Abb. 1 Luiseke is wedder tau huus
Michael L. Hübner
Es gibt Tage, da würde man nicht
tauschen – für nichts auf der Welt: nicht den Job mit dem schmalen Salair,
das selbst dem Brotherrn die Tränen in die Augen treibt, nicht den Fluss
und nicht das Schiffchen, mit dem man auf ihm schippert. Letzteres ist
in die Jahre gekommen, 102 sind es um genau zu sein. Auf den Namen "Luise"
hört der kleine Schleppdampfer. Luise hat in Preußen einen besonderen
Wohlklang: Man kennt die Kurfürstin Luise Henriette, die Königin Luise
und nun auch die 16,5 m lange, 3,8 m breite Wiemann-Tochter „Luise“
mit ihren 40 Tonnen Wasserverdrängung und den 1,4 m Tiefgang. Stolz
reckt „Luise“ mit der einstigen Werft-Baunummer 121 ihren Schornstein
in den blauen Herbsthimmel als sie nach Jahrzehnten endlich wieder nach
Hause stampft. Noch steht als Heimathafen "Geltow" auf ihrem
Heck über dem Ruder. Eine Entenmama von der Baumgartenbrücke hatte die
letzten fünf Jahre auf Reede für eine sichere Bank gehalten und ihr
Nest in die Ruderanlage platziert. Das gab ein zünftiges Enten-Geschimpfe
als die Männer des Vereins Historischer Hafen Brandenburg a. d. Havel
die Gängigkeit der kettengesteuerten Ruderanlage überprüften! Bisschen
Fett 'ran und alles lief wieder tadellos – außer eben für die kleine
Ente!
Abb. 2 Das neue Kennzeichen der „Luise“.
Der Jubel ist nicht nur bei Vizevereinschef Gerd Matalewski (3.v.l)
riesig!
Auch der statt
der unrentablen Dampfmaschine eingebaute IFA S 4000-80-PS-Vierzylinder-Viertakt-Diesel
EM 4-20, der ebenfalls ein halbes Jahrzehnt lang kein Mucks gesagt hatte,
erhob nach Jahren der Stille, einigen Streicheleinheiten und einem neuen
Anlasser aus Vieritz am 25. September 2012 um 10.57 Uhr wieder seine
tuckernde Stimme über den Großen Zernsee. DDR-Qualität von 1958! Nur
die versottete Abwasserleitung fürs Kühlwasser war bald wieder verstopft.
Die Männer gaben nicht auf und um 12.26 Uhr hieß es dann nach all den
vielen Jahren wieder: Leinen los für Luise! Zunächst noch im Seitenschlepp
der „Lina Marie“ konnte vom LI und seinen fachkundigen Kameraden die
Leitung wieder freigekämpft werden. Ab dem Trebelsee hinter Ketzin fiel
dann auch die letzte Trosse zur „Lina Marie“ und eine stolze „Luise“
stampfte mit halber Fahrt voraus ihrer neuen, alten Heimat entgegen.
Abb. 3 Letzte Absprachen zwischen den
Schiffsführern vor der Abfahrt nach Hause!
Entdeckt wurde
das in die Jahre gekommene aber wunderschön gebliebene Mädchen im Juli
auf der Open Classic in Caputh. Der Vorbesitzer hatte das Schiff mit
16 Jahren gekauft und vierzig Jahre lang besessen. Weggeben wollte er
es anfänglich nicht, sah dann aber ein, dass die nun notwendig gewordenen
Reparaturen und Ausbesserungen die Kraft und das Vermögen eines Einzelnen
übersteigen. Das wird nun Sache der Enthusiasten um Conrad Helmcke sein.
Auf den Vereinsvorsitzenden sind die Papiere des Schiffes ausgestellt.
Jetzt muss ein richtiges Gutachten über alle notwendigen Arbeiten ran
und dann wird es Geld, Schweiß und Freizeit gelten, bis die „Luise“
eines Tages auch von nahem wieder der Blickfang ist, als den die Brandenburger
und ihre Gäste sie derzeit von der Jahrtausendbrücke aus erleben können.
Abb. 4 Halbe Kraft voraus in Richtung
Heimat durch über den schönsten Fluss Ostelbiens!
Wiemann – das ist Schiffbauertradition in einer "Stadt im Fluss"!
Das ist internationaler Ruf, Standort-Argument und ein von den Alten
angelegtes Kapital in Form von wertvollen Schiffen, von dem die Stadt
bei geschickter Anwendung noch heute Jahr um Jahr Zins um Zins abschöpfen
könnte. Insofern ist zu beklagen, dass dem Historischen Hafen nur 35
m von der Uferlinie aus nach Westen zugestanden wurden. Der Rest bis
hin zur Jahrtausendbrücke soll einer Marina mit festen Dalben geopfert
werden. Hinter all den weißen Yachten und Protzpötten verschwinden dann
die schwimmenden Raritäten eng auf eng aneinander in die Ecke gedrängt.
Die Stadt versteckt ihre Kleinodien anstatt sie öffentlichkeitswirksam
zu inszenieren! In dem einen Jahresdrittel, in dem das Wiemann-Ufer
frequentiert wird, könnte man mobile Fingerstege setzen, die sich schnell
und billig an- und abtransportieren ließen. Jedoch in die Nische gestaucht
taugt der Historische Hafen als zentral gelegene Touristenattraktion
soviel wie ein Elektromagnet ohne Stromanschluss. Vielleicht wird sich
das mit der „Luise“ ändern, deren Eleganz und deren Schornstein schon
von Ferne die Blicke Neugieriger auf sich ziehen. Die Strömung und der
Wind waren mit „Luise“ auf ihrer Heimfahrt – jetzt müssen es die Brandenburger
sein! Es ist ihr Pfund, mit dem sie nach außen wuchern können!
Die Bürger müssen ihren Hafen in ihre Mitte nehmen, dann wird die Botschaft
auch in den maßgeblichen Verwaltungsetagen gehört. Man kann beispielsweise
dem Verein beitreten (www.hhb-ev.de, Tel. 03381 211535), für den Neuaufbau
der „Luise“ spenden (Kto. 360 1015 896, BLZ 160 500 00, Mittelbrandenburgische
Sparkasse) oder einfach nur mal mit der Familie am Sonntag zu einem
Klönsnack längs kommen. Eine der interessantesten und am liebevollsten
aufbereiteten Ausstellungen der Hansestadt Brandenburg ist immer ein
lohnendes Ziel - unmittelbar vor der eigenen Haustür!
Abb. 5 Ein prächtiger Anblick: Luiseken
in ihrem Heimathafen angekommen!