Von Bordeaux nach Porto
Sächsin vor Gericht gescheitert
David M. Katz
Ha, ha! Das hat mal 'was! Ein
Sächsin bestellt fernmündlich bei einer Fluggesellschaft eine Flugkarte
nach Porto, der heimlichen Hauptstadt Portugals. Aber, ei der Daus,
sie ist nun mal waschechte Sächsin! Und so flötet sie in den Telephonapparat
das Wort "Bordo"! Der Heiducke am anderen Ende der Leitung
ist weder sehr beschlagen, was die europäische Geographie betrifft,
noch, was den besonderen Klang des sächsichen Dialektes angeht. Er verstand
"Bordeaux" und buchte die Dame auf einen Flug in die achthundert
Kilometer entfernte französische Metropole "Bordeaux". Supi!
Die Sächsin ist mächtig vergnatzt und verklagt die Luftfahrtgesellschaft
und – verliert! Grandios! Die Dame hat das teure Nachsehen: Fahrkarte
von Bordeaux nach Porto plus Gerichtskosten. Das ist hart. Warum wir
uns schier ausschütten vor Lachen? Oh, das soll Ihnen nicht vorenthalten
werden:
Natürlich haben die Richter recht! Was kann so ein armer Teufel dafür,
dass die Frau kein ordentliches Hochdeutsch spricht? Und Hochdeutsch
ist nun mal der amtliche Dialekt im Deutschen Reiche!
Ist keine einhundertfünfzig Jahre her, da sprach man in der mächtigen
Chur- und Hauptstadt, den beiden Städten Brandenburg an der Havel, ein
lupenreines Niederdeutsch. Zumindest das Volk tat das. Platt ist Ihnen
fremd? Das ist diese herrliche deutsche Sprache, die gefühlvolle, sanfte
Stimme des Nordens. Luther, die „Nachtigall aus Wittenberg“, der reformierende
Sachse, hat sie uns Märkern ausgetrieben, hat das Platt, was über Jahrhunderte
die Verkehrssprache der Deutschen Hanse war, getötet. Weil er das Neue
Testament ins Kanzleisächsische übersetzt hat und uns somit das "Hochdeutsche"
bescherte. Ab diesem Augenblick galt dem reformierten Klerus und dem
piekfeinen Bürgertum das Platt als die Ausdrucksform des flachen Nordens,
der einfachen Gemüter. Die Sprache wurde von denen lutherischen Pastores
diffamiert – die Kinder hatten in der Schule hochdeutsch zu reden. Sprachen
sie Platt, wurden Generationen von ihnen die Ohren lang gezogen. Unfein
war das Platte! Hochdeutsch war die Verständigungsform der Gebildeten
und breitete sich gen Norden aus wie eine schleichende Seuche. Die Urgroßeltern
und Großeltern unseres Redakteurs Michael L. Hübner unterhielten sich
am heimischen Tische untereinander noch rege auf Platt. Nur wenn sie
zu ihrem Enkelchen sprachen, dann befleißigten sie sich verschämt eines
sauberen Hochdeutsches. Der Junge sollte nicht mit dem bäuerischen Ballast,
der Sprache des tumben, drögen Volkes belastet werden. So dachten sie.
Doch der Junge wurde groß und dachte anders und er begann dieses "Anders"
auf Platt zu denken und sehr zum Verdruss seiner Mitmenschen, die des
Niederdeutschen mehr und mehr verlustig gegangen waren, auch im Alltag
sein Platt zu sprechen – ohne Rücksicht auf Verluste. Er wohnt in der
Hansestadt Brandenburg an der Havel – hier ist Platt zuhause! De
Tiedgenossen varstoahn dat nich?
Ham se Pech gehabt! Soll'n se's lernen oder dumm sterben!
Und jetzt das – die Sächsin, deren Landsmann Luther, der unfreiwillige
Mörder des Niederdeutschen wurde – die Katholiken hatten nie etwas gegen
das Niederdeutsche einzuwenden und ließen es bestehen – fliegt mit ihrem
sächsischem, sprich somit eigentlich "hochdeutschen" Gebrabbel
nach Bordeaux statt nach Porto. Oh – was für ein Fest! Gott ist groß
und Mohammed ist sein Prophet! Seine Mühlen mögen langsam mahlen aber
sie mahlen sehr, sehr gerecht! Dat
früüt uns und mokkt uns dat Hadde warm! Wi sünd noch nich duad! Do künnt
ji lang daarup affluurn! Fohrt man tau no Bordeaux, ji Sassens!
Das ist der Fluch der bösen Tat. Anderen das Hochdeutsche aufdrücken,
das zahlt sich auf Dauer eben nicht aus! Denn
wie hett Pidder Lüng secht: „Levver duad as Slaav!“ Dat is'n prauded
Woort!