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Volle Fahrt voraus!
130 Jahre Brandenburger Fahrgastschifffahrt

Michael L. Hübner
Am Samstag, dem 27. Mai 1882 inserierte ein Herr G. Liedtcke, Dom 22, im Brandenburger Anzeiger: "Das Dampfboot "Brandenburg" fährt am 2. und 3. Pfingstfeiertage nach Kl. Kreuz um 1 ½ , 2 ½ und 4 Uhr. Zurück um 8 Uhr. Beide Tage um 2 ½ Uhr ist ein Schleppkahn zu 500 Personen angehängt und zurück um 8 Uhr ebenfalls, à Person 25 Pf.“ Georg Liedtke, der seine Brötchen eigentlich als Fabrikant für Pianofortes und Kirchenorgeln verdiente, erweiterte mit dieser Geschäftsidee den Bereich seiner Unternehmungen. Somit begann vor 130 Jahren in der Chur- und Hauptstadt die Ära der Personenschifffahrt. Gewerblicher Transport zu Wasser hatte in Brandenburg an der Havel eine bereits nach Jahrhunderten zählende Tradition. Menschen aber zu deren reinem Vergnügen die Havellandschaft erkunden zu lassen – das war neu! Es hatte so ein bisschen was vom mondänen Bäder-Linien-Verkehr an der pommerschen Küste, nur das hier alles eine Nummer kleiner und lauschiger war. Man kam am freien Tag mit dem „Brandenburg“ und dem „Magnet“ zu Ausflugslokalen wie dem Dorotheenhof, einer ehemaligen Schifferkneipe mit Schifferbedarfshandel, an die Malge, zum Gränert, nach Plaue, zum Buhnenhaus und nach Klein Kreutz. Das alles im Liniendienst. Mit dem einen Dampfer fuhr man hin, genoss die Sommerfrische und mit dem nächsten Schiff ging's abends zurück. Im Laufe der Jahrzehnte wurde dieser Ausflugsverkehr von Pötten bedient, die den Brandenburgern noch heute liebevoll in den Ohren klingen. Da war die „Freya“, der „Odin“, die „Preußen“, der „Deutschland“-Dampfer, der „Sonnenschein“, der legendäre „Nordstern“. In der DDR kamen die „Maxim Gorki“ und der stolze „Aktivist“ dazu. Ausflugsfahrten standen hoch im Kurs, wurden von Familien und in der DDR von Arbeitskollektiven nachgefragt. An diese Tradition erinnerte die Reederei Bischoff, die am 14. Juli mit einem richtigen Linien-Fahrplan und den Schiffen „Nordstern“, „Pegasus“ und „Sirius“ am Salzhofufer ihre Gäste empfingen.

Ergänzt wurde die Armada durch die „Havelfee“ der Reederei Röding sowie das Küken der Ketziner Flotte, die „Hoffnung“. Letztere wurde 1914 in Magdeburg gebaut und ist seit 1947 im Besitz der Reederei Herzog. Das kleine, 60 Passagiere fassende Schiffchen versprüht noch immer den Charme der späten Kaiserzeit. Die Eltern des derzeitigen Reeders, Kapitänin Maria Herzog und Vater Siegfried, steuerten mit der „Hoffnung“ in sechseinhalb Stunden die sieben ausgewählten Anleger von den Beetzseeterrassen bis zum Dorotheenhof an. Stadtführerin Petra Stehlin erklärte den Gästen sachkundig die Stadt vom Wasser aus. Siegfried Herzog erzählte indessen von den Nachkriegstagen, als es noch keinen Überland-Omnibusverkehr gab und seine „Hoffnung“ für „zwo fuffzich“ die Bauern von Schmergow nach Spandau brachte. Naturalienwirtschaft, überlebenswichtiger Tauschhandel, später begleitet von den Schikanen der Volkspolizei. Später, als dann in Potsdam grenzbedingt Schluss war, kamen viele LPGler, die sich mit einer Flusspartie von der harten Feldarbeit erholten. „Da hatte jeder seine eigene Kasse, Frauen wie Männer“, erinnerte sich der Alt-Käpt'n, „die Frauen verdienten ja auch gut. Blasmusik spielte auf. Schön war das.

Nur wenn wir die Lehrer an Bord hatten, die waren nicht ganz so pflegeleicht...“ Er lacht. Das Wetter hingegen war weniger humorvoll aufgelegt: Auch Storms Regentrude hatte sich zur Gratulationscour angemeldet, auf dem Breitlingsee unterstützt von einem kräftigen Südwest der Stärke 5 bis 6. Unbeirrt pflügte die kleine „Hoffnung“ ohne zu schwanken durch sich bereits gischtig brechende Wellenberge von bis zu einem Meter Höhe. Der Himmel zog sich drohend grau zusammen. Die „Hoffnung“ hielt sich wacker und erreichte erst mit dem Lee des Neuendorfer Havelgemündes ruhigeres Fahrwasser. Am Anleger des Buhnenhauses plante noch mancher von Bord zu gehen, im Buhnenhaus noch ein kräftiges Abendbrot zu ordern und sich dann von dem als „Lumpensammler“ hinterdrein schippernden „Nordstern“ die letzten drei Seemeilen nach Hause bringen zu lassen. Leider zuckten dem Vernehmen nach die Buhnenhäusler mit den Achseln. Unverrichterdinge kehrte man an Bord zurück. Vielleicht war der Ansturm an diesem Tage zu groß gewesen. Am Seehotel jedenfalls wurde noch jeder Ankömmling mit einem Bollmanntropfen begrüßt. Eine nette Geste, die sich spätestens auf den rauen Gewässern des Plauer Sees bezahlt machte. Mit einer Reminiszenz an die großen Tage der Brandenburger Fahrgastschifffahrt wurde einmal mehr das Potential beleuchtet, das die Havelmetropole mit ihren noch immer existierenden Ausflugszielen nicht nur ihren Gästen zu bieten in der Lage ist. Auch die Brandenburger selbst sollten sich wieder vermehrt der Orte erinnern, an denen schon ihre Großeltern freie Tage voller Seligkeit genossen!

22. Volumen
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18.07.2012