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Weihnachten
2008
Don M. Barbagrigia
Endlich ist es vorbei. Das ist nicht
mehr das Weihnachten aus den Kindertagen. Das ist nur noch der blanke
Schrecken. Mag sein, dass es für den einen oder anderen noch das
Fest der Liebe darstellt; das Fest der Besinnung und der Beisinnlichkeit.
Für die meisten aber ist es nur noch die lästigste Zeit des
Jahres, voller Gedudel und Geplärre von entarteten Weihnachtsschnulzen,
voller Besuchs- und Geschenkestress, voller Fressorgien, Rudeln von schwachsinnig
wirkenden rot-weißen Stofffetzen in allen Größen an allen
Körperteilen und ähnlichem Wahnsinn.
Dass an Weihnachten die Geburt des Erlösers gefeiert wird, wer aus
dem doofen Volk weiß das noch? Welchen Erlösers? Ach so, Jesus!
Wer Jesus war oder ist? Achselzucken, na Jesus halt, so'n Hungerghandi
eben... Sie wissen es nicht. Es interessiert sie auch einen feuchten Dreck.
Was dieses Pack interessiert ist das neue Handy, oder gar das neue Auto,
das sie sich auf dem Gabentische erhoffen. Dass sie dafür auch etwas
schenken müssen, das hinwiderum kotzt sie an, weil es ihr Geld kostet,
weil sie eh nicht wissen, was sie schenken sollen und überhaupt.
Hauptsache sie bekommen etwas, wofür sie weiter nichts tun müssen.
Es ist so unwahrscheinlich öde. Der arme Rabbi Joshua aus Nazareth,
dem die Christen nicht einmal seinen Namen ließen und derer viele
ihn über zwei Jahrtausende hinweg noch übler misshandelten als
die Römer, dauert uns bis auf den Grund unserer Seelen.
Mag sein, dass seiner in so manchem guten Pfarrernshaushalt gedacht wird.
Keine Silbe würde uns entgleiten über das Weihnachten eines
Matthias Claudius. Menschen wie Claudius gibt es noch heute und –
Gott sei Dank – nicht einmal gar so wenig.
Aber selbst unter denen theologisch studierten Gottesleuten beiderlei
Geschlechtes ist leider soviel Lumpenpack unter den Tannenbäumen
versammelt, dass es allemal für eine neue Sündflut reichte.
Da haben diese Kirchenfunktionäre die Heilige Schrift 'rauf und runter
studiert und all ihre Ausleger und Kritiker – aber die schlichte
Aussage des Rebben ist in ihren dummen Herzen nie angekommen. Bornierte
und sehr von sich eingenommene Funktionärsseelen sind uns untergekommen,
die dem Rabbi nicht anders begegnen, als die vernagelten Bolschewisten
dem Karl Marx aus Trier. Es ist Ideologie, nicht Christentum, was aus
ihren Mäulern stinkt. Sie haben nicht SEINE Herzensgüte, das
Gleichnis des Barmherzigen Samariters können sie von vorn nach hinten
durchinterprätieren, und haben's derhalben doch nicht. Es widert
einen an. Millionen von Heiden stehen dem Rebben näher als dieses
wahrhaft gottlose Gesindel.
Errichtet ist dieses ganze theologische Gebäude überhaupt auf
einem Fundament von Lügen. Und von vornherein hat es sollen die Macht
beherbergen – der größte Hohn auf den armen galiläischen
Wanderrabbi, der zu Jerusholaym ans Kreuz genagelt wurde. Schon die ersten
Evangelisten logen, was das Zeug hielt. Im Namen des Kompromisslosen,
der für seine Überzeugung in den sinnlosen und grausamen Tod
ging, krochen sie der damaligen Supermacht Rom in den Hintern und heiligten
den verbeamteten Killer Pontius Pilatus, während sie den damals schon
furchtbar leidenden Juden eine mörderische Hypothek für die
nächsten zweitausend Jahre mit verlogenen Zeugnissen aufhuckten.
Gottes Fluch über sie!
Untereinander hielten sie es nicht anders. Agape? Das können wie
nur mit einem höhnischen Lachen quittieren: Um eines winzigen Buchstabens
willen droschen sie sich den Schädel ein und tun es an den heiligsten
Stätten des Christentums noch heute. Unbeteiligte Theologen apologieren
dieses höllische Treiben, ohne mit der Wimper zu zucken. Der Kaiser
Julian Apostata hatte sie durchschaut – aber da war es bereits zu
spät. Was also feiert man zu Weihnachten? Die Geburt eines Knaben,
der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht an diesem Tage
geboren wurde? Denn man hat ja nachweislich und völlig willkürlich
dieses Datum auf die heidnische Wintersonnenwende gepappt, wie man mit
späteren Kirchenbauten heidnische Tempelanlagen zu überbauen
pflegte. Feiert man seine Botschaft? Wer kennt sie? Wodurch kennen wir
sie? Durch die Münder verlogener Evangelisten, die erst Jahrzehnte
nach dem Kreuzestod des Rebben ihre im Übrigen äußerst
geschickt gestrickten Propagandamärchen in die Welt setzten? Oder
etwa durch den Superdemagogen und Zeltmacher Paulus, der die Weiber in
der Gemeinde schweigen hieß und das Christentum im eigentlichen
Sinne begründete, weit am Rabbi vorbei? Wissen wir alles? Was ist
mit den Apokryphen? Was mit den Evangelien, welche die Häresie-Verfolgungen
zweier Jahrtausende nicht überstanden? Wir hören doch kaum noch
die reine Botschaft des Rebben, sondern den Absud, der durch ungezählte
Filter von Kirchenlehrern, „Theologen“ und anderen Männern
gesiebt wurde, die nur eines im Sinnen hatten: Mit Feuer und Schwert die
Leute das glauben zu machen, was sie, SIE und nicht der Rebbe wollten.
Dabei behaupten wir nicht, dass es besser gelaufen wäre, wenn die
Katharer oder die Albingenser gesiegt hätten, die Gnostiker oder
die Anhänger des Origines. Auch dort wäre der Nackte Affe in
all seiner korrupten Verkommenheit wieder auf den Zug der Macht aufgesprungen.
Es hätten diesmal eben nur die anderen den Scheiterhaufen besteigen
müssen.
Der tote Joshua diente jedem Sieger nur noch als Legitimation. Tot war
und ist er ihnen unendlich viel mehr wert als lebendig und niemand von
diesen Strolchen zögerte auch nur eine Sekunde, ihn sofort wieder
zu erwürgen, zu verbrennen oder ans Kreuz zu nageln, wenn er es wagen
sollte sich erneut zu zeigen. Wir sind Pfarrern und Pfarrerinnen begegnet,
die würden dem armen Gekreuzigten Maß nehmen, wenn er die Frechheit
besäße unter sie zu treten und auch nur mit einem Worte ihrer
beschränkten, naiven, dümmlichen, sich doch aber selbst so sicher
gebenden Weltsicht zu widersprechen. Sie würden ihn ausspucken, wenn
er sie aufforderte: Seht mich an, ich bin der ich bin – und so bin
ich wirklich! Das würde ihm wahrlich übel bekommen. Exkommunizieren
würden sie ihn, tot schwiegen und in ein Irrenhaus einliefern. Hauptsache
er stört ihre Kreise nicht, nicht ihr Gesinge und nicht ihr Geplapper.
Stefan Heym hat diesen Typen brillant beschrieben, in seinem genialen
„Ahasver“: Da steht er für sie alle, der Prototyp des
rechthaberischen Muckers in Christo, der Superintendent von Schleswig,
der von Gott ausgespuckte Paulus von Eitzen.
Und die Laien? Die Nicht-Christen? Viele deutsche Familien werden sich
auch dieses Jahr wieder bar jeden Sinnes für die Seele des Weihnachtsfestes
zwangsweise zusammengerottet haben. Und für viele werden die drei
grausamen Tage wieder in einem großen Knall explodiert sein. Alte
Ressentiments brachen auf, übers Jahr schwelende Konflikte... und
alles endete in Neid, Hass und Missgunst. Hoch lebe Weihnachten! Welche
Rolle der Rabbi bei diesem Irrsinn spielte? Gar keine. Nicht einmal bei
dem Weihnachtsgottesdienst, den diese verfluchten Heuchler besuchen um
der eigenen Wohlgefälligkeit zu frönen. Weil es doch dazu gehört,
weil es so schön romantisch ist.
Der Rabbi aber wird zur Rechten des Vaters sitzen, dem sein Werk seit
Anbeginn der Zeiten scheißegal ist – und wenn überhaupt,
dann wird er bitterlich weinen. Wein-Nachten eben.
Wir aber wollen es mit der russischen Orthodoxie halten und am 7. Januar
mit den Mütterchen in den zwiebeltürmigen Kathedralen vor dem
Ikonostas stehen und mit tiefem Bass von dem Wunder der Geburt eines armen
Rebben mit einer großen Idee singen. Denn er war ein Sohn Gottes.
Und er war und ist es wert, sich seiner zu erinnern. ER hat die Menschen
geliebt. Warum, das weiß nur er. Seiner Liebe wert waren es seither
die wenigsten.
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