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Een trüriger Spalk up Platt*

Michael L. Hübner
Es ist wie bei den Insekten, die am Sonnentau kleben bleiben. Sie gehen in die verheißungsvollste Falle – in die, welche die meisten Sehnsüchte weckt.
So hatte die Märkische Allgemeine leichtes Spiel, als sie ihre Leser in ihrer Ausgabe vom 1.4.2009 in den April schickte. „Lött mi ju watt vatelln**“ titelte der Beitrag von Seite 19 auf dem Landkurier und verkündete, nun werde es auch mundartlichen Unterricht an märkischen Schulen geben, mit dem Ziel, das märkische Platt wieder zu beleben.
Anfang der Siebziger starb diese wundervolle Sprache – ja, ja, das Niederdeutsche ist eine eigene Sprache – aus, nachdem sie auch auf dem flachen Land in einem beispiellosen, planvollen kulturellen Vernichtungsfeldzug seit Beginn des letzten Jahrhunderts im protestantischen Norden ausgerottet wurde. Luthers hochdeutsches Kanzleisächsisch sollte fortan die einzig verbindliche Ausdrucksform darstellen. Zunächst wurde es die Verkehrssprache der Gebildeten und dann, quasi durch die Trendsetterfunktion der Oberklasse, breitete sich der hochdeutsche Impetus nach unten hin, an die Basis der Gesellschaft aus. Die heute gebräuchliche, umgekehrte Variante wäre den Altvorderen schlichtweg undenkbar gewesen: Dass nämlich das Dummsprech der proletarischen Schichten en vogue werden und den Status der Verbindlichkeit erreichen könnte, hätte für sie bedeutet, dass die Welt dem kollektiven Wahnsinn verfallen ist. Bildung war erstrebenswert, achtbar, respektbehaftet – aber das Gebaren des Dorftrottels zu adlen? Hatte der Hauff da nicht so ein bezeichnendes Märchen geschrieben über den Affen als Menschen? Nun ja, was wussten die Alten schon vom Fluch der Dekadenz, der junge Menschen, die sich um den nächsten Tag nicht zu bekümmern brauchen, dazu treibt, eine lebensgefährliche Extremsportart nach der anderen zu ersinnen – immer auf der Such nach dem „letzten Kick“! Für die Alten war es zwangsweise der „Kick“, ob in der Brotlade morgen noch etwas nahrhaftes vorhanden war oder eben nicht. Leider war dies keine Extremsportart, sondern vielmehr der unentrinnbare Alltag. Weil nun also die, die es nach Gottes unergründlichem Willen zu etwas gebracht hatten, hochdeutsch sprachen und deshalb unbedingt nachahmenswert waren, deshalb musste das Platt, die gefühlvollste, direkte und herzlichste deutsche Sprache sterben. Ihre Totenglocken läuteten wie gesagt im dritten Viertel des 20. Jahrhunderts.
Und wie das beim Nackten Affen eben so ist: Selten verschwendet er einen Blick auf die Schindeln, die das Dach seines Hauses decken. Erst wenn sie fehlen und es regnet durch, bemisst er ihren Wert. So scheint es auch dem Platt zu gehen. Hat sich doch in der Prignitz ein Verein zur Rettung der niederdeutschen Mundart gebildet. Nun gut. Das ist etwas Elitäres. Es wird kaum die erhoffte Breitenwirkung erzielen, den Alltagsgebrauch schwerlich retablieren. Der gesellschaftliche Druck ist auf breiter Fläche nicht mehr aufzubauen. Platt wäre ja so oder so auch nur noch die Zweitsprache der Ansässigen. Und welcher Nackte Normalaffe belastet sein Hirn schon gerne mit mehr, als da unbedingt hinein muss! Dennoch – so ganz scheint die Sehnsucht nach den vertrauten Klängen nicht verschwunden zu sein, die man noch bei den Groß- und Urgroßeltern vernahm. Von daher wurde der Artikel mit viel Begeisterung aufgenommen und großem Hallo begrüßt, wobei kaum einem Märker die Frage auffiel, welches Platt denn nun eigentlich im Lehrplan verankert werden solle, da es ja fürs Niederdeutsche kein verbindliches Standardwerk gibt und schon von Dorf zu Dorf teils unterschiedliche Termini gebraucht wurden.
Die Hoffnung macht eben oft blind für die Realität. Nichtsdestotrotz. Der Ansatz ist gut und überdenkenswert und es wäre wohl der produktivste Aprilscherz aller Zeiten, wenn es gelänge ihn zum Samen für eine Revitalisierung eines Totgeglaubten zu entwickeln. Denn Platt hätte das Zeug zu einem erstrangigen Identifikationsobjekt für eine durch Fluktuation und Abwanderung ausblutende europäische Region. Platt ist Heimat. In diesem Sinne: De Hapen starbt tauletzt***.

* Ein trauriger Scherz auf Platt
** Laß mich Dir was erzählen
*** Die Hoffnung stirbt zuletzt

13. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
07.04.2009