Baaks

zurück zum Landboten

 

Ich war kein Widerstandskämpfer
Joachim Damus - Porträt eines stillen Helden des Alltags

Michael L. Hübner
„Nein, nein, so schlimm war das in Brandenburg eigentlich alles gar nicht“, wehrt Joachim Damus ab. Der 43jährige Sohn einer alten Brandenburger Schulmeister-, Pfarrer- und Fabrikantenfamilie schaut versonnen und leise lächelnd vor sich hin. 20 Jahre ist das nun her. Mühsam ist es, die mittlerweile entfernten Ereignisse zu rekapitulieren. Die Wende, der Zusammenbruch der DDR, einer sozialistischen Illusion, die viel von den inneren Widersprüchen des Kapitalismus wusste und letzten Endes an den eigenen zugrunde ging. Wie war das doch gleich – Montagsdemonstrationen, Schweigemärsche, Kerzen, die Bilder der Ausreisenden im Fernsehen – die Deutsche Botschaft in Prag... „Keine Tränen weinen wir denen nach“, tönten die Funktionäre und der Berufs-Jugendliche Egon Krenz verkündete drohend, wie ausnehmend gut es ihm auf dem Pekinger Platz des Himmlischen Friedens gefallen hatte. Die Situation war zum Bersten gespannt. „Ja, ein wenig Angst hatten wir schon, man hatte Frau und Kind“, sinniert der Sozialpädagoge Damus. Der das sagt, zählt eigentlich zu den Furchtlosen. „Ein Widerstandskämpfer war ich nicht“, betont er trotzdem mit Nachdruck. Nein, kein Revoluzzer, Lampeneinschmeißer und Barrikadenbauer. Joachim Damus ging unbeirrt seinen Weg, den Weg eines protestantischen Christen, der seine Haltung nicht wie ein Banner voran trug, der aber auch keinen Hehl aus ihr machte. Nein, er debattierte nicht viel mit den Kommunisten. Das war gar nicht seine Art. Er erklärte einfach Offizieren, Lehrern und Stasileuten im Wehrkreiskommando, dass er zu den Bausoldaten wolle. Später legte er noch eins drauf: Totalverweigerer sei er. Das hätte 5 Jahre Gefängnis bedeuten können. „Na ja, wir haben uns schon vorher bei einem Kirchenjuristen kundig gemacht, ob die gegenwärtige Lage einen solchen Schritt vertretbar erscheinen lässt.“ Damus wagte und – gewann. Sie zogen ihn nie und das Gefängnis blieb ihm auch erspart. Belohnt wurde seine Haltung seitens der roten Machthaber aber auch nicht. Das Abitur verweigerte man dem außerordentlich klugen Burschen und ließ ihn statt dessen Schmelzer im Elektrostahlwerk auf dem Quenz werden. Vorfristig schloss er die Lehre ab, aufgrund sehr guter Leistungen. Doch war man in der DDR weniger an klugen Köpfen interessiert. Linientreue war gefragt. Als er dann nämlich auch noch die Wahl-Posse der DDR boykottierte, da machten ihm Vorgesetzte selbst am Ofen das Leben schwer. Diffamierungen begleiteten seinen Weg. Damus aber wehrte sich, schrieb an den Generaldirektor Lauck und – mit Blaupause – an den Gewerkschaftschef Harry Tisch. Auch diese Herausforderung hätte ihn Kopf und Kragen kosten können. Aber auch dieses Mal zahlte sich seine gerade Haltung zu seinen Gunsten aus. „Nein, ich war nicht besonders couragiert...“ bleibt Damus bei seiner Selbsteinschätzung. Wer die DDR kannte, wusste, welcher Mumm zu solcher Haltung gehörte. Als die DDR dann im Jahre 1989 zu zerbröseln begann und „Tapeten-Kutte“ Kurt Hager noch immer von seiner Kontinuität faselte, wandte sich Damus bereits dem Neuen Forum zu. Bei der zweiten Versammlung in Kirchmöser war er dann schon mit von der Partie, arbeitete in den neu gebildeten Arbeitsgruppen mit, träumte von einer Neugestaltung der Gesellschaft. Die Wiedervereinigung stand für ihn, wie für viele andere auch, noch gar nicht mal so sehr auf der Agenda. Man wollte hier etwas verändern, rechnete sich Chancen aus, aus dem Material „DDR“ doch noch etwas Lebens- und Lohnenswertes zu machen. Denkmodelle wurden entworfen, kursierten, wurden diskutiert. Da war er 24 Jahre alt. „Heute sehe ich viele Dinge anders, bin ganz froh, dass es so gekommen ist.“ Dabei gehört Damus beileibe nicht zu den Wendegewinnlern großen Stils. Weder steht vor seinem Haus die dicke Limousine noch schaukelt eine Yacht auf den Havelwellen. Das aber ist es auch nicht, was ihn mit der Gegenwart versöhnt. Es ist für ihn, den klugen Mann, der Zeit seiner Jugend von ideologisierten Hohlköpfen aller Couleur malträtiert wurde, ein Segen nach seiner Facon selig werden zu können. Er kann frei reden, kann reisen, wohin er möchte, kann sich engagieren, wo und wie er will. Das sind Werte, die dem Joachim Damus etwas bedeuten. Damals – ja, das war ein Aufbruch. Er war sogar für drei Monate beim Neuen Forum angestellt. Als Wahlkampfmanager ließen sie ihn alles organisieren, was für so einen Wahlkampf gebraucht wurde. Das Neue Forum konnte ihn zwar nicht bezahlen, aber eine Tante, die zu dieser Zeit schon Mitglied des Bundesvorstandes der Grünen im Westen war, sammelte für ihn. Das harte Westgeld wurde brav in die weiche Ostmark getauscht und auf das Kirchenkonto eingezahlt. So konnte man sein Gehalt weiterlaufen lassen, obgleich er für die politische Arbeit freigestellt war. Damus nahm sich denn seiner ungewohnten und neuen Aufgabe an. Und wie immer hatte er sich mit seiner ganzen Kraft ins Zeug gelegt. Am Ende fuhren die beiden großen Volksparteien die meisten Stimmen ein. Damus lächelt. Er hadert nicht mit der Entwicklung dieser Zeit. Keine Nostalgie, keine Verbitterung. Wie es war, so war es gut. Er selbst sah sich nie in vorderster Front. „Wenn aber viele etwas in der selben Richtung tun, dann kann man schon etwas bewegen.“ Dieser Joachim Damus gehörte zu denen, die viel bewegten – auch wenn er es gar nicht wahr haben will.

13. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
06.01.2009