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Crash
auf der Piste
Thüringens Ministerpräsident steht
vor einer richtungweisenden Entscheidung
Don M. Barbagrigia
Kein Mobiltelephon, Fernsehverbot
– sie schotten ihn ab, den Thüringischen Ministerpräsidenten.
Ein harter Brocken für einen so hochrangigen Berufspolitiker. Alles,
damit er bloß nicht zu erfahren bekommt, dass die in den Skiunfall
vom Neujahrstag verwickelte 41jährige Beata Christandl zu Tode gekommen
ist. Das alles ist eine Geschichte von großer Tragik. Das tragischste
Moment aber scheint uns zu sein, dass sich dieses Drama als Sportunfall
präsentiert. Hinsichtlich dessen will der Landbote seiner Linie treu
bleiben und Dinge hinterfragen, die im allgemeinen Verständnis schon
keiner Diskussion mehr wert zu sein scheinen. Die Frage, die sich uns
also aufdrängt, lautet: Was treibt Menschen dazu, mit affenartiger
Geschwindigkeit Berge herabzurasen? Wozu ist das gut? Es ist vielleicht
auf der Unsinnigkeitsskala nicht ganz so hoch anzusiedeln wie eine Rallye,
die obendrein der Natur schweren Schaden zufügt. Wir begegnen diesem
Treiben jedoch mit ähnlichem Unverständnis, wie Leuten, die
auf Teufel komm raus an der Eiger-Nordwand emporklettern müssen.
Haben sie es geschafft, lassen sie sich als Helden verehren, stürzen
sie ab, jault das Reich gequält auf. Wozu? Sollen sie doch kraxeln
und Skifahren und Speedboat-Rennen veranstalten. Aber bitte auf eigenes
Risiko und auf eigene Rechnung. Warum muss sich die Gesellschaft an den
Kosten beteiligen, die entstehen, wenn solche „Sportler“ dabei
zu schaden kommen? Das gilt natürlich auch für den thüringischen
Herren Ministerpräsidenten und es gilt ebenso für Beata Christandl.
Wer sich einen solchen Berg beinahe ohne jeglichen Schutz herabstürzt,
und das mit einer Geschwindigkeit, bezüglich derer die Automobilindustrie
Milliarden investiert um im automobilen Sektor Sicherungssysteme zu entwickeln,
die potentiellen Unfallopfern Haut und Knochen retten sollen, muss wissen,
worauf er sich einlässt. Es ist niemand anderes mit an Bord zu holen,
denn auch hier kann man nicht das Vergnügen für sich beanspruchen
und die Folgeschäden sozialisieren.
Vor einigen Jahren wies die Statistik eine Unfallzahl auf Österreichs
Pisten von 65.000 Skiunfällen aus, von denen 15 tödlich endeten.
Das sind 178 auf jeden Tag des Jahres gerechnet. Mit welchen Kosten ein
nationales Gesundheitssystem aufgrund dieses Unfugs belastet wird, ist
ungeheuerlich. Mit diesen Geldern könnten einige sozial schwache
Rentner mit guten Zahnprothesen versorgt werden, oder Schulkinder mit
ansprechenden Brillen. Aber nein, Chirurgen müssen Milzrupturen und
Knochenbrüche versorgen – und das kostet.
Was den überlebenden Herrn Ministerpräsidenten anlangt –
so kann es für ihn, sollte er ein Ehrenmann sein, nur eine Entscheidung
geben: Demission! Ein Regierungschef, der mit seinem Leib fahrlässig
einen anderen Menschen zu Tode gebracht hat, ist in einem Lande nicht
vorstellbar, dessen Wortschatz noch das Wort „Moral“ beinhaltet.
Es wäre etwas anderes gewesen, wenn der Herr Ministerpräsident
schuldlos in einen Verkehrsunfall verwickelt worden wäre. Ein riskantes
Freizeitvergnügen aber ist unentschuldbar. Sollte der Herr Ministerpräsident
Dieter Althaus auf der weiteren Ausübung seines hohen Amtes bestehen,
wäre das ein enorm schlechtes Zeichen für die politische Entwicklung
Deutschlands. Es ließe sich nur so interpretieren, dass ein früher
als unersetzlich bewertetes Menschenleben nunmehr mit einigen Kondolenzfloskeln
aufgewogen und dem politischen Tagesgeschehen ohne Weiteres geopfert werden
kann und darf. Wird diese Aussage noch dazu von einem Spitzenvertreter
einer konservativen Partei getroffen, deren Hauptanliegen darin bestehen
sollte, in Gefahr geratene Werte zu bewahren und zu verteidigen, dann
ist Holland in Not! Dem Ansehen der CDU täte es schwersten Schaden,
zumindest bei den Leuten, denen Moral und Ethos noch nicht abhanden gekommen
sind.
Leider ist zu beobachten, dass die Anzahl der Wichtungen nach diesen Prinzipien
signifikant abgenommen hat. Wir bewerten dieses als Auflösungserscheinung
der Gesellschaft und weisen darauf hin, dass eine solche fatale Tendenz
das um seinen Platz in der Weltgemeinschaft ringende Deutschland mit einer
bösen Hypothek belastet. Abgesehen davon, dass derart vorgetragene
Haltungen in Windeseile an die Basis der Gesellschaft durchschlagen und
dort potenziert ausgelebt werden – sehr zum Schaden des Ganzen.
Der dümmliche Tenor, der so ausgiebig von der deutschen und internationalen
Schwachsinnigen-Presse kolportiert wird: „Spitzenpolitiker lebt,
junge blühende und hübsche Frau muss sterben – warum nimmt
er sich die Frechheit heraus zu überleben?“, respektive „na
klar, arme Frau kommt nie zu ihrem Recht, weil die da oben wieder alles
vertuschen werden...“, sei auf den Müllhaufen geworfen! Das
ist der übliche Sülz fürs dämliche Volk, keines Kommentares
wert. Allein der Umstand, dass genau diese Art von Berichterstattung nur
deshalb verbreitet existiert, weil der Abnehmerkreis entsprechend groß
ist, muss uns zu denken geben. Denn hier, an der Basis wird die Suppe
gekocht, die dringend einer vorbildhaften Korrektur von „oben“
bedarf, soll sie nicht mit doppelter Wucht auf die Fläche ihres Ausganges
zurückschlagen. Deshalb ist es dreimal wichtig, dass Herr Althaus
allen politischen Erwägungen und strategischen Szenarios zum Trotz
auf moralischer Integrität und Unangreifbarkeit für seine Person
beharrt. Und die kann nur in einem vollständigen Rückzug aus
der Politik bestehen. Als Ministerpräsident schwor Herr Althaus einst,
Schaden von seinen Landeskindern abzuwenden. Eine gute Gelegenheit, diesen
Amtseid mit Substanz zu füllen. |