Die Fußballweltmeisterschaft und
die „Reformen“ aus Berlin
B.
St. Fjøllfross
Selig duselt das Land von Sieg zu Sieg seiner National-Elf in
der anstehenden Fußballweltmeisterschaft 2006. Auch wir
drücken den Jungs von Herzen die Daumen. Wissen wir doch,
daß ihr siegreiches Finale möglicherweise eine der
letzten Chancen Deutschlands darstellt, nicht von der Weltkarte
der ernstzunehmenden Wirtschaftsnationen zu verschwinden. Ein
Sieg der jungen Burschen 2006 könnte ähnlichen Effekt
machen wie einst der ihrer Vorgänger 1954 in Bern. Auch
hier trat Deutschland windelweichgeprügelt an. Es war ein
zutiefst gedemütigtes Deutschland, dem die Folgen seines
Größenwahns noch taufrisch in den Knochen steckten.
Bei jenem Ereignis aber konnte es das erste Mal wieder stolz
das Haupt erheben und sagen: „Hier sind wir wieder!“
Im Umkehrschluß steht zu befürchten, daß sich
die Nation, wenn Herrn Kliensmanns Mannschaft im Halbfinale
oder im Endspiel auf der Strecke bleiben sollte, endgültig
als Verlierer der Globalisierung erkennen und in tiefste und
paralysierende Resignation verfallen könnte.
Was hat das eigentlich auf sich mit der Globalisierung?
Nun, das ist ganz einfach. Definitiv vorbei ist die Ära
des postkolonialen Konzeptes, das einst die sogenannte Erste
Welt auf Kosten der Dritten Welt feist und dekadent werden ließ.
Nicht die Ausgebeuteten von damals und heute, die geschundenen
Neger und Kulis, die Lateinamerikaner und die Inder führten
diese Änderung herbei, sonders das unter ewigem Konkurrenzdruck
zu Höchstleistungen auflaufende Kapital selbst, das sich
die Welt als Operationsbasis erkor und alte, nationale Ambitionen
über Bord warf, wie ein Ballonfahrer lästigen Ballast.
Ein multinational operierender Trust kann in jedem Lande der
Erde Dependancen gründen und aus dem Potential der Bevölkerung
die fähigsten Kräfte einbinden und schon hat er Länder-
und Wirtschaftsgrenzen vom Tisch gefegt! Er kann nunmehr hemmungslos
nomadisieren. Und das wird er auch tun. Er geht dorthin, wo
die Rohstoffressourcen auf ihn warten und er residiert gleichzeitig
dort, wo ein Absatzmarkt lohnend erscheint – Arbeitskräfte
für jeden Einsatzschwerpunkt findet er entweder vor Ort
oder er zieht sie aus der Heimat mit. Wollen etwaig „Bodenständige“
diese Wanderschaft nicht mittragen, sind sie draußen –
der Nächste wartet schon auf den Posten! So einfach geht
das. Nationale Belange und Befindlichkeiten sind den Multis
dabei so scheißegal wie die Menschen selbst: Das sind
keine Individuen mehr – das sind gesichtslose Ameisen,
austauschbare Subjekte, uninteressante Einzelschicksale…Punkt!
Wenn der deutsche Markt er-, oder, wie es im Jargon dieser Profiteure
heißt: abgeschöpft ist, dann wird die Ware eben woanders
verhökert. Die Karawane zieht weiter! Ein geographisches
oder politisches Gebilde namens Deutschland bedeutet dabei weniger
als das Schwarze unter dem Fingernagel.
Wie regagiert nun die deutsche Regierung auf diesen gordischen
Knoten? Wenn wir von dem bißchen Aktionismus absehen,
der als „Reformpaket“ angepriesen wird wie fauler
Fisch und ranzige Butter, dann können wir getrost sagen:
„Gar nicht!“
Was soll sie auch tun? Der Staat ist hoffnungslos verschuldet.
Und bitte, nehmen Sie dieses „hoffnungslos“ nicht
als stilistische Zierde des Textes – nehmen Sie es wörtlich!
Zweieinhalb Billionen Euro Schulden setzten die einstmals vermögende
Bundesrepublik Deutschland bald außerstande, selbst den
Zinsdienst noch ordentlich zu bedienen. Das Tafelsilber ist
längst verscherbelt – der Einfluß der Regierung
und ihrer Organe auf den neu erstehenden Manchester-Kapitalismus
schmilzt dahin wie Schnee in der warmen Frühlingssonne.
Per se darf die Staatsführung den längst fälligen
Offenbarungseid nicht leisten – das Grundgesetz „verbietet“
den Staatsbankrott. Was würde auch passieren, wenn die
Bundesbank erklären würde, sie könne für
die Einlagen nicht mehr gerade stehen? Alle Anleger würden
ihr Vertrauen in diese Institution binnen weniger Minuten verlieren
– der nächste Schwarze Wochentag ginge stracks in
die Annalen der Geschichte ein!
Daß dieses Ereignis nicht vermeidbar ist, dürfte
völlig außer Frage stehen.
Die Bundesregierung versucht lediglich, das Datum dieses Desasters
nach hinten hinauszuschieben.
Wie sie das macht? Mit Verrücktheiten, die sich gegenseitig
übertrumpfen.
Da wird zum 01.01.2007 die Mehrwertsteuer auf 19% hinaufgeschraubt.
Was wird das Milchmädchen Lieschen Müller dazu sagen?
Na was wohl? Sie wird den Binnenkonsum drosseln und damit die
Staatseinnahmen weiter senken, die Arbeitslosenquote in die
Höhe treiben, die Staatseinnahmen damit noch weiter senken
und so weiter und so fort…
Das Land leidet zudem an einem Überalterungsproblem. Wir
wollen ein wenig abstehen von dem einstigen Unwort des Jahres
1998: „sozialverträgliches Frühableben“.
Das wird die jetzige „Gesundheitsreform“ zweifelsohne
sonder allen Zynismus’ schon ganz elegant regeln. Wer
wenig bezahlen kann, kann sich halt eine kostspielige Verlängerung
seiner angegriffenen Existenz durch Hochleistungsmedizin nicht
mehr leisten und strebt etwas früher dem irdischen Ziel
allen Lebens zu.
Das andere gewichtige Problem des Staates ist dennoch das Kippen
der sogenannten Bevölkerungspyramide in Richtung Überalterung.
Durch „sozialverträgliches Frühableben“
wird man dieser Bedrohung leider nicht zeitgerecht Herr. Das
aber bedeutet, daß immer weniger junge, leistungsfähige
Menschen die Versorgung immer mehr alter, zur aktiven Beitragsleistung
nicht mehr befähigter Bevölkerungsteile schultern
müssen. Wie soll das funktionieren?
Der nächste Trend ist die durch die Gesellschaft im Selbstlauf
betriebene allgemeine Verblödung weitester Schichten der
Bevölkerung, begünstigt durch den Werteverfall und
das völlige Verschwinden gesellschaftsübergreifender
Ideale. Eine stumpfsinnige Menge aber wird kaum zu technischen
Höchstleistungen, Innovationen oder auch nur zur Entwicklung
von Pioniergeist zu gebrauchen sein.
Die logische Folge ist der rasende Rückgang von Mitteln,
die von erwerbstätigen Bürgern in den großen
Gemeinschaftstopf eingezahlt werden. Dieser Umstand, addiert
zur bestehenden Schuldenlast und ferner hinzugezählt zu
den Auswirkungen von Parkinson’s Law treibt das Schiff
„Deutschland“ gegen den Eisberg!
Die eifrige Flickschusterei der „Großen Koalition“
mutet schon fast rührend an und man könnte lächeln
angesichts des Versuches, die dräuende Sturmflut mit einer
Buddelschippe aufhalten zu wollen.
Die Buddelschippe – das sind die Leistungen, die man den
ohnehin schon Schwachen der Gesellschaft kürzt. Frei nach
dem Motto: nimm Vielen ein wenig, und du hast eine Menge!
Und die Schwachen werden täglich mehr! Nur, denen ist bald
nicht mehr viel zu nehmen…
Na, na, na! Wenn ich auch noch vorhin postulierte, daß
die Bundesrepublik pleite sei – die Privathaushalte sind
es beileibe noch nicht. Deren Vermögen würde dicke
ausreichen, die Gesamtschuldenlast des Staates mit einem Male
abzutragen. Was ist schon eine Prokopfverschuldung von €
15.000,- pro Nase (lt. Stern vom 10.10.2004 für 2005)?
Also trachtet man, nun diese Privathaushalte abzuschöpfen?
Es sieht ganz danach aus.
Da dieses aber für den Umfang der Gesamtverschuldung zu
schleichend geschieht, haben die Privaten alle Zeit der Welt,
ihr Vermögen rechtzeitig vor dem staatlichen Zugriff zu
sichern.
Wer das nicht kann, sind wieder einmal die ärmsten Teufel
mit ihren paar Kröten auf der hohen Kante. Aber da das
ehemals so heilige Bankgeheimnis nun auch dahingeschmolzen ist
– Sie erinnern sich des Schnees in der warmen Frühlingssonne?
– wird man den Leuten auch bald sagen: „Du hast
vor vierzehn Tagen noch zweitausend Euro auf dem Konto gehabt
– Was hast Du damit gemacht? Das waren zwar Deine zweitausend
Euro – aber die gehörten deswegen noch lange nicht
Dir, sondern uns – weil: damit hättest Du dicke alle
Kosten bestreiten können, die Du jetzt den Leistungen der
Solidargemeinschaft abzufordern versuchst (Mietzuschuß,
Medikamentenzuzahlung, Hartz IV und und und …)“
Also, das Volk soll gemolken werden. Wie lange geht das gut?
Noch drei, vier, fünf Jahre?
Und was kommt dann? Ein Sturm auf die Bastille hätte in
unseren Tagen wenig Sinn – es gibt keine Bastille mehr,
die es zu stürmen lohnte.
Uns schwebt ein anderes Szenario drohend vor Augen: Das furchtbare
Ende der Weimarer Republik – als die „Verwaltung
der Arbeitslosen durch die Arbeitsscheuen“ ihren tragischen
Anfang nahm. Billige und schnelle Lösungsvorschläge,
die nur bei einem stumpfen und ungebildeten Pöbel greifen.
Aber genau da greifen sie gut – und dieser Pöbel
nimmt ja, wie wir weiter oben feststellten – täglich
an Masse zu.
Das ist auch gut so. Jedenfalls für die Regierung. Noch!
Oder glaubt irgend jemand tatsächlich an einen Zufall,
wenn die „Reformgesetze“ während der heißen
Phase der Fußballweltmeisterschaft durchgepaukt wurden,
während der teutsche Michel gerade freudetrunken seine
bunten Fähnchen schwenkt?
Der potentielle Störenfried war justament richtig schön
besoffen. Da wäre es geradezu sträflich, ihm nicht
stante pede und ganz tief in die Brieftasche zu fassen, nicht
wahr!
Zurück zu unserer kippenden Alterspyramide! Was Deutschland
aufhelfen könnte, wäre junger, frischer und leistungsfähiger
Nachwuchs. Also tut die deutsche Regierung alles, um die Deutschen
zum Kinderkriegen anzuregen.
Warten Sie bitte einen Augenblick – ich habe gerade einen
Lachkrampf…
So. jetzt geht’s weiter: Diese sozialpolitischen Maßnahmen
sind ein Witz. Sie sind nichts im Vergleich mit den kontraproduktiven
Ideen, denen die Legislative zum 1. Julei 2007 Gesetzeskraft
verlieh: Wer damit rechnen muß, daß ihm die lieben
Blagen bis zu deren 25. Lebensjahr die Haare vom Kopfe fressen,
der wird es sich vorher dreimal überlegen, ob ihn Kontrazeptiva
oder aber radikalere Mittel der Empfängnisverhütung
nicht billiger werden. Ein Vierteljahrhundert! Das bedeutet,
daß Kinder nicht länger ein Teil der Altersversorgung
der Eltern sind, sondern ganz im Gegenteil diese aktiv vernichten
– mit jedem einzelnen Atemzug!
Nun gut, um zu diesen Schlußfolgerungen zu gelangen, muß
man der Grundkenntnisse des Rechnens fähig sein.
Den inflationierenden Markt überschwemmende Soap-Operas
und Richterin Barbara Salesch werden schon zusehen, daß
der Anteil der Unterbelichteten gehörig wächst. In
der DDR erfüllte billiger Fusel diesen Zweck.
Und die geistig Hintanstehenden werden schon für ausreichend
Nachwuchs sorgen. Denn, wenn sie auch zu nichts sonst zu gebrauchen
sind – der Urtrieb der Vermehrung ist allmächtig
und öffnet seine Freuden auch den Dümmsten unter Gottes
Himmel. Die Frage ist nur, ob sich aus dieser Saat geistige
und technische Eliten rekrutieren lassen, die den Herausforderungen
der Globalisierung wacker die Stirne zu bieten vermögen.
Und so beten wir mit der Nationalelf, sie möge erfolgreich
das Finale der Weltmeisterschaft bestreiten. Nichts hat die
Seele des versinkenden Michels augenblicklich nötiger,
als einen guten Schubs nach vorn, jetzt wo alle Arroganz aus
der Zeit der Wirtschaftswunders einer schleichenden, lähmenden
Depressivität gewichen ist. Na dann, Jungs – Euch
und uns Übrigen: Viel Glück!