Ein Frühschoppen am Dom
zum 5. Frühschoppen des FVV Brandenburg an der Havel
K. K. Bajun
Am letzten Februartag des Jahres 2006 lud der Fremdenverkehrsverband
der Stadt Brandenburg (FVV) zu seinem traditionellen jährlichen
Frühschoppen in die Aula der Ritterakademie am Dom.
Der Landbote war dabei und lauschte – denn hier wurden
Dinge angesprochen, die unserem Herzen nahe sind.
Wenn Sie kein Brandenburger sind – und wir sprechen hier
im Folgenden ausschließlich von unserer geliebten Havelstadt,
die dem Land den Namen gab – dann müssen Sie wissen,
daß die Situation der Chur- und Hauptstadt der Mark Brandenburg
noch Jahre nach der Wende gelinde gesagt paradox war: Stellen
Sie sich einen Digger vor, der in Alaska auf einer Goldmine
hockt, aber keine Spitzhacke besitzt, sich den Nuggets auch
nur zu nähern. Oder stellen Sie sich einen Farmer vor,
der nicht weiß, daß unter seinem Land Milliarden
Erdöl-Barrels darauf warten, ihn zum schwerreichen Manne
zu machen – dafür hat er eine Sippschaft, die jahrelang
in grandioser Manier über die Zukunft schwadroniert, während
Haus und Schuppen verfallen. Man gräbt ein Loch –
ja doch – man gräbt… Es wird ein Loch, über
das alle Welt lachen wird. Dem Reichtum aber kommt man keinen
Zoll näher.
Nun, seit den letzten Bürgermeisterwahlen sieht alles danach
aus, als hätte sich das Blatt gewendet. Man hat das Gefühl,
es geht voran. Und das ist ein gutes Gefühl.
Seit seiner Etablierung kämpft auch der Brandenburger Fremdenverkehrsverband
um Herrn Schwinzert und seine Mitstreiter um die Beförderung
einer positiven Wahrnehmung unserer Heimatstadt. Die Goldmine,
von der ich eingangs sprach – das ist das ungeheure touristische
Potential, was die alte Dreistadt Brandenburg aufzuweisen hat.
Brandenburg – das ist die Altstadt, die Neustadt, der
Dom – mit all ihren architektonischen Schätzen, von
denen uns selbst Krieg, Elend und Dummheit nicht alle zu nehmen
vermochten. Brandenburg, das sind seine Seen und Wälder
im Stadtgebiet, das ist seine Havel, diese schönste, größte
und charaktervollste Tochter der Elbe! Blau und Grün im
Überfluß – soviel, daß diese Farben selbst
in die Flagge der Stadt überschwappten. Es ist eine abwechslungsreiche
Traumlandschaft. Und seien Sie gewiß: Hier paradiert keine
abgedroschene Phrase! Fahren Sie durch Deutschland und vergleichen
Sie! Es gibt schöne Ecken – gewiß! Aber eine
Stadt, die urbanes Leben in eine wirklich liebliche, eine dynamische,
eine verspielte Umgebung einbettet, die eine Brückenfunktion
zwischen Erholung und Betriebsamkeit vermittelt, deren Nähe
zur Metropole Berlin wirklich allen denkbaren kulturellen Komfort
bildet – eine solche Stadt befindet sich in einer wirklich
handverlesenen Gemeinschaft.
Während ihrer kurzen Ansprache ging das amtierende Brandenburger
Stadtoberhaupt Frau Dr. Tiemann auf das jüngst stattgehabte
Treffen deutscher Bürgermeister in der Havelstadt ein und
erwähnte die desolate Informationslage, die bei ihren Amtskollegen
in Bezug auf Brandenburg an der Havel herrscht. Wir wollen die
von ihr genannte Prozentzahl derjenigen, die nicht einmal wußten,
daß es eine „Stadt im Land“ gibt, an dieser
Stelle nicht wiedergeben. Das ist nicht die Schande Brandenburgs,
das ist die Schande ungerechtfertigter Arroganz, Ignoranz und
mangelnder Schulbildung.
Doch es langt nicht, mit dem Finger drauf zu zeigen. Wer einen
anderen ob seiner Dummheit beschämt, wird ihn kaum zum
Partner gewinnen.
Da ist es doch weit besser, wir greifen eine alte Landsknechtstradition
auf – eine von den wenigen guten – und ziehen die
Trommel rührend hinaus in die Lande. Unter den vielen Bewohnern
Brandenburgs, denen es aufgrund der angespannten Wirtschaftslage
verwehrt ist, am Arbeitsleben teilzunehmen, wird es doch einige
geben, die Heimatliebe und Eloquenz gleichermaßen in sich
vereinigen. Macht sie zu Herolden! Bedienstet sie, kauft ihnen
ein Reichsbahnbillet und schickt sie zum Steintor hinaus. Botschafter
der Stadt, gewissermaßen. Messestände sind gut –
aber zu selten. Herrn Schwinzerts engagierte Kollegen können
den Ankommenden das freundlichste Gesicht der Stadt zeigen –
und das tun sie! Doch laßt uns dafür sorgen, daß
auch Menschen hier ankommen, denen sie es vorweisen können.
Ein wesentlicher Punkt sind solche Veranstaltungen, wie der
5.Frühschoppen des Fremdenverkehrsvereins. Es wäre
doch aber schön, wenn man den Rahmen dieser Veranstaltung
dahingehend erweitern könnte, kleine Kolloquien an ihrem
Rande zu etablieren mit dem Ziel, synergetische Energien zu
bündeln. Gesprächskreise, Foren die all denen, die
sich unter dem gemeinsamen Fähnlein zu versammeln gedenken,
auch eine gemeinsame Austauschfläche böten.
Hier muß gestritten werden… und erstritten:
Denn jetzt kommt unser obligatorisches „Et ceterum censeo…“:
Die Eingangsbereiche der Stadt! Da müssen wir ran! Die
Dringlichkeit dieser Aufgabe kann nicht genug betont werden.
So schön die Gute Stube sein mag – es wird sie kaum
jemand vermuten, wenn die Diele schabbig aussieht, ja geradezu
abstößt, verprellt. Kennen wir alle.
Der Bahnhof! Und sein Vorplatz! Der Bahnhof! Und sein Vorplatz!
Der Bahnhof! Und sein Vorplatz!
Was für ein Karfunkel verbirgt sich hinter einem der ältesten
und schönsten Bahnhofsgebäude der Eisenbahngeschichte!
Laßt uns daraus ein Vestibül machen, daß dem
Durchreisenden die Augen übergehen. Die Bahnhofstraße
ist in den meisten Städten ein Verkehrsweg brummenden Kommerzes
– die Brandenburger Große Gartenstraße ist
grise und tot. Wer soll als Ortsunkundiger ahnen, was sich dahinter
an Sehenswertem auftut? Dabei sind die Möglichkeiten nicht
mal schlechter als, sagen wir – in Erfurt! Hört sich
vermessen an? Ach was! Denken Sie sich die Große Gartenstraße
als belebte Fußgängerzone.
Natürlich, die Umgehungstangente, die die Große Gartenstraße
noch immer zur Sackgasse degradiert und den Bahnhof rüde
von seiner Stadt abschneidet, muß unter die Erde. Die
Straßenbahn muß wieder ans Bahnhofsgebäude
ran! Auf der Platte könnte ein zum Bahnhof und zur Großen
Gartenstadt offener, ansonsten eventuell teilüberdachter
Erlebnisbereich nach dem Vorbild des Potsdamer Bahnhofs geschaffen
werden. Der Trichter in Richtung Stadt wäre geschaffen
und würde alsbald seinen Zweck erfüllen. Ein Parkhaus
muß in vertretbare Nähe. Und dann wird man sehen,
das kühne Visionen reiche Früchte tragen können:
Die Menschen werden wie das Wasser in einem Blumenstil in Richtung
Steintorbrücke gezogen. Dort fächern sich die Alternativen
auf: Links die Grabenpromenade, dann die Kurstraße, die
geschäftstüchtige Steinstraße (laßt doch
um Himmels Willen den „Bären“ nicht verrotten!),
rechts die Neustädtische Heidestraße mit dem wieder
erstehenden Paulikloster. Verstehen Sie: links bummeln, mittig
einkaufen, rechts Kultur pur. Egal welchen Weg man wählt
– man kommt wieder in einer lebendigen Einkaufsstraße,
der Haupt- und St. Annenstraße heraus!
Dort aber würden Stadtwegweiser und geschickt arrangierte
Schautafeln auf die Altstadt, den Dom und den Marienberg verweisen,
so daß vor dem Besucher die Stadt wie eine riesige „8“
daläge. Das schafft man nicht an einem Tag. Man muß
übernachten oder wiederkommen. Und zu Hause Sehnsucht entwickeln,
schwärmen – dann beginnt der Tourismus-Motor anzulaufen.
Davor haben die Götter Investitionen gesetzt, gewaltige
Anstrengungen – aber Brandenburg wäre nicht Brandenburg,
wenn es solchen Herausforderungen nicht gerade ins Auge sehen
könnte. Bahnbrechendes zu bewerkstelligen hat in Brandenburg
Tradition.
Lockt die Menschen
nach Brandenburg! Lockt sie in die Stadt! Und das mit Force!
Da muß geklotzt werden und nicht gekleckert! Unser Haushalt
ist in schwierigem Fahrwasser – sicher! Aber das Entree
ist so wichtig, wie bei uns Zeitungsleuten ein guter „Teaser“.
Das muß in den Text, in die Stadt hineinziehen, nicht
vor den Kopf hauen.
Ich weiß – woher nehmen, wenn nicht stehlen…)
Das ist eine schwierige Frage. Aber es geht nicht anders. Denn
beinahe alles auf der Welt funktioniert nach dem Dominoprinzip
– ein Steinchen fällt vom anderen angestoßen
– so oder so! Es ist nur an uns, die Richtung zu bestimmen.
Investoren trifft man am häufigsten dort, wo sich Leute
heimisch und wohl fühlen. Dort strömen die Besucher
hin, denn Idyllen üben einen unwiderstehlichen Magnetismus
aus. Da wollen alle was vom Kuchen abhaben. Das muß als
Kernbotschaft thematisiert werden!
Für die Vorstellung solcher Visionen, für die Diskussionen
ihrer Machbarkeit und Umsetzung würden wir uns eine Rahmenerweiterung
von Veranstaltungen wie des FVV-Frühschoppens wünschen.
Herr Schwinzert und der Fremdenverkehrsverband Brandenburgs
sind Frontkämpfer. Ein Frontsoldat aber ist ohne seine
Etappe hoffnungslos verloren. Wir, Brandenburg, sind die Etappe.
Wir sind die Heimat. Laßt uns das klarstellen!
Mit Stolz erfüllt den Landboten die aktive Teilnahme der
Interessengemeinschaft „Olle und Dolle Räder“
aus der Kurstraße an der Veranstaltung des FVV. Das hatte
was. Auch dieser kleine Verein im Aufbau ist ein Fähnlein
Aufrechter im steten Kampf um die Bereicherung der Brandenburger
Kulturlandschaft. Engagierte Bürger wie diese sind das
Blut, das eine Kommune mit Leben durchpulst – sie sind
diejenigen, die einer Stadt ihre wahre Identität geben!
Solche Frauen und Männer sind mehr wert als alle Flyer,
Handouts, Prospekte und Slogans. Werbemittel können sinnvoller
Weise nur das versprechen, was solch beharrliche und Herzblut
in die Sache gebende Enthusiasten wie die Familien Buchholz
und Weinreich halten. Dafür gebührt auch diesen Damen
und Herren an unser Dank. Ein Dank, den wir auch dem FVV abstatten
und der Frau Oberbürgermeisterin, die all denen ihre Unterstützung
versprach, die um Brandenburgs Renommee und Zukunft ringen.
Sie ist als redlicher Charakter bekannt – ich denke, auf
ihr Wort kann man sich verlassen!