Der
Geburtstag des Schriftleiters
K.
K. Bajun
Wenn wir Ihn nicht erinnerten – er würde es vergessen.
Wie jedes Jahr. Sein Geburtstag ist dem Herrn Chefredakteur des
Preußischen Landboten so herzlich egal, daß es wehtut.
Am 28. Mai ist es wieder so weit. Einladungskarten ergingen keine.
Wer kommen will, kommt und kann auch so kommen und muß nicht
auf irgendeinen Geburtstag warten…
Herr Druckepennig bemerkte vor einer Woche, während er versonnen
seiner Klarinette einige Töne entlockte, daß doch Feiern
an sich etwas sehr schönes wären.
„Was gibt’s zu feiern, Herr Druckepennig?“,
blökte der Alte quer durch die Redaktion. „Das wir
gesund und am Leben sind? Das können wir jeden Tag feiern.
Dazu brauchen wir kein festes Datum. Gehen Sie und machen Sie
sich ein Fläschchen Tokajer auf – dann feiern wir!“
„Bei allem schuldigen Respekt, Monsieur Le Chef –
was für ein Zynismus! Es geht um den Tag Ihrer Geburt!“,
warf Herr Lemarcou ein. „Je nun“, erwiderte Fjö
nachdenklich, „Mein verrückter Alter hat an diesem
Ereignis nur einen vernachlässigbaren Anteil. Die alleinige
Last trug meine verehrte Frau Mutter und die ist seit fünfunddreißig
Jahren tot. Damit entfällt die einzige Person, die es zu
feiern lohnte.“
“Aber Patron,“ raunte Don Miquele „sind denn
nicht die Geschenke das Schönste an jenem Ehrentag?“
„Was Geschenke!“ polterte der Alte. „Geschenke
macht man sich am besten selbst! Soviel Lebenserfahrung sollten
Sie mittlerweile besitzen, Don Miquele. Was ist dran an den Pflichtgeschenken,
an den Verlegenheitsgeschenken, an den verpflichtenden Geschenken?
Oftmals sind sie lediglich eine Quelle des Verdrusses für
alle Seiten.
Sehen Sie, ich hatte mir vorgenommen, im Mai 2006 eintausend Kilometer
mit dem Fahrrad zu fahren. Das ist meinem Wohlbefinden zuträglich
und dieses Geschenk wollte ich mir gönnen. Also hab ich’s
getan. Hat mich einigen Schweiß gekostet, aber am Ende ist
die 1000-km-Marke am 27. Mai gefallen – auf der Landstraße
93 zwischen Wenzlow und Wilhelmsdorf, an der Abfahrt nach Görisgräben.
Das war ein Geschenk! Darüber habe ich mich gefreut. Und
das Wertvollste daran ist: Ich brauch niemandem „Danke!“
sagen. Das ist herrlich. Und im Übrigen: Wonach mir der Sinn
stünde – das schenkt mir eh keiner. Oder darf ich mir
von Ihnen mein Häuschen auf Bornholm erwarten, lieber Don
Miquele?“ Der Chef grinste über das ganze Gesicht.
Dann rief er an uns alle gewandt: „Gentlemen! Feiern Sie,
wann und wo es was zu feiern gibt! Und bieten Sie der Tyrannei
des Kalenders mannhaft die Stirn. Das ist mein Rat. Ihre Lebensfreude
wird es Ihnen danken! Und jetzt lassen Sie uns wieder an die Arbeit
gehen! Sonst haben wir bald nichts mehr zu feiern!“
Er klatschte in die Hände und verschwand in seinem Comptoir.
Über seinem Schreibtisch hängt ein Bild seines über
allem geliebten, japanischen Dichters Issa Kobayashi Yataro. Der
schrieb jedoch einst zu einem seiner Geburtstage:
Man gratuliere mir!
Auch dieses Jahr haben
Die Mücken mich gebissen.
Deshalb: „Herzlichen Glückwunsch zum 42., Chef! Und
das Ihnen noch einige Mücken um die Ohren summen mögen!“
|