Aussicht auf Hartz V – ein
Blick in die Zukunft
Im Stil einer Glosse
Don Miquele Barbagrigia
Der Pleitier Bundesrepublik Deutschland stiehlt seinen sozial
schwächeren Gläubigern mehr und mehr Geld.
Da wage ich einen Blick in die Zukunft: Ich reibe die Kristallkugel
und – ich sehe ein großes Gebäude. Könnte
ein Arbeitsamt sein.
Dann werde ich mal eintreten...
Neben dem Schalter, an dem die Wartenummern zu ziehen sind,
steht seit Neuestem ein weiterer Automat. Es ist ein umgebauter
Süßigkeiten – Automat, den das Kollektiv des
Arbeitsamtes in einer sozialen Anwandlung zur Verfügung
gestellt hat. Statt der Näschereien liegen nunmehr säuberlich
zusammengelegte Hanfseile neben verdächtig aussehenden
kleinen Ampullen.
„Sind se Hartz-Fünfer?“, bläkt mich die
etwas aus der Form geratene Dame hinter dem Counter an.
„Nö, noch nich“, gebe ich etwas verschüchtert
zurück.
„Na denne, wennet soweit is, kommen Se zu mir an Schalter.
Da könn’ Se sich aussuchen, ob Se nen sinnlosen Termin
haben wollen, wo ville sowieso nur sagen, det würde eh
nischt bringen und wäre unerträglich entwürdigend
dazu. Wenn se sich det ersparen wollen, könn’ Se
von mir gleich ohne Termin und weitere Anträge ne kleene
Chipkarte kriegen. Janz formlos – würklich! Sieht
so aus, wie ’ne EC-Karte. Na, noch ham se ja eene, und
die Hartz-Fünfer sind mehrigstenteils richtig froh, mal
wieder so ne Plastekarte inne Hände zu halten.“
„Ja, aber gute Frau, was soll ich mit der Karte?“
„Na, damit könn Se an den Automaten. Können
Se sich aussuchen, wat se haben wollen. Links liegen die Stricke
– Henkerknoten is schon einjeflochten, weil die meisten
Hartzer eh dafür zu blöde wären, und ’n
kleener Plan is mit bei, wo inne Stadt paar stabile Bäume,
Brückengeländer und son Zeugs is. Für die, wo
inne Öffentlichkeit nich so in Erscheinung treten wollen,
jibs det Zyankali inne Ampullen. Aber wenn Se ’t nehmen,
tun Se man die Klotüre nich von innen abschließen.
Det is immer so teuer – Feuerwehr, Türe uffbrechen,
Tischler, neue Türe – rechnen Se det mal uff ’n
paar Millionen Arbeitslose hoch. Da würden wa als Behörde
nischt jut machen bei die Einsparung von det frei jewordene
Hartz-V. Und unsere Bonzen wollen ja schließlich ooch
morjen noch Macedes fahrn. Vastehen Se?“
Ich nickte betroffen.
„Ach, noch wat, junger Mann“, röhrt mir die
freundliche Angestellte der Agentur für Arbeit hinterher.
„Uff ’n Bahnhof wern Se ooch son Automaten finden
– jleich neben die Fahrkarten. Soll die Leute davon abhalten,
immerfort uff de Gleise zu springen und sich vor’n Zug
zu werfen. Die Vaspätung wat det imma jibt – und
anne Eisenbahner lassen se’t dann widder aus. Die könn
ja nu ooch nischt davor! Meener is ooch Lokführer, der
kann schon nich mehr. Seelisch und so. Na, wenn der noch ’n
paarmal bei’n Betriebspsycholgen uffkreuzen tut, denn
hauen die’n am Ende ooch noch raus. Stellen Se sich det
mal vor. Nee, nee, da is det schon janz jut mit die neuen Angebote
an die Hartz-Fünfer!“
Gerührt über soviel soziale Fürsorge, die ein
Staat seinen bestohlenen und betrogenen Bürgern anheimstellt,
nehme ich die Hände von der Kristallkugel.
Neben mir liegt eine Randbemerkung des preußischen Soldatenkönigs
Friedrich Wilhelm I. Er resümiert darin, daß Schuldenmacher
denen Dieben gleichzusetzen wären, da sie mit fremdem Geld
operieren und es sehr ungewiß sei, ob die Gläubiger
je wieder an ihr Eigentum gelangen. Also empfiehlt er die Schuldenmacher
an den lichten Galgen.
Nun werden Sie einwenden, man bräuchte ja nichts zu verborgen…
Wenn es Ihnen aber per Gesetz genommen wird? Wenn Sie unentwegt
und über Jahrzehnte Pflichtbeiträge abführen
müssen, die Ihnen sonst mit der ganzen Gewalt staatlicher
Autorität abgefordert werden?
Jetzt werden Sie sagen: „Das ist kein Schuldenmachen,
das braucht man der Dieberei nicht erst gleichzusetzen –
das IST Dieberei!“
Da gebe ich Ihnen recht.
Das Dolle daran ist, daß diejenigen, die Ihnen über
lange Zeit solcherart in die Taschen griffen, kaltschnäuzig
behaupten, wir lebten schließlich in einer Demokratie,
also geschehe dies in Ihrem eigenen Namen. Sie hätten ja
wohl wählen können, von wem Sie beraubt und ausgeplündert
werden wollen.
Ja, und da haben die Banditen so unrecht auch wieder nicht.
Es wäre nur eben schön, wenn man uns im Gegenzuge
auch die Möglichkeit ließe, mit den Räubern
nach allen Regeln echter demokratischer Gesetzgebung Schlitten
zu fahren. Darüber sollten wir mal nachdenken.
Hartz V wird kommen! Und – mit oder ohne Selbstmord-Utensil-Automaten
wird durch die Gesellschaft eine Welle der verzweifelten Freitode
rauschen, über die sich die Diebe von Beitrags- und Steuergeldern
dumm und dußlig freuen werden: Mit Toten braucht man nicht
um die Rückgabe gestohlenen Eigentums zu verhandeln!
„Fort mit Schaden!“, werden sie rufen und sich glückselig
mit Champagner besaufen.
Genau dieses „Fort mit Schaden!“ aber sollte endlich
unsere Parole werden. Denn nur, wer zuletzt lacht, lacht am
Besten.