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Wie heißt Aschenputtel auf sorbisch?

Michael L. Hübner
Preußen ist das Land der vielen Völker. Wir Preußen sind Russen, Polen, Juden, Zigeuner, Franzosen, Deutsche, Salzburger, Neger, Böhmen, Osmanen, Kaschuben... und in der preußischen Provinz Brandenburg selbstredend auch Wenden, die einst die Herren im Lande zwischen Elbe und Oder waren. Bis die Sachsen vor eintausend Jahren kamen und mit überlegener Kriegskunst, -technik und -ausrüstung die westslawischen Stämme in die Knie zwangen. Die Lusitzer, die sich heute Sorben nennen und nach denen ihr Siedlungsgebiet bis auf unsere Tage Lausitz heißt, konnten mit Ach und Krach überleben und sich der Assimilierung, von der Heinrich Gerlach sagt, auch so könne man ein Volk umbringen, mehr oder weniger entgegenstemmen. Sie waren die letzten eines einst mächtigen Volkes, welches Ruganer, Obodriten, Stodorani oder Heveller, Liutitzen und viel andere Stammesverbände umfasste. Die Tragödie der Indianer Nordamerikas im 19. Jahrhundert wurde zwischen Elbe und Oder vor eintausend Jahren vorweggenommen. Die besiegten Slawen waren in der Folge im eigenen Lande Menschen zweiter Klasse. Sie waren es noch zu Zeiten der DDR, die doch mit den Sorben eigentlich angeben und auf ihre vorbildliche Minderheitenpolitik verweisen wollte. Ja, ja, ihre Domowina hatten sie und auch ein paar Abgeordnete in der Volkskammer, wo sie mit dem anderen Stimmvieh die Beschlüsse des allmächtigen Politbüros des ZK der SED abblöken durften. Sie durften auch klatschen, wenn in der scheinparlamentarischen Jasagerbude der Beschluss durchgewunken wurde, dass die gefräßigen Braunkohlebagger ihre Dörfer auslöschen sollen und ihre Erde nach den sächsischen Slawenkriegen ein zweites Mal umgepflügt werde, so dass die deutschen Herren sie wieder einmal umsiedelten. Ihr Leid und ihre Tränen waren den Deutschen damals wie heute scheißegal. Von Markgraf Gero über den Dachdecker Honecker bis zu Vattenfall zieht sich eine stringente Linie. Und heute? Ja, es gibt zweisprachige Orts-, teilweise sogar zweisprachige Straßenschilder. Die gab es in der Zone teilweise auch schon. Die ein oder andere offizielle Dienststelle weist unter Umständen vielleicht auch ein bilinguale Eigenbezeichnug aus – das war's dann aber auch. Amtssprache in Deutschland – und leider reden wir über den aktuellen Machthaber Bundesrepublik Deutschland und nicht über unser Preußen – ist Deutsch. Und nur Deutsch. So sieht es der §23 des deutschen Verwaltungsverfahrensgesetzes VwVfG vor. Dänisch für die schleswiger Dänen? Nein. Sorbisch für die 60.000 Wenden? Fehlanzeige. Gerade mal, dass das Gerichtsverfassungsgesetz GVG im §184 den Sorben das Recht einräumt, „in den Heimatkreisen der sorbischen Bevölkerung vor Gericht sorbisch zu sprechen“. Das ist wenig, sehr, sehr wenig.
Welche Angst hat man in Potsdam? Dass dann die Muselmänner sofort nach der Einführung des Türkischen brüllen und des Arabischen, und die Russen nach dem Russischen und die Italiener nach dem Italienischen. Das dann „Gleichheit“ gefordert wird? Es gibt keine Gleichheit in dieser Beziehung. Im Gegensatz zu allen anderen genannten und nicht genannten Landsleuten haben die Wenden zwischen Elbe und Oder die ältesten Rechte, und zwar um genau zu sein, seit anderthalbtausend Jahren. An ihnen ist ein historisches Verbrechen verübt worden. Das sollte ausreichend sein für eine Sonderstellung. Ähnliches dürfen nur die Juden für sich beanspruchen. Sonst niemand.
Aus diesem Grunde wandte sich der Preußische Landbote an den brandenburgischen Landtag und fragte an, warum dieser seinen Internetauftritt nicht konsequent zweisprachig gestalte um mit gutem Beispiel voranzugehen. Es wäre eine deutliche Positionierung zugunsten der 14.000 niedersorbisch sprechenden, brandenburgischen Sorben. Wir geben die Korrespondenz an dieser Stelle wieder:

Brandenburg an der Havel, den 20. Julei 2010

Sehr geehrte Damen und Herren,
warum suche ich eine wendische Repräsentation des Brandenburgischen Landtages vergebens? Es müsste doch genug kompetente Wenden im Lande Brandenburg geben, die in der Lage wären die Inhalte der offiziellen Landtagsseite ins Wendische zu übertragen. Eine bilinguale Gestaltung
lediglich von Orts- und Straßennamen erscheint mir eher als Feigenblatt und Alibi gegenüber der wendischen Bevölkerung des Landes, statt ein tragfähiger Beitrag zur Belebung einer sterbenden Sprache zu sein, die zu den historisch-kulturellen Grundpfeilern unseres Landes zählt.

mit freundlichen Grüßen

Ihr Michael L. Hübner, Journalist
-Preußischer Landbote-


Der Landtag antwortete am 02. August 2010:

Sehr geehrter Herr Hübner,
der Landtag Brandenburg unterstützt in vielfältiger Weise die in der Verfassung des Landes (Art. 25) verankerten Rechte der Sorben (Wenden). Beispielhaft möchte ich Sie auf die erst kürzlich ergänzte Geschäftsordnung des Landtages hinweisen, in der im Art. 32 Abs. (2) dem Vorsitzenden des Rates für sorbische (wendische) Angelegenheiten ein Rederecht im Plenum eingeräumt sowie im Art. 81 Abs. (2) die Anhörung des Rates für sorbische (wendische) Angelegenheiten in den Ausschüssen des Landtages neu geregelt wird.
Sicherlich haben Sie auf der Startseite des Internetauftrittes den Begrüßungstext des Präsidenten auch auf sorbisch wahrgenommen, ebenso wie den Hinweis auf den aktuellen Wettbewerb "Sprachenfreundliche Kommune", der finanziell und inhaltlich unterstützt wird. Über die
Aktivitäten des Rates für sorbische (wendische) Angelegenheiten informiert eine eigene Rubrik auf der Internetseite des Landtages. Ein regulär herausgegebener Flyer wird zurzeit gemeinsam mit der Rat für sorbische (wendische) Angelegenheiten aktualisiert. Die Verfassung des Landes Brandenburg ist in einer sorbischen Ausgabe erhältlich.

Bei Interesse können wir Ihnen die o. g. Publikationen gerne übersenden.

Mit freundlichen Grüßen
Ulrike Rüppel

Referatsleiterin Öffentlichkeitsarbeit, Besucherdienst und Bibliothek

Landtag Brandenburg
Am Havelblick 8
14473 Potsdam

Tel.: 0331 / 966 12 89
Fax: 0331 / 966 12 86
www.landtag.brandenburg.de

Ist unsere Frage damit beantwortet? Urteilen Sie selbst! Wir halten das für eine klassisch-schwammige und nichts Relevantes aussagende Ablenkung vom Thema, wie wir sie aus den Kreisen der deutschen Politik nicht anders gewohnt sind. Das sorbische Volkstum liegt im Koma. Seine Sprache kämpft um ihr Überleben. Ein Flyer wird’s richten! Ganz gewiss.
An den sächsischen Landtag brauchten wir eine solche Anfrage nicht zu senden. Sehen sie selbst: sorbische Präsenz des Sächsischen Landtages: Oben rechts findet sich eine Auswahlmaske, welches die serbische Sprache, wenngleich auch als letzte, weil sie wohl die kleinste darstellt, mit anbietet. Das ist vorbildlich. Was mag wohl der Grund dafür sein? Stanislaw Tilich, oder deutsch Stanislaw Tillich, ist Ministerpräsident des Freistaates, das höchste und mächtigste Amt, das je ein Sorbe nach dem verlorenen Großen Wendenaufstand erlangte. Brandenburg ermangelt dieser Lobby. Das Land könnte sie durch ein bisschen guten Willen ersetzen – wieviel Geld wird jährlich an unendlich vielen Mumpitz verschwendet. Das wäre mal eine kleine Investition mit hohem, wegweisenden und symbolischen Wert. Die würde der Landesrechnungshof wohl kaum zu beanstanden haben.

17. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
03.08.2010