So'n Scheiß!
Vom Niedergang des deutschen Journalismus
David Katz
Dass viele Berichterstatter nicht mehr in der Lage sind sich fehlerfrei
und ohne „Ähm“ und „Ähs“ zu artikulieren,
dass der schriftliche Stil in der deutschen Blätter- und Podiumslandschaft
bereits häufig mehr als zu wünschen übrig lässt,
ist mittlerweile hinlänglich bekannt. Die Degeneration des deutschen
Journalismus hat sich bereits in die gehobene Medienlandschaft vorgearbeitet.
Der edukative Auftrag der Presse verkrümelte sich auf breiter Front
vor Inserentenzahlen und Einschaltquoten.
Kollegenschelte zu betreiben, ist des Landboten Attitüde in der
Regel nicht. Doch manchmal pfeift der Kessel. Da fragen zum Beispiel
Journalisten allen Ernstes den Herrn Bundesverteidigungsminister zu
Guttenberg, ob er sich denn möglicherweise als nächsten Kanzler
sehe. „So'n Scheiß!“, kommentierte der entnervte Soldatenchef
– alle Etikette hinter sich lassend. Man kann sich nun fragen,
was er mit diesen beiden Worten präzise qualitativ zu attributieren
wünschte: Die saudämliche Frage der Journaille oder den Hintergrund
der unterstellten Intention. Vielleicht auch beides. Mag ja sein, dass
der Baron den Kanzlerthron im Auge behält. Aber wer steht denn
schon kraft seiner Intellektualität an der Spitze einer Bundeshierarchie
und haut sich selbst mit einer unbedachten Antwort die Beine weg, die
geeignet wäre, einen politischen Orkan zu entfachen? Was soll denn
das? Was hoffen die Tintenkleckser? Dass gerade sie den Verteidigungsminister
auf einem falschen Fuß erwischen und mit der Topstory nach Hause
kommen, in der zu lesen ist, dass sich der smarte Politiker aus der
Ersten Liga mit einem falschen Zungenschlag verquatscht hat? Es ist
ein so ödes, zeitraubendes und unerquickliches Spiel: Es sind immer
dieselben dussligen Elemente aus einem abgedroschenen Fragenkanon, die
immer wieder denselben formalisierten Antwortensingsang evozieren, bis
mal einem der Kragen platzt! Nicht unbegründet, denn damit lassen
einige Vertreter der schreibenden Zunft die hehren Traditionen des Hinterfragens
politischer Ereignisse zu einem sinnlosen Spiel verkommen, das mit den
Zielstellungen der Vierten Gewalt aber auch gar nichts mehr zu tun hat
und erkennbar nur die Karriere der Pinselaffen befördern soll.
Man hätte diesen Umstand sicherlich gewählter, distinguierter
zum Ausdruck bringen können, als es der Herr Bundesverteidigungsminister
tat. Markanter, eingänglicher und klarer jedoch wohl kaum. Der
Chef der deutschen Soldaten hat eine große Armeereform angeschubst,
in deren Verlauf sich nach drei Jahrhunderten erstmalig die Form des
Stehenden Heeres selbst abschaffen wird. Hat er doch seine Idee, die
Wehrpflicht auf Eis zu legen, was de facto ihrer Abschaffung gleichkommt,
gegen alle Widerstände selbst aus der Bundeskanzlei durchgesetzt.
Was für ein leuchtendes Beispiel für die deutsche Journalistenzunft!
Himmelherrgott! Sie sollten sich dahingehend reformieren, dass sie den
Zwang zu einem stehenden, sinnentleerten Fragenkatalog aufgeben und
statt dessen wieder intelligente Recherche betreiben, die dem Volke
nützt. Wollen sie nicht, dann boykottiert sie, buht sie aus, jagt
sie zum Teufel!