Deutschland ist Fußballweltmeister
2010
Deutsche U 20 -Mädels räumen das
Finale ab
Michael L. Hübner
Aus! Aus! Das Spiel ist aus! Deutschland ist Weltmeister, Fußballweltmeister
der FIFA U20 2010! In Johannesburg? Nee – in Bielefeld! Kerls?
Nee, Frauen! Und was für welche! 2:0 gegen Nigeria! Das isses!
Mädels, ihr seid die allergrößten. Als Eure Mütter
nach 1968 militant für die Emanzipation auf die Straße gingen
und den Geschlechterkrieg, gerechtfertigt oder ungerechtfertigt, ausbrechen
ließen, da war das ein Irrweg! Ihr, Mädels, ihr zeigt, wie
es wirklich läuft. Auf den ureigensten Domänen der Kerle schickt
ihr sie nach Hause. Eine männliche Bastion nach der anderen geht
krachen. Seit Jahren nun auch der Fußball! Menschenskind –
herrlich! Ihr zeigt ihnen, wo der Hammer hängt. So muss man das
machen! Ihr rollt sie regelrecht auf.
Und die Kerle, was tun sie? Wo bleiben die Böller, die Fanmeilen,
die Autocorsos, die Fähnchen an den Automobilen, die grölenden
Horden in ihren Nationalshirts? Verkrochen haben sie sich, feige wie
sie sind, lecken ihre Wunden, versuchen euch nicht zu beachten, die
Schlappschwänze in den Kneipen und auf der Straße. Weil ihr
sie vorgeführt habt wie die Hampelmänner!
Übrigens: Sind eure Verträge auch mit solchen Millionen-Summen
gewürzt? Macht euch euer Sport auch zu vielfachen Millionärinnen?
Rennt euch die Industrie die Bude ein? Werdet ihr auf den internationalen
Menschenmärkten auch so hoch gehandelt? Nicht? Na, woran das wohl
liegen mag... Ganz sicher nicht daran, dass ihr schlechter spielt. Denn
ihr zeigt einen exzellenten Fußball, ideenreich, aufeinander abgestimmt,
mit einem stimmigen Konzept und – ihr spielt fair! Kaum Rempeleien,
wenige Fouls, selten mal eine gelbe Karte. Die nervtötenden Vuvuzelas
schweigen – aber dafür macht es Spaß euch zuzuschauen.
Denn was ihr dem Zuschauer bietet – das ist Fußball! Wir
haben kein Recht stolz auf euch zu sein, denn wir konnten nichts beitragen
zu eurem Erfolg. Aber wir freuen uns euphorisch mit euch, ihr Teufelsweiber!
Jede einzelne eine Perle! Keine von euch braucht den Blick zu senken
– ihr wurdet Weltmeister! Wieder und wieder und wieder!
Ihr braucht nicht mit hängenden Nasen heimkehren, euch vor euren
Fans verstecken und euch in den Urlaub flüchten. Wir haben euer
Finale gesehen. Wir haben gesehen, wie ihr die nigerianischen Mädchen,
die wirklich gut waren, ausgekontert, sie zu Paaren getrieben, ausgetrickst,
überwältigt habt. Das 2:0 kurz vor Ende der zweiten Halbzeit
– war das... das war... Mädels, das war Fußballkunst,
das war ästhetisch, das war meisterhaft!
Lasst euch von der verhaltenen Stimmung auf den Straßen des Landes
nicht herunter ziehen! Lasst euch von niemandem einreden, ihr hättet
eine Weltmeisterschaft zweiter Klasse nach Hause gebracht. Denn ihr
seid die Oberliga – das habt ihr bewiesen. Euer Weltmeisterschaftssieg
in Bielefeld zählt viel, viel mehr als der dritte Platz in Südafrika.
Hurra, Mädels, hurra! Ihr seid Sportlerinnen, die zum Vorbild taugen!
Und das ist das Wichtigste, wofür man euch nicht genug danken kann.
Ihr zeigt, wie man ein paar arrogante Silberrücken aufs Altenteil
schiebt und die blökenden Männchen hinter ihnen gleich achter
nach! Ihr zeigt, was in einer richtigen Frau steckt und dass man an
euch nicht vorbeikommt und dass man mit euch rechnen muss. Ihr tut viel
für eure Geschlechtsgenossinnen. Ihr bietet jungen Mädchen
Selbstvertrauen! Denn ihr weist ihnen einen gangbaren und effizienten
Weg, wie man an den Männchen, die noch immer besser bezahlt werden
als ihr, die noch immer leichter an die guten Jobs kommen, effektiv
und unaufhaltsam vorbei rauscht, ohne Pappschilder mit Parolen darauf
bläkend durch die Straßen zu schleppen. Ihr quatscht nicht,
ihr macht. Und ihr macht es immer besser. Und ihr bringt das Gold mit
nach Hause, wenn die seit Südafrika in ihrer Seele gekränkten
Männchen sich mit einem gequälten „Nach-der-Weltmeisterschaft-ist-vor-der-Weltmeisterschaft“
über die Runden zu retten suchen. Super, Mädels, Super! Und
– herzlichen Glückwunsch!