Frühe
Memoiren
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier
stellt seine Autobiographie vor
Michael L. Hübner
Ein CDU-nahes Blatt bespricht eine
Biographie eines SPD-Spitzenpolitikers. Na super! Was soll da schon 'rüberkommen?
Das wollen wir als erstes mal festhalten: Hier bespricht kein Konservativer
einen Sozialisten, sondern hier gibt ein Demokrat seine Ansicht über
das kund, was ein anderer Demokrat schrieb. Herr Steinmeier ist ein Vorzeigedemokrat
und hier geht es im Übrigen um die Darstellung seines Lebensweges
und nicht um politische Bewertungen.
„Mein Deutschland – wofür ich stehe“ ist eine grundsolide,
in schlichtem und unprätentiösem Duktus gehaltene Autobiographie
und wenn diese aus der Feder des Herrn Bundesaußenministers stammt,
dann ist sie ein wirklich beeindruckendes Selbstbildnis, was seine Wirkung
bei einer breiten Leserschaft nicht verfehlen dürfte. Charakterisiert
doch jedes Wort, jeder Satzbau, überhaupt, die Gesamtkomposition
den Dargestellten als einen aufrichtigen, schnörkellosen, blitzgescheiten
und vielleicht gerade deswegen bescheidenen Westfalen, einen, der von
„unten“ kam, einen aus dem Volk fürs Volk. Gerade im
Superwahljahr kann daher die Vorlage eines solchen Werkes beinahe als
Geniestreich gesehen werden, zumal es im Volke gärt und man verzweifelt
nach markanten Persönlichkeiten sucht. Herr Steinmeier wird mitunter
als etwas unkonturiert, unauffällig und farblos beschrieben. Dennoch
aber steht er in der Gunst der Deutschen, aber auch seiner internationalen
Gesprächspartner sehr weit oben. Die Lektüre des Werkes erklärt
verständlich und nachvollziehbar, wieso. Der Mann ist kein Winkeldiplomat,
kein mit allen Wassern des Opportunismus gewaschener Talleyrand –
er ist ein zugänglicher, freundlicher, doch in der Sache engagierter,
kundiger und erfolgreicher westfälischer Bauernsohn. Es geht ihm
um Inhalte, er ist authentisch – so authentisch wie die Wirkung
seiner vorgelegten Autobiographie.
Sollte aber der als Koautor benannte Thomas E. Schmidt seine Feder zum
überwiegenden Teil des Werkes geliehen haben, so wäre dieser
Mann schlichtweg ein psychologisches, politisches und literarisches Juwel
– gerade weil das Buch nicht den nächsten Pulitzer im Sturme
nehmen wird: Durch die einfache und eingängliche Sprachwahl wird
nämlich mit chirurgischer Präzision die Sehnsucht eines Volkes
adressiert, das sich noch vage an seine großen volksnahen Tribunen
erinnert. Wo sind denn all die Schumachers, Wehners, Brandts, Ollenhauers,
Bahrs, aber auch die Geißlers und Süßmuths?
Der Bundesaußenminister, sicher kein auf den ersten Blick im Phänotyp
erkennbarer Cäsar oder Tribun, hat das Zeug sich in den Zug der auch
nach Generationen noch Geachteten einzureihen. Ganz so, wie seine überragenden
Vorgänger Walther Rathenau oder Hans-Dietrich Genscher. Genau wie
Hermann von Salza war all diesen Außenministern eines gemein, worüber
auch Frank-Walter Steinmeier in beinahe unbeschränktem und durch
sein Buch beeindruckend bestätigtem Maße verfügt: Der
Ruf des ehrlichen Maklers. Leidenschaftlich und doch mit weicher Hand
trägt er vor, sowohl sachliche Kompetenz für die inneren Probleme
Deutschlands beweisend als auch diese schlüssig in ihren internationalen
Kontext einordnend. Es liest sich flüssig lang hin. Keine allzuschwere
Kost. Mag sein, dass sich die entsprechenden Werke Henry Kissingers und
Hans-Dietrich Genschers etwas spannender konsumieren lassen. Wer aber
an einem guten Krimi interessiert ist, der ist bei Wolf oder Mankell auch
ganz gut aufgehoben und bedarf keines deutschen Chefdiplomaten.
Was wir wohltuend vermissen, ist ausfallendes Geblöke in Richtung
des politischen Gegners, diese elenden und sterbenslangweiligen Schuldzuweisungen,
diese Manifestationen selbstgefälliger Profilneurosen. Aus Herrn
Steinmeiers Zeilen grüßt uns ein ritterlicher Sozialdemokrat,
den wir als politisch Andersdenkenden achten und respektieren können,
dessen Wort Gehör verdient und zum Nachdenken anregt für alle
die, denen politische Aschermittwoschs zum Halse raus hängen.
Der Preußische Landbote dürfte eines der ganz wenigen konservativen
Organe in der Bundesrepublik sein, dessen Chefredakteur seinen Schreibtisch
unter anderem mit dem Konterfei eines politisch Andersdenkenden ziert,
mit dem Vertreter einer anderen demokratischen Partei und der dem vorgelegten
und hierorts besprochenen Buche einen Ehrenplatz in der politischen Bibliothek
seiner Gazette zuweist. Respekt, Herr Bundesaußenminister, Respekt!
Übrigens heißt der Autor auf dem Titelblatt noch immer Frank-Walther.
Recht so! Die Reminiszenz an eine dem Ohr verträgliche, weich fließende
Sprachmelodie bleibt dem Gedächtnis eher verbunden als dieses unerträglich
triviale und stakkatierende „Frank Steinmeier“. Das hätten
die Imageberater der SPD bedenken sollen. Denn nicht der Name drückt
die Volksnähe aus, sondern die Persönlichkeit, die in einem
240 Seiten starken, sehr empfehlenswerten Buche glaubwürdig und durch
und durch respektabel dargestellt wurde.
Frank-Walter Steinmeier
Mein Deutschland – wofür ich stehe
1. Auflage
C. Bertelsmann Verlag München
ISBN 978 -3 -570 -0114 -0
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