Freikugeln
und Teufelsspuk am BT
Cottbuser Staatstheater gibt in Brandenburg den
Freischütz
K. K. Bajun
Einen Freischütz am Brandenburger
Theater – das tut mal wieder gut. Das Staatstheater Cottbus brachte
ihn an die Havel. Und das mit sehr achtbarem Erfolg. Was das Ensemble
auf der Bühne bot, war eine grundsolide Aufführung – und
das im besten Sinne des Wortes. Es muß nicht immer das Spektakuläre
sein. Das kennen wir aus dem Fernsehen und es ist so ermüdend. Das
bodenständig-meisterhafte Spiel, das die Mimen aus der Spreewaldmetropole
gaben, begleitet von einem formidablen Philharmonischen Orchester unter
einem engagierten Marc Niemann, das alles machte einen Abend lang richtig
Freude. Wenn man eine besondere schauspielerische Leistung hervorheben
will, so kommt man an Heiko Walter nicht vorbei, der einen Samiel mit
ebenso unerhörter wie diskreter Präsenz spielte. Das Dämonische,
was diesem Samiel anhaftete, das hätte einem Gründgens zur Ehre
gereicht und einem Kinski'schem Nosferatu. Ihm, wie auch Ännchen
(Cornelia Zink) und Kaspar (Alexander Trauth) wurde beim Schlussapplaus
Getrampel zuteil. Wobei vor den beiden Letzteren der Hut ebenfalls tief
zu ziehen ist, denn beide sind wohl im Hauptfach Sänger, konnten
sich aber schauspielerisch ausgezeichnet behaupten. Kaspar vermochte sich
im Spiel sogar gegen den Protagonisten Max (Jens-Klaus Wilde), eine geschulte
Stimme fürwahr, durchsetzen. Denn Max ist verglichen mit der wilden
Dynamik des verzweifelten Kaspar etwas farbloser, selbst in den Szenen,
die ihn der höllischen Macht zutreiben. Kreuzbrav, wie einem Modekatalog
der späten Kaiserzeit entstiegen, Schwiegermutters Liebling –
aber da fehlte noch der letzte Schliff, dieses Fünkchen, was den
Orchestergraben hätte überspringen und das Publikum vereinnahmen
müssen. Dieses Lebendige, was nicht im Libretto steht, oder eben
vielmehr zwischen dessen Zeilen.
Der Eremit (Andreas Mitschke) hatte recht, wenn er den in einen einfallslosen
Schlafrock mit schottischem Muster gewandeten Fürsten Ottokar um
eine zweite Chance für diesen jungen Mann bat. Die hat er wirklich
verdient. Auch seine Liebste, Agathe (Anna Sommerfeld), des Erbförsters
Kuno (Hans-Arthur Falkenrath) Tochter, hatte Mühe, neben ihrer wirklich
hörenswerten Stimme zu vermitteln, warum Max auf sie, und nicht etwa
auf die Erbförsterei scharf ist.
Das Bühnenbild... Also, alle Wetter! Das war sehr achtbar gestaltet
– ein Hingucker. Man ist zwar versucht, es als Kompromiss zwischen
verträglicher Moderne und dem Sparzwang der Gegenwartsbühnen
zu deuten – dennoch – überzeugend ist das spartanische,
in die Tiefe des Raumes entführende Konstrukt allemal. Beinahe an
jede Szene ließ es sich mit geringfügigen Änderungen problemlos
anpassen. Die Wolfsschlucht sprengte dann auch jede Dimension. Das war
wirklich das Außergewöhnlichste, das Grusligste, das Packendste,
was sich auf der Bühne über der Grabenpromenade seit langem
den Augen des Publikums bot. Das ließ wirklich nichts zu wünschen
übrig. Auch hier ein phantastischer Samiel, Kaspar und – nota
bene auch Max, der von der düsteren Atmosphäre sichtbar profitierte.
Bernd Franke, Bühnenbildner, Chapeau!
Vielleicht hätte das Ganze auch noch ein wenig mehr Effekt gemacht,
wenn man dem bereits eingeschlagenen soliden Pfad der Darstellung konsequenter
gefolgt und die Kostümierung stärker auf die barocke Epoche
um die Zeit nach dem Dreißigjährigen Kriege in den wilden Gegenden
Nordböhmens ausgerichtet hätte, statt die Geschichte in ein
launig-fröhliches, frühes 19. Jahrhundert zu verlegen. Biedermeier
nimmt dem Stoff die Drohung, das Finstere, die Dramatik. Aber das war
ja gewiss nicht der letzte Freischütz. Und wenn die Cottbuser wiederkommen,
dann haben wir allen Grund, uns schon auf die nächste Vorstellung
zu freuen. |