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Weißes Gold vom Elbestrand
Die Porzellanmanufaktur in Meißen

Jules F. - S. Lemarcou
Meißen – ein Zauberwort. Dem Kunsthistoriker sicher auch magisch in den Ohren klingend durch den gewaltigen Namen des Architekturgiganten Arnold von Westfalen. Die meisten Menschen aber verbinden mit dem Elbestädtchen nördlich von Dresden die beiden blauen, gekreuzten Schwerter. Das weiße Gold – die von Johann Friedrich Böttger gefertigte Unabhängigkeitserklärung gegenüber dem übermächtigen Osten. Porzellan – Zeichen höchsten Geschmacks, Objekt der Begehrlichkeit von Adel und Bürgertum. Meißen war und ist die unbestrittene Nummer Eins unter denen Porzellanmanufakturen. Kahla, Fürstenberg, Rosenthal, die Berliner KPM, Weimar..., ja, ja.

Nicht schlecht. Nicht schlecht?! Ist ja gut! Dann also – Chapeau! Aber – echte Konkurrenz brauchte das Meißner nur ein einziges Mal in der Geschichte zu fürchten: Das war das Plauer Zeug, nicht das Thüringer, nein, das vom Havelstrand, das, welches von Görne machen ließ und welches sein verrückter Nachfolger auf Schloss Plaue, jener unselige Idiot und Gewaltmensch Wilhelm von Anhalt in der Havel versenkte, dieses Porzellan dürfte noch heute ein albtraumhafter Name in Meißen sein. Doch die Plauer Episode währte kurz.

Einige Stücke der Meißner Manufaktur aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts erinnern noch an die Zeit, als eine kleine Manufaktur im Preußischen die Sachsen das Fürchten lehrte. Nun steht sie da, die Manufaktur zu Füßen der Albrechtsburg, unangefochten, selbstbewußt, strahlend. Meißner, von der Großmutter auf die Enkelin vererbt, Familienschatz, exklusive Morgengabe oder Mitgift, unvergängliche Wertanlage – welche Tragödie, wenn auch nur ein Stück des legendären Weinlaubs oder des blauen, vielkopierten und dennoch unerreichten Meißner Zwiebelmusters aus Versehen zerbricht.

Man fühlt es, wenn man die Hallen der Meißner Manufaktur betritt. „Wir sind nicht Ming, wir sind nicht Imari – aber wir sind Meißen“, verkünden die strahlenden Vitrinen, deren Stücke mit Preisen ausgewiesen sind, die nicht selten einem Neger in Afrika, einem Kuli in Indonesien oder einem Indio in Südamerika ein Jahrzehnt des Überlebens ermöglichen würden. Kann man da noch sagen, die Tasse, die Bodenvase, der Leuchter sei es wert? Vielleicht ist das eine philosophische Frage. Wir können sie an dieser Stelle kaum beantworten. Was aber ins Auge fällt, ist der Umstand, dass sich auch der Kitsch in Meißen durch die Jahrhunderte behauptete. Selbst der Adel vergangener Epochen, der den guten Geschmack für sich gepachtet zu haben glaubte, deklassierte sich durch sauteure Figurinen, die den Charme einer Barbiepuppe entwickeln. Großköpfige Kätzchen mit ach so süüüßen Augen, schmachtende Schäferinnen - das Disney-Prinzip in Porzellan. Es ist des Meißners so unwürdig. Dieser unglaublich überzahlte Tinneff taugt nicht für die gehaltvollen blauen Schwerter. Aber es bringt Geld. Und wie sagte schon der Landsknecht in Kellers „Ursula“: ...Geld soll man nehmen, wo es eben kommt! Also produziert Meißen auch tonnenweise Kitsch. Das stimmt uns traurig. Aus Arita kennen wir solchen Blödsinn nicht. Aber was soll's. Wir müssen ja nicht hinschauen.

Wir können uns ja festhalten an dem Weinlaub, an den roten Drachen, an dem blauen Zwiebelmuster. Und wir können träumen – denn zu viel mehr lässt uns die Manufaktur keine Gelegenheit. Denn wir sind nur bescheidene preußische Journalisten, keine russischen Oligarchen, keine japanischen Industriellengattinnen, kein abgehalfterter europäischer Adel, der Jahrhunderte lang seine Untergebenen kujonierte, um solche Reichtümer zusammenzuschachern, wie man sie in Meißen, Moritzburg und in der Residenz genugsam bewundern kann. Na, lassen wir mal die historische Galligkeit gegenüber den privilegierten Schichten und resümieren wir: Scheen isses doch – das Meißner. Und es ist und bleibt – die Nummer 1! Das warme, weiße Herz Sachsens – des geliebten Nachbarn am Oberlauf von Mütterchen Elbe.

 
B
8. Volumen

© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
07.01.2010