12,5
Pfennig
Ein Bilderbuch durch die Brandenburger Endachtziger
von Annegret Franke
K. K. Bajun
Wer die Havelstadt liebt, der wird
diesen kleinen und unscheinbar einherkommenden Bildband aus der Hand Annegret
Frankes sehr wertschätzen. Es sei denn, der kritische Blick verträgt
die Auseinandersetzung mit einer ungeschminkten Vergangenheit nicht. Es
sei denn, der kritische Blick blendet lieber aus, was dem Auge unangenehm
scheint. Denn die Photographien, von der Hobbyphotographin einst aus der
Straßenbahn heraus geschossen, oder die Trasse des „Eisenschweines“
bis in Brandenburgs jüngsten Stadtbezirks Hohenstücken begleitend,
sind unprätentiös, ungeschminkt und sehr, sehr authentisch.
Wir tauchen ein in die letzten Jahre der DDR, wir begegnen den Uniformen
der Straßenbahner, den Fahrscheinverkäuferinnen in Wollpullover
und Kittelschürze. Wir sehen die Wohnblöcke des einst begehrtesten
Wohnviertels der Stadt aus dem aufgewühlten Sand wachsen, der einst
die Hohen Stücken bedeckte. Bauelemente aus Beton, Röhren und
U-Profile dienen Kindern als Abenteuerspielplätze, aber auch schabbige
Kletterpilze, von den Kindern selbst begeistert beklettert. Schwarz-weiß
kommen die Bilder einher und es ist soviel Stimmung in ihnen, soviel Ausdruck.
Die Autorin fängt Momente ein in all ihrer Dynamik und ungekünstelten
Lebensechtheit. Wer diese Bilder als widerlich bezeichnet, wie es verschiedentlich
vorgekommen sein soll, der dokumentiert damit nur eines – die eigene
abgrundtiefe Dummheit und kulturelle Unbildung. Denn ein solcher unsachlicher
und ungebildeter Kritiker spuckt den Dargestellten vor die Füße,
den jungen Männern beispielsweise in dem grisen Wartehäuschen,
das beinahe etwas hilflos anmutend durch die Darstellung einiger floraler
Motive auf der Wand mehr Farbe in ein ansonsten tristes Stadtbild zu bringen
versucht. Ein solcher Dummkopf spuckt jungen Frauen und lachenden Kindern
vor die Füße, die nichts anderes hatten als dieses Lebensumfeld,
Kindern, die ihre Schulranzen am Rande einer Straße niedergelegt
hatten und sich mit Gartenhacken an die Verschönerung eben dieses,
ihres Stadtbezirkes machten. Nein, diese Bilder machen nicht nostalgisch,
erwecken keine Sehnsucht nach einer „guten, alten Zeit“, die
es eh nie gab. Aber sie wärmen das Herz demjenigen, der es nicht
nötig hat sich der eigenen Vergangenheit zu schämen, der zurückdenkt
an eine Epoche, da die Menschen ebenfalls lachten, spielten und sich ihres
Lebens freuten. Dieses Buch ist keine Anklage an die Ära grauer Hausfassaden
– es ist eine Reminiszenz an die Farbe in den Herzen der Menschen.
Und es ist gekonnt, es ist beseelt und es ist für einen, der Brandenburg
an der Havel liebt – unverzichtbar. |