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Buntes aus dem Bischofssitz
beb.bra wissenschaftsverlag bringt neue Anthologie zur Bischofsburg Ziesar heraus

Kotofeij K. Bajun
Ist schon ein merkwürdiges Gefühl, wenn man jahrzehntelang auf einem Schatz hockt und merkt nichts davon. Was den ewig auf Devisen versessenen Kommunisten dazumal entgangen ist, das können sie nun, 20 Jahre nach dem Untergang des ersten deutschen Arbeiter- und Bauernstaates, feststellen, wenn sie das jüngst im be.bra wissenschaft verlag zu Berlin erschienene Standardwerk „Die Bischofsresidenz Burg Ziesar und ihre Kapelle“ durchblättern. Auf 389 Seiten Hochglanzpapier mit vielen, vielen wunderschönen und repräsentativen Farbaufnahmen ist nun ersichtlich, was die begehrte D-Mark von der in Sichtweite liegenden Autobahn in einen Zieseraner Intershop und damit in die Kassen der „Kommerziellen Koordinierung“ des Herrn Schalck-Golodkowski gelockt hätte. Ach, wäre den Genossen nur beizeiten ein Seifensieder aufgegangen! Welche Perle hatte ihnen doch das Schicksal zu Ziesar in die Hände gespielt! Sie hätten es nur noch geschickt vermarkten müssen. Denn die Burg und ihre Kapelle sind eine architektonische Kostbarkeit von europäischer Bedeutung in mehr als einer Hinsicht. Was die roten Weltverbesserer als schnöde Maschinen-Ausleih-Station, Verwaltungstrakt und Lehrlingswohnheim nutzten, ist eine einzigartig erhaltene Bischofsresidenz des ausgehenden Mittelalters: Weltliche Wohnräume mit Hypokausten und einer an die Wand gemalten Jerusalemkarte, eine Kapelle mit einer Innenbemalung, die ihres Gleichen sucht, ein Bergfried, der als wahrer Luginsland die Reklame rund um die Uhr übernommen hätte – ja, mit diesen Pfunden hätte man wuchern können. Hat man aber nicht. Die Kultur der Ausbeuter und Unterdrücker scherte das Proletariat wenig. Man muss dankbar sein, dass sie die Gebäude nicht niederlegten.
Nun wird die Trommel also von einem neuen, liebevoll gestalteten Standardwerk gerührt. Profund und zutiefst solide geschrieben von intimen Kennern der Materie und aus Beiträgen von weiteren 25 namhaften Autoren zusammengestellt, haben die Professoren Heinz-Dieter Heimann und Hartmut Krohm, dem Museumsdirektor und amtierenden Burgchef Clemens Bergstedt und dem Restaurator Wilfried Sitte, ein Buch vorgelegt, das seines Gegenstandes würdig ist. So öffnet sich dem kunstbegeisterten Leser ein wahres Panoptikum, ein Kosmos, ein Streifzug durch die mittelalterliche Bau- und Kunstgeschichte. Nicht allein auf die Spezifik des Burggeländes zu Ziesar nimmt das Werk Bezug, sondern bettet diese umfassend ein in den ganzen Kontext des historischen Umfeldes. Natürlich steht die seit kurzem vollendete Rekonstruktion der spätmittelalterlichen Kappellenausmalung im Vordergrund, was einer intensiven Beschäftigung mit vergleichenden Betrachtungen in der näheren märkischen und der etwas weiteren norddeutschen und pommerschen Kulturlandschaft umfassenden Raum verleiht.
Der dargebotene Stoff selbst liest sich trotz der vielen unterschiedlichen Autoren-Persönlichkeiten flüssig und verständlich, wenngleich man sich des Eindrucks nicht zu erwehren vermag, hier sei von Fachpublikum für Fachpublikum geschrieben worden. Ein populärer Zungenschlag – und der um seine Reputation besorgte Verfasser sieht seinen Ruf gefährdet. Schade, denn der stolze Preis des Buches von 68 Euro tut sein Übriges, um dem Werke einen gewissen elitären Status zu sichern, was seiner werbewirksamen Verbreitung nicht eben förderlich ist. Eine Publikation dieser Art darf aber nicht dem Elfenbeinturm vorbehalten bleiben, wenn sie den auf der nahen Autobahn vorbei rauschenden Verkehr dazu bewegen will, einen Kulturstop einzulegen. Speyer, Ulm und Köln bedürfen keiner Publikation mehr, um ihre Dome und Kunstschätze bekannt zu machen. Ziesar, das Städtchen „hinter dem See“, schon! Auch wenn Letzterer bereits eingetrocknet ist.
Nach der Lektüre möchte man eigentlich nur noch eines: Das Buch einpacken, sich ins Automobil setzen und mit dem vermittelten Wissen all die beschriebenen Orte besuchen um nun kenntnisreich und trotzdem froher Erwartung selbst einen Blick auf die beschriebenen Präzisionen zu werfen.
Eine Würdigung der Burg Ziesar und ihrer Kapelle in diesem Ausmaße war überfällig. Diese Arbeit geschultert zu haben ein unvergängliches Verdienst der Verfasser und Herausgeber. Sowohl dem Buch als auch seinem Hauptobjekt sind dementsprechend viele Leser und Besucher zu wünschen.

 

2009,
389 Seiten,
250 farbige Abbildungen,
Hrsg. v. Clemens Bergstedt, Heinz-Dieter Heimann, Hartmut Krohm, Wilfried Sitte.
bebra-wissenschaftsverlag
ISBN-10: 3937233547
ISBN-13: 9783937233543
Euro 68,-

 
B
8. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
08. April 2009