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Mit
dem zweiten Wurf auf den Olymp
Claus-Peter Lieckfeld legt seinen Spee-Roman
vor
Kotofeij K. Bajun
Das muss so um '98 herum gewesen
sein. Das stach mir, ich glaube, es war zu Nürnberg, ein Buch im
Festeinband in die Augen. „Das Buch Haithabu“ hieß es.
„Die Aufzeichnungen eines Mönchs aus der Wikingerzeit“
offerierte der Untertitel. Ein gewisser Claus-Peter Lieckfeld hatte es
verfasst. Kannte ich nicht. Immerhin - er beschäftigte sich mit der
vergessenen Handelsmetropole an der Ostseeküste. Das machte neugierig.
Unter dem Genre der historischen Erzählungen schien es sein Erstlingswerk
zu sein. Der Autor machte mit seinem Stil noch einen etwas unbeholfenen,
tapsigen Eindruck, ein literarischer Fußgänger sozusagen –
doch er bewies ein nicht von der Hand zu weisendes Talent. Viel Talent
sogar. Ganz viel Talent. Und ich wusste – den Namen muss man sich
merken. Einzelne Phrasen aus diesem Buch sind sogar als Zitate in meine
persönliche Biographie eingegangen – das bürgt immer für
Qualität.
Und so war es die Sache des Bruchteils einer Sekunde, als den Landboten
die Post aus München erreichte, ein Päckchen vom Vedra Verlag,
und ich diesem Päckchen ein Buch entnahm und den Namen des Autoren
las: Claus-Peter Lieckfeld. 13 Jahre war das her... und nicht vergessen.
Diesmal wandte Lieckfeld sich dem großen Pater Spee zu, dem Hexenanwalt,
dem Jesuiten, der zusammen mit Pater Rupert Mayer allein durch die eigene
Persönlichkeit die Existenz eines Ordens rechtfertigt, dessen Ruf
von den eigenen Jüngern in der Geschichte sehr oft und sehr arg beschädigt
wurde.
Spee... ein gewaltiger Name... kaum noch präsent im Bewusstsein der
Öffentlichkeit. Als das ZDF im November 2003 auf die fragwürdige,
deutschlandweite Suche nach „unseren Besten“ ging, war Professor
Friedrich Spee von Langenfeld SJ nicht unter den Nominierten. In unserem
Beitrag „zum ZDF-Ereignis Deutschland - unsere Besten" vom
11. November 2003 im zweiten Volumen des Landboten droschen wir diesen
Namen gemeinsam mit anderen "unter-den-Tisch-Gefallenen" der
ignoranten Sendeanstalt zu Mainz um die Ohren. Genutzt hat es nichts.
Aber der Claus-Peter Lieckfeld, der hat sich auf die Suche nach einem
der größten Deutschen gemacht, dem Verfasser der „Trutznachtigall“
und der so immens wichtigen „Cautio Criminalis“, mit welcher
er die Hexen letztendlich vom Scheiterhaufen herunter holte. Und wieder
war ich neugierig. Ein schwieriges Thema. Ein herausforderndes Thema.
Wie wird sich Claus-Peter Lieckfeld halten?
Um es kurz zu machen: Der hielt sich. Und wie! Der einstige „literarische
Fußgänger“ kam sechsspännig vorgefahren und mir
blieb das Maul offen stehen. Donnerwetter! Menschenskind, das gibt’s
doch gar nicht! Der Mann hat sich in den dreizehn Jahren seither in die
allererste Liga der historischen Erzähler empor geschrieben. Wunderbar
griff Lieckfelden den Duktus des Barock auf, kein Wort wirkt gekünstelt,
kein Satz überzeichnet – alles wie aus einem Guss! Authentisch,
nachvollziehbar... Sauber recherchiert hat er den Stoff, hat sich hinein
gearbeitet mit Akribie und Fleiß, bespielt virtuos die Tastatur
des Gefühls und reißt den Leser hinein in die Zeit des Geschehens.
In einer ungemein farbigen Sprache reitet der Autor in lebendigen Bildern
den Parcours des heißen Elements ab, in dessen Nähe der große
Spee sein Leben zu verbringen genötigt war: Feuer. Feuer allerorten.
Und so beginnt Lieckfeld mit dem Brand im Hause Eberstein und setzt schon
mit den ersten Worten wuchtige und unüberhörbare Akzente. Worte
prasseln wie Funken, züngeln und lodern wie Flammen. Das ist Kunst.
Lieckfeld ist der Vertreter einer rezenten Gattung: Er besitzt ein ganz,
ganz enges und vertrautes Verhältnis zu seiner Muttersprache. Hier
hat nicht mehr jemand bloß Talent – hier ist einer zur vollen
Blüte seiner Ausdruckskraft gelangt. Dem ist nur noch ein Arno Holz
über. Melodischer klingt lediglich die Laute des „Dafnis“.
Lieckfeld schreibt einen historischen Roman. Da muss nicht jede Figur,
jede Handlung abgesichert sein – es kommt aber unbedingt darauf
an, den Bogen zwischen Realität und Fiktion nicht zu überspannen.
Viele schon sind just daran gescheitert. Claus-Peter Lieckfeld wandelt
diesen schmalen Grat mit schlafwandlerischer Sicherheit und großer
Eleganz. Chapeau, Monsieur, Chapeau!
Der kleine aber feine Vedra Verlag in München hat sich mit diesem
Autoren selbst ein Geschenk gemacht, hat zweifelsohne einen Glücksgriff
getan, wie er einem nur selten im Leben gelingt. Dieser Autor darf einen
Spee besingen, denn er ist der Wortmächtigkeit würdig, mit welchem
letzterer den verfluchten Malleus Maleficarum, den in der Hölle verfassten
Hexenhammer, in Scherben schlug.
Es ist mir, nein, es ist dem Preußischen Landboten eine Ehre, dieses
Buch besprechen zu dürfen, es unseren Lesern zu empfehlen, wärmstens
zu empfehlen, als einen Leuchtturm inmitten all des historisierenden und
bramabassierenden Schunds auf dem deutschen Büchermarkt. Ein gutes
Buch zieht den Leser in seine Seiten hinein. Das Buch „Anwalt der
Hexen“ von Claus-Peter Lieckfeld leistet genau das. Es fesselt,
wo es auf unsinnigen Schwulst vollkommen verzichtet, auf die üblichen
Strickmuster von „sex and crime“ und billiger Effekthascherei.
Und doch geht in keinem Absatz die grauenhafte Lebenswirklichkeit verloren,
die der deutschen Nemesis anhaftet, dem Dreißigjährigen Kriege,
dessen Narben bis heute nicht verheilten.
Ist Literatur ein Handwerk, dann kann man den Spee-Roman Lieckfelds als
Meisterstück betrachten. Die Zunft dürfte ihn nicht länger
verleugnen.
Wer eines feinsinnigen Geistes ist, wer die Geschichte der Deutschen als
sein persönliches Fundament betrachtet, der kommt an Lieckfelds „Spee“
nicht vorbei. Und der muss den Dreispitz ziehen und beiseite treten, wenn
ein Sechsspänniger an ihm vorüber rauscht.
Claus-Peter Lieckfeld
Anwalt der Hexen
Pater Spee...
… und der Mann, der ihn zweimal traf
Eine Reise in den Dreißigjährigen Krieg
Historischer Roman
Vedra Verlag München 2011
ISBN 978-3-939 356 233 |