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Kriminelle
Kunst
In Köln kam es zum Auftakt des größten
Kunstfälscherprozesses der letzten Jahrzehnte
Kotofeij K. Bajun
Der größte Kunstfälscherprozess
der deutschen Nachkriegsgeschichte wird zu Köln verhandelt. Sieh
da, sieh an! Beltracchi heißt der pinselschwingende Schurke, der
gemeinsam mit seinem verdorbenen Weibe die Kunstwelt narrte und dabei
Millionen und Abermillionen kassierte. Wollen wir auch ein bißchen
den Stab über ihn brechen? Nein, wollen wir nicht. Jedenfalls nicht
so, dass es knackt. Beltracchi ist ein genialer Maler und Handwerker –
das steht mal fest. Wenn er in der Lage war Bilder zu schaffen, die auf
dem Kunstmarkt sechstellige Summen erzielten, dann muss er das wohl sein.
Dass ihm ein paar blöde Fehler unterliefen, wie die dilettantisch
ausgeführten Wurmstiche oder das für die Rahmen unterschiedlicher
Bilder verwendete gleiche Holz, das ist ärgerlich. Dennoch brauchte
es seine Zeit, bis der Schwindel aufflog. Unterdessen gaben sich "Kunstsachverständige"
die Klinke in die Hand, expertierten drauflos und halfen, die Schinken
an kunstunverständige, aber reiche Leute zu verhökern, die sich
gerne mit einer Kunst schmücken, die sie nicht verstehen.
"Ich habe ein Bild von XY! Und XY ist gerade bei Sotheby's nachgefragt.
Ja, ich bin ein ganzer Toller!" Beltracchi hat also mit seiner Köpenickiade
des Kaisers neue Kleider neu aufgelegt. Er blamierte, demaskierte und
destruierte den Ruf eitler Narren aufs Feinste. Dafür hätte
er das Bundesverdienstkreuz verdient, dass schon manchem Kabarettisten
um den Hals gehängt wurde! Au wei – wie brüllen jetzt
die Geschädigten auf. Ihre Millionen sind futsch! Na so was! Das
führt uns zu der Frage, was so ein Bild eigentlich wirklich wert
ist. Die Antwort ist einfach. Jeder Gegenstand ist das wert, was auf dem
Markt für ihn geboten wird. Nicht eine Fuseratze weniger und nicht
eine Kopeke mehr. Demzufolge müssen Beltracchis Bilder ja diesen
Wert gehabt haben, denn sie waren a) genauso gut wie die Originale und
b) wurde der entsprechende Preis für sie bezahlt. "Moment, Bajun,
sie advocatus diaboli", tönt es mir donnernd entgegen, "der
Preis wurde für die Schinken bezahlt unter der Vermutung, sie seien
von der Hand des XY gemalt worden!" Aha! Nicht das Bild ist also
entscheidend, sondern der Rummel, den man um die Person des Malers macht.
Hier nun offenbart sich kristallklar das Lächerliche, dass diesem
Kunstbetrieb mittlerweile anhaftet. Das Bild wurde von seinem ästhetischen
Wert, seiner Aussage, seiner Qualität und seinem künstlerischen
Gehalt völlig entkoppelt. Der Name ist's, der Name ist's! Wir halten
uns den Wanst vor Lachen. Natürlich sind Plagiate und Fälschungen
keine Sache, die man auf die leichte Schulter nehmen sollte. Und Strafe
verdient ein solches Vorgehen auch. Doch wenn die deutsche Justiz schon
so aufrechnungswütig ist, wie sie mit ihrer rechtsstaatlichen Intention
so häufig zur Schau trägt, dann möge sie an dieser Stelle
den gesellschaftlichen Nutzen gegenrechnen, den Beltracchis Gaunerstückchen
in sich birgt. Vielleicht führt ja dieser Skandal wieder zu einer
gewissen Rückbesinnung. Vielleicht öffnet er den Leuten ja die
Augen, wo in der Sinn der Kunst eigentlich liegt. Die großartigen
Künstler, die vor 35.000 Jahren die Höhlen Südfrankreichs
ausmalten, hätten verständnislos den Kopf geschüttelt,
wären sie dieses Zirkus' heute ansichtig geworden. Raffael und Bosch,
Schischkin und Repin hätten die Welt nicht mehr begriffen. Sie wollten
mit ihren Bildern Inhalte transportieren und Gefühle wecken –
sie nicht aber zu hochgehandelten Ramschobjekten degradiert wissen! Nebenbei
– die Idioten, die nun fordern, Beltracchis Kunst zu vernichten,
möge man prügeln! Denn die Werke verlieren doch nichts, nur
weil sie von einem anderen gemalt wurden, als die Bildunterschrift vorgibt.
Es ist Kunst. Es ist die Kunst eines Mannes, dessen Name es leider nicht
in den Szenebetrieb geschafft hat.
Beltracchi wird nun eine übergebraten bekommen. Und zwar deftig.
Wenn's ums Geld geht, versteht man in der Bundesrepublik keinen Spaß.
Außerdem – das verkennen wir mitnichten – ging es Beltracchi
und seiner "Muse" nicht um die Entlarvung eines aberwitzigen,
sich selbst ad absurdum führenden Kunstbetriebes, sondern nur um
persönliche Bereicherung. Diese ungeheure kriminelle Energie verdient
eine schwere Strafe – unwidersprochen!
Dann aber kann er gewiß sein, dass sein Name nun den Bekanntheitsgrad
erlangt hat, der ihm bislang versagt blieb. Dann werden auch seine Bilder
– diesmal mit seinem Signum versehen – propere Preise erzielen.
Was für eine Genugtuung! Was für eine Enttäuschung... Denn
wieder wird es nicht um seine Kunst gehen. Sondern irgendein Laffe wird
auf einer Party pranzen: "Ich habe gestern einen echten Beltracchi
erstanden. 1,2 Millionen hat mich der Spaß gekostet..." Ja,
und was ist auf dem Bilde zu sehen? "Weiß ich doch nicht. Ist
doch auch egal. Wichtig ist, das "Beltracchi" drunter steht!"
Na denn! |