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Friedrich
der Große – eine deutsche Biographie
Johannes Unger legt Friedrichbiographie vor
Kotofeij K. Bajun
Biographien, die das Leben des großen
Preußenkönigs Friedrich thematisieren, gibt es schier wie Sand
am Meer. Viele von ihnen loben den Souverän über den grünen
Klee, andere verdammen ihn, wieder andere, wie Ingrid Mittenzwei, näherten
sich ihm in betonter Sachlichkeit und kamen doch nicht um ihren vom Klassenstandpunkt
diktierten Impetus herum. Die Aktenlage ist ja ergiebig, die Überlieferung
ist es auch – und so ist es nicht verwunderlich, dass die Interpretation
des Lebens und der Taten Friedrichs für jeden etwas bereithielt,
für Freund und Feind. In dieser Situation noch eine weitere Biographie
vorzulegen, und sei es zum dreihundertsten Geburtstag des Alten, ist zumindest
gewagt. Johannes Unger – der Schriftsteller, nicht der Organist
– nahm das Risiko an – und siegte beachtlich über diese
Herausforderung. Vor dem Hintergrund des Geschilderten war das so etwas,
wie sein persönliches Torgau oder Leuthen. Doch dazu musste der Braunschweiger
Unger mehr ins Feld führen als nur die allbekannten Fakten. Hinter
dem erzählerisch anmutigen und reportagehaft stilsicheren Duktus
versteckt sich ein immenses Wissen und eine wahrhaft gründliche Recherche.
Um die Resultate dieser Buch-Vorbereitung aber nicht oberlehrerhaft über
den Leser hereinprasseln zu lassen, zieht Ungern seine Geheimwaffe: Er
würzt die Biographie in fein abgestimmtem Maße mit Exkursen
und Textskizzen zum politischen und wirtschaftlichen Gesamtbild des späten
Rokoko. Die heben sich im Layout von der gewöhnlichen Buchgestaltung
ab und können sich schon mal über mehrere Seiten hinziehen.
Dennoch führen sie den Leser nicht so weit vom Kern des Ganzen hinweg,
dass er nach Lektüre des erklärenden Materials nicht wieder
zurück fände. Wie er das hinbekommt... Chapeau, Monsieur! Unger
vermeidet den launigen und etwas oberflächlichen, dennoch zu Herzen
greifenden und überzeugenden Ton Fernaus. Andererseits fesselt er
weitaus mehr als die oben schon zitierte rote und staubtrockene Ingrid,
zwischen deren Zeilen bereits mehr Staub ruht als über allen Pandekten
Cocceijs. In der Qualität der Darbietung kann er sich durchaus mit
Venohr und Bentziehn messen – was ihn über diese beiden Autoren
erhebt, ist eben der Wille, dem Leser das bildhafte Umfeld des Dargestellten
nicht vorzuenthalten und damit eine Orientierungssicherheit zu schaffen,
die im allgemeinen nur dem ausgewiesenen Kenner der Materie zu Diensten
ist. Was uns ein wenig irritierte, ist der Umstand, dass wir in dem ansonsten
umfangreichen und gut sortierten Quellenwerk den Namen Joachim Kleppers
nicht finden können. Gut, "Der Vater" ist ein biographisch
gehaltener Roman. Aber ein solch fulminanter und sich exakt an den historisch
belegten Ereignissen haltender, dass man an ihm nicht vorbeikommt, wenn
man die diffizile Beziehung zwischen unserem nicht ganz einfachen Soldatenkönig
und seinem schwierigen Sohn sauber ausleuchten will. Gerade in diesem
Schlüsselbereich für die Entwicklung des späteren Großen
Friedrich ist bereits viel Unsinn verzapft worden, bis hin zu jenen, die
beide Könige auf die Freud'sche Couch drücken wollten. Man halte
sich an Klepper und man vermeidet ein Minenfeld. Ansonsten verrät
das vorgelegte Werk einen emanzipierten Geist aus welfischen Landen, dessen
Sachkenntnis, strikte Liebe auch zu unangenehm scheinenden Wahrheiten
und dessen unaffektierte, dennoch leicht eingängige Mitteilungsweise
Spaß an der Lektüre vermittelt. Mit dem weitaus überwiegenden
Teil können wir problemlos d'accord gehen. Der Autor beläßt
das Streben nach kriegerischem Ruhm, welches uns Heutige eher abstößt,
unprätentiös in dessen Zeitgeist und richtet nicht selbstherrlich.
Allein das verdient Anerkennung, denn es bedarf eines Fingerspitzengefühls,
das gerade vor dem gezeichneten Antlitz unseres Königs nicht jedem
zu eigen ist. Und er verzichtet auf einseitige Schuldzuweisungen angesichts
eines komplizierten europäischen Politikgeflechts in der Nachkriegsordnung
des Dreißigjährigen Krieges. Die Ambivalenzen in den Motivationen
Friedrichs, seiner Verbündeten und seiner Gegner versachlicht darzustellen
ohne einzuschläfern oder aufzuregen, das, Herr Unger, ist schon eines
gezogenen Dreispitz' wert. Weder heroisiert Unger unseren Chef, noch demontiert
er ihn – er läßt ihn den sein, der er war: Ein überragender
Mann mit vielen Fehlern, geprüft in übermäßigem,
oft auch selbst verschuldetem Leid und uns ein immerwährendes Vorbild,
dessen Befehle und Prämissen auch noch nach fünfundzwanzig Dekaden
bindenden Charakter haben. Unger läßt dem Herren von Sanssouci
seine Größe, ohne seine Schwächen unter den Tisch zu kehren
und – dafür sind wir besonders dankbar. Er charakterisiert
Voltaire leidenschafts-, schnörkel- und erbarmungslos als das, was
er war und als was ihn schon Fernau erkannte. Die geistreichste Laus,
die Preußen je im Pelze saß.
Wir sind erfreut über diese Neuerscheinung auf dem preußischen
Buchmarkt, auch wenn wir den Untertitel "ein deutscher König"
trotz aller Erklärungen etwas gewagt finden. Daher gestatten wir
uns dieses Buch einem jeden als Pflichtlektüre ans Herz zu legen,
der sich sowohl informativ als auch eingehender mit dem Leben eines der
größten Preußen befassen möchte, der je die Geschicke
des Landes zwischen Elbe und Pregel bestimmte.
Johannes Unger
Friedrich .- Ein deutscher König
Propyläen Berlin 2011
ISBN 978-3-549-07413-8
€ 16,99 |