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Dissident und Wendeaktivist
Jens Reich zu Gast im MontagSpezial des BT


Ulf Brandstädter spricht mit Professor Jens Reich

Michael L. Hübner
Er gehörte zu jenem Fähnlein Aufrechter, die – persönlich integer und voller Idealismus – vor und auch nach der Wende 1989 für eine bessere Gesellschaft kämpften. Ein Vertreter des Geistes, ein Kenner der Materie und doch – im Angesicht der Dynamik des gesellschaftlichen Umbruchs ein Chancenloser, wie Professor Jens Reich in der Retrospektive seines Wirkens resignierend eingesteht. Es dauert ein bisschen, ehe der Mann aus sich herauskommt. Ein wenig zäh und gequält stellt er sich den Erinnerungen an das Leben in der DDR. Sobald aber Dramaturg Ulf Brandstädter die richtigen Fragen stellt, da taut er auf, der Jens Reich und etwa dreißig Gäste, die am Abend des 22.11. den Weg ins Theater zur Reihe „MontagSpezial“ gefunden hatten, lauschten gebannt. Fesseln kann er immer noch, er hat's drauf, dieser Thomas Morus der Wendejahre, den die Kommunisten vergeblich zu ködern suchten. Weder deren in Aussicht gestellte Privilegien als Reisekader konnten ihn korrumpieren, noch später das für einen Involvierten so segensreiche Geschäft der Politik. 1994 nominierten ihn die Grünen/ Bündnis 90 zum Kandidaten für das Bundespräsidialamt. 4,7 % der Stimmen im ersten Wahlgang und das Thema war erledigt. Aus dem Rennen war der Mann, der ehrbar seine Karriere seinen Überzeugungen unterordnete, dem aus diesem Grunde bei der Großen Demonstration auf dem Alexanderplatz am 4. November 1989 über eine Millionen Menschen zuhörten und applaudierten. Zweiundzwanzig Jahre später waren es noch dreißig – ein Pfund Bananen wiegt halt mehr als ein Zentner Demokratie und eine Tonne bürgerlicher Freiheit. Nun ist er der letzte rezente Vertreter des Ostens im Deutschen Ethikrat und ficht wieder einsam gegen die Übermacht eines vom Gelde diktierten Pragmatismus. Die Welt wäre sicher eine bessere, läge sie in den Händen von Leuten wie Jens Reich. Aber sie wäre schon auf einem guten Weg, kämen mehr interessierte und engagierte Staatsbürger abends ins Theater, um ihn zu hören.

 
B
9. Volumen

© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
09.12.2011