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Reinkarnation auf RTL
Privatsender setzt mit neuem Format neue Tiefpunkt-Standards

J. - F. S. Lemarcou
Kennt denn der Allmächtige kein Erbarmen? RTL überschwemmt den Markt mit seinem neuesten schwachsinnigen Format und RTL wäre nicht RTL, wenn es allem vorherigen Dummfug nicht noch die Krone aufsetzen würde.
Nun werden „Prominente“ auf eine Hypnosereise in „ihre“ Vergangenheit geschickt und untermauern mit ihrem Gefasel scheinbar die Reinkarnationstheorien dieser verrückten Welt. Als erstes stürzte sich eine Schauspielerin der C-Klasse mit breitem Mund und aufgespritzten Lippen – huach, wie eklig – in das Abenteuer. Es war keines. Die Schauspielerei war so billig wie die Darstellerin und so durchsichtig, dass wirklich nur RTL-Konsumenten ernsthaft mit dem Quatsch zu beglücken sind. Die drittklassige Mimin erinnerte sich daran, im 16. Jahrhundert als „Heilerin“ durch Rothenburg ob der Tauber spaziert zu sein. Ihre Mutti und Lehrerin der Heilkunst wurde selbstredend enthauptet und dann auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Vor ihren Augen natürlich. Was für ein schönes Rollenspiel! Na, Frau Anke Wesenberg alias Xenia Seeberg, wieviel Mittelalterschundromane haben wir so gelesen, hä? Bei einem Besuch eines Rothenburger Museums wird eine Eiserne Jungfrau gezeigt. Na, da haben wir sie doch schon bei der Nase! Die Eiserne Jungfrau ist nachweislich eine Erfindung des 19. Jahrhunderts – dem Mittelalter zur Gänze unbekannt! 1628/29, 1672/73 und 1692 fanden entsprechende Hexenprozesse in Rothenburg statt, wie das Archiv der Stadt ermittelte. Vor oder nach Seebergs Hypnose? Ach, ist ja auch egal. Der Beliebigkeit sind eh keine Grenzen gesetzt. Anna Margarete Rhonin soll die hernach kopflose Mutti geheißen haben. Frau Seebergs alter ego ante quo starb nun nicht eben in den Flammen oder unter dem Beile des Henkers. Sie ging – genauso romantisch, während der Geburt ihres illegitimen Kindes von ihrem Geliebten Jakob zugrunde. Ach wär's doch damit zu Ende. Aber dem deutschen Fernseh-Michel hängt schon die Zunge heraus, er hechelt, der Speichel tropft und ihn dürstet es nach mehr idiotischen Schauergeschichten. Na, dann, Katja Burkard, Veranstalterin des neuesten Müllformats – die Arbeit, oder was du dafür hältst, ruft.
Wäre das Ganze wirklich ein Hauch authentisch, so hätte uns Frau Seeberg eine Geschichte vielleicht aus Parchim aufgetischt, oder aus Haithabu, wo sie vielleicht als profane Gänsemagd zugange gewesen wäre, oder sie wäre sich als Negermädchen aus Kenia wieder begegnet. Aber von Parchim hat sie noch nie etwas gehört, von Haithabu erst recht nicht und sie eine Negerin – das grenzt ja an Blasphemie! Nein, sie muß eine Heilerin gewesen sein in bekannter südwestdeutscher Kulisse, auch wenn sie schwört noch nie in Rothenburg gewesen zu sein. Die geschilderten Details sind so realitätsfern und so offensichtlich der einschlägigen Literatur entlehnt, dass man aus dem Gähnen nicht mehr herauskommt. Dummbratzen vor und hinter der Kamera – was für eine Gemeinschaft der kreischenden Blödheit!
Herricht und Preil waren auch keine Leuchten intelligenter Unterhaltung und wer je unter dem Kessel Buntes gelitten hat, der weiß, dass es nicht viel Grund gibt, den Produktionen der Adlershofer Studios hinterherzutrauern. Aber so was? Nein, davor hat der Kommunismus die Leute bewahrt. Schwachsinn war nur in der Ideologie erlaubt und vor Schund versuchte man das Volk zu beschützen.
„Und... ja, äääh...“, kommentierte die lispelnde Katinka das Geschehen am Fuße der Rothenburger Stadtmauer. Dieser tiefsinnige und sprachlich von großem Können zeugende Kommentar charakterisiert das Niveau der Sendung. Herr, wenn Du RTL nicht bald aus den Reihen der Medienvertreter hinaus katapultierst und mit Mann und Maus in einer wie auch immer gearteten Sintflut ersäufst, dann musst Du damit leben, dass Deine Autorität schneller schwindet als ein Alpengletscher im Zuge der Klimaerwärmung.
Sollte es aber wahr sein mit dem früheren Leben und dem ganzen übrigen metaphysischen Nonsens, dann bitten wir Dr. Emmet L. Brown, Frau Seeberg und ihre Leidensgenossen zurück in ihre Epoche zu karren, damit wir ihrer ledig sind. Dort angekommen mögen Torquemada, Gui und Institoris ihre Expertenkenntnisse auf die Reinkarnationauten anwenden und der Herr möge ihrer armen Seelen, die er anscheinend in einer schweren Stunde schuf, gnädig sein. Uns von diesem Volke Gepeinigten steht soviel Huld und Nachsicht leider nicht zur Verfügung.

 
B
9. Volumen

© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
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