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Inglourious Bastard
Tarantino profiliert sich als apokalyptischer Reiter des abendländischen Kinos

In Gedanken an das Soldatengrab des Fritz H. auf dem Harlunger Berge zu Brandenburg an der Havel, auf dem geschrieben steht: *1.10.1914 †14.4.1944

Michael L. Hübner
Wir verreißen ungern. Aber wenn's sein muss... Es ist nun schon wieder beinahe zwei Jahre her, als Quentin der Durchgeknallte mit Inglourious Basterds seinen neuesten Idiotismus vorlegte. Alleine der Name Tarantino bürgte uns seinerzeit dafür, dass ein Kinobesuch vertane Zeit und herausgeworfenes Geld wäre. Wir verzichteten. From Dusk till Dawn sprach als Psychogramm des Gossenregisseurs Bände, auch wenn wir seinem kometenhaften Aufstieg eine gewisse Achtung zollen müssen. Na ja, nein, eigentlich doch nicht. Beweist er doch nur den grottenschlechten Geschmack eines riesigen Teils des Weltpublikums, seines Hanges zu sinnentleerter Gewalt und seiner Sehnsucht nach albtraumhaftem Unfug. Mit den Inglourious Basterds allerdings, der Streifen wurde bezeichnenderweise zu Weihnachten 2010 im Fernsehen gezeigt, schlug Tarantino über alle Stränge. Seine Intention mag aller Ehren wert gewesen sein. Dennoch strotzt der Film vor sinnloser Dummheit: Ein paar zornige, junge, jüdische Kämpfer mutieren unter der Leitung eines amerikanischen Indianerleutnants – Bratt Pitt, es war eine miserable Kür – zu Skalpjägern, die pro Mann verpflichtet werden, mindestens hundert Naziskalps zu erbeuten. Das ganze Machwerk wird dem Genre der kontrafaktischen Kriegsfilme zugeordnet, also Handlungen, die bewusst ein anderes, als das reale Ergebnis eines geschichtlichen Verlaufes thematisieren. Dabei ist der Tod Adolf Hitlers in einem Pariser Kino eine der geringsten aller faustdicken Lügen. Noch erbärmlicher erscheint uns das Märchen von der tapferen amerikanischen Armee. Doch das nur nebenbei. Wir wollen ja zugeben, dass es sicher vereinzelt hier und da eine Einheit der Yankees gegeben haben mag, die sich über den kläglichen Durchschnitt erhob. Letzterer lief ja bekanntlich erst nach Beendigung des Krieges zu Höchstform auf, als er qualmend und Kaugummi widerkäuend in Jeeps durch die deutschen Ruinenstädte scharwenzelte um willige deutsche Fräuleins aufzureißen. Der größte Schwachsinn von Tarantinos filmischem Irrwitz aber ist die Implikation, dass alle deutschen Uniformträger unterschiedslos Nazis seien. So viel undifferenzierte und konturlose Gleichmacherei kann nur einem völlig bildungsfreien Rotzlöffel aus den Ghettos von L. A. einfallen. Seine Mörder-Mimen im rechtschaffenden Gewand hätten auch alle Vertreter des militärischen Widerstandes, ehrbare deutsche Offiziere, mit ihren Baseballkeulenschlägen und Hakenkreuzritzungen überzogen. Sie hätten auch den neunundzwanzigjährigen Friseurmeister Fritz H. aus Brandenburg an der Havel bestialisch umgebracht, der den Krieg verfluchte. Er, der mit 20 Jahren jüngster Friseurmeister der preußischen Provinz Brandenburg wurde, der malen, tanzen und musizieren konnte wie ein junger Gott und der das ganze Licht seiner jungen Frau Hannchen war, mit der zusammen er ein Friseurgeschäft in der Brandenburger Hausmannstraße 5 eröffnen wollte. Aber daraus wurde nichts, denn er erhielt den Einberufungsbefehl des Kreiswehrersatzamtes der Deutschen Wehrmacht, über den er sich ganz gewiss nicht gefreut hatte. In dessen Folge musste er an einem Beindurchschuss elend im Krankenhaus des oberösterreichischen Wels verrecken, wo seinerzeit schon der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation Maximilian I. unter angenehmeren Umständen den erlauchten Geist aufgab. Zurück ließ er einen sechsjährigen Sohn und seine Frau, die den Verlust nie verwand. Niemand von den dreien war je ein Nazi, Denunziant, Mitläufer. Des Friseurmeisters Fritz H.s Schädel wäre unter den Baseballschläger-Hieben des Tarantino-Hirngespinstes und „Bärenjuden“ Donnowitz – was für ein bescheuerter Name – geborsten, der auch den im Film als standhaft geschilderten Feldwebel Werner Rachtman tötete. Dessen einziges Verbrechen bestand darin, seine Kameraden nicht ans Messer zu liefern. Den Schädel des Friseurmeisters Fritz H. erreichte Tarantino zwar nicht, aber der amerikanische Lump ging dem Mann mit derselben Vehemenz an die Ehre. Das aber ist nicht einmal der Gipfel des Bubenstückchens. Der besteht darin, dass Deutschland diesen Film förderte, gestattete, ihn in Babelsberg, Berlin und Görlitz drehen zu lassen. Das ist kein Zeichen mehr von Souveränität und erfolgter Geschichtsaufarbeitung, das ist ein unwürdiges Kriechen auf dem Bauch vor denjenigen, die es einst grundlos angriff. Kein anständiger Deutscher wird einem Film den Drehort verweigern, in dem ein Jude einen Standartenführer der SS, oder ein polnischer Ulan einen verbrecherischen Hauptmann der Deutschen Wehrmacht erschießt. Aber einem solchen Mist die Kulisse der Heimat zu leihen, das zeigt, wie sehr diesem Volk das Rückgrat gebrochen wurde. Nein, wie sehr es sich das Rückgrat brechen ließ. Das allerdings tat es bereits, als es die Filmbösewichter des irrsinnigen Quentin an die Macht wählte. Von Babelsberg war seit den Zeiten der UfA nichts zu halten gewesen, für Görlitz war es der zweite Sündenfall. Es ist schade um die wunderschöne Metropole Niederschlesiens, die sich seit dem Kriege Polen und Deutsche teilen. Sie hat ihre Ehre leichtfertig vertan.
Es ist, als würde ein überwältigter Raubmörder vor aller Welt freiwillig seine eigenen Exkremente fressen, aus dem einzigen Grunde, sich seinen Häschern anzudienen. Wir, die wir Japan und Chile lieben, Italien und Frankreich mögen und mit Mütterchen Russland eines Herzens sind, sind oft erbost über deren Unfähigkeit,
sich kritisch mit den Verbrechen der Vergangenheit auseinanderzusetzen, die von diesen Nationen begangen wurden. Ein solch noch dazu völlig unproduktiver Masochismus aber, der lediglich den Neonazis in die Hände spielt - das kennt man nur von Deutschland. Die alten Nazis lange nicht und dann nur widerwillig verfolgen, sich aber dann kollektiv im Dreck suhlen, das ist der Reputation der Deutschen in der Welt ebenso abträglich wie die zwölf Jahre der braunen Diktatur. Es ist dieses manische Pendeln zwischen den beiden Extremen - und so wird Deutschland wahrgenommen: Entweder sind die Krauts stahlharte und hirnlose Kampfmaschinen, welche die ganze Welt ausrotten wollen, oder aber sie sind charakterlose Weinbergschnecken mit einem krankhaften Welterlöser- und Helfersyndrom, vor deren Schleim man nur noch Ekel empfindet und von denen sich wirklich niemand freiwillig unter die Arme greifen lässt.
Die Untaten der deutschen Nazis schreien nach ewiger Rache und wir wollen die Strafen geduldig ertragen, wie unsere Opfer unverschuldet die Gewalt und den Hass ertragen mussten, die wir über sie brachten. Wir nahmen den Verlust Preußens und Schlesiens hin, wir nahmen hin, dass deutsche Mädchen und Frauen unter den Lenden russischer Soldateska für die Einsatzkommandos, die SS und die Gestapo büßen mussten und sich hernach den Lenden der GIs hingaben um dem Nachkriegselend zu entfliehen, während ihre Väter, Männer und Brüder als halbverhungerte Landser noch zehn Jahre lang in russischen Lagern vegetierten. Wir nahmen hin, dass deutschen Frauen von russischen Offiziers-Gattinnen im öffentlichen Raum schlimmer kujoniert und gedemütigt wurden, als die ärmsten Neger zur Zeit des Burenterrors der Apartheid. Die wenigsten von denen waren nationalsozialistische Frauenschaftsführerinnen. Wir akzeptierten Demontage und deutsche Teilung – alles, alles, alles. Aber das, was dieser kalifornische Schwachkopf da fabriziert hat, das akzeptieren wir nicht. Das mag die ewige Höllenpein für Mengele und Eichmann, für Himmler, Bormann, Streicher, Frank, Göth, Höß und Heydrich, für all ihre Schergen und sogar für den Gröfaz sein – aber nicht für den einfachen deutschen Bürger, der sich nicht an seinem jüdischen Nachbarn vergangen hat, der den Krieg ablehnte und die Uniform der Wehrmacht nur anzog, weil man ihn widrigenfalls nach einem Urteil des Volksgerichtshofes guillotiniert hätte. Wir lehnen diesen Film ab, auch wenn er einige bemerkenswerte Sentenzen zeigte. So wäre das sublime Verhör des Milchbauern Perrier LaPadite durch den SS-Standartenführer Hans Landa (Christoph Waltz) zu nennen, das von seinem psychologischen Aufbau und seiner brillanten schauspielerischen Umsetzung nichts von dem cineastischen Schund erahnen lässt, in den diese Szene eingebettet ist.
Selbst die Russen, die doch neben den Juden und den Polen am furchtbarsten unter den Nazis zu leiden hatten, begriffen schon anlässlich der Siegesparade 1945 auf dem Roten Platz, dass viele der an ihnen vorbeigetriebenen armen Teufel in deutschen Uniformen Menschen waren, die man in den Krieg gejagt hatte, und keine von der Leine gelassenen Ausgeburten der Hölle. Aber wie gesagt, wir reden von Russen, nicht von Amerikanern.
Als Fazit erscheint unterm Strich nur eines: Dieser Film taugt nur dazu den letzten Beweis zu führen, dass Quentin Tarantino ein Psycho-Freak ist, der uns den Nachweis schuldig blieb, wie er sich wohl verhalten hätte, wenn das Schicksal ihn hätte in Nazi-Deutschland aufwachsen lassen. Wäre aus ihm ein Georg Elser geworden? Oder auch nur einer, der sich abgeduckt oder gar mitgebrüllt hätte. Ein Hitlerjunge, SA-Mann, Nazi-Uniformträger, oder vielleicht auch nur ein in die Wehrmacht gepresster armer Kerl, der gemeinsam mit seiner weit entfernten Frau darum betete, den Wahnsinn einigermaßen heil zu überstehen und der es nicht verstanden hätte, von einem "Bärenjuden" den Schädel zertrümmert und abschließend skalpiert zu bekommen. Für Tarantino bleibt uns nur die Feststellung: Manch einer ist eben ein Teil des Bösen, gleichwohl ihn ein unverdientes Fatum den Freien dieser Welt zugesellte. Und das ist weitaus schändlicher.

 
B
9. Volumen

© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
03.01.2010