Baaks

zurück zum Landboten

 

zurück zur Stammseite "BÜCHER"

 

Ein Kater zum Verlieben
Christian Theede bereichert deutschen Märchenfilm

Kotofeij K. Bajun
Deutsche Märchenfilme von Format – seit den Zeiten der verblichenen DEFA selig war so etwas kaum noch auf den Mattscheiben zu sehen. Aufgeblasener, hohler, gestelzter und unsinnig überladener Schotter allerorten. Die Figuren blass und fade und so post-achtundsechzig angehaucht. Das war typisch für die Generation KITA, die keine Kindergärten mehr kannte und aus Kindern Kiddies machte, aus späteren Lehrlingen „Azubis“, aus Studenten „Studierende“ und was dergleichen Hirnschelligkeiten mehr sind und dieser ganze pseudodidaktische Nonsens war schon in den guten alten Hausmärchen angelegt. Es war schon nicht mehr zum Aushalten, was uns da von unseren oftmals westdeutschen Landsleuten vorgesetzt wurde. Hätte man sie noch eine Weile gelassen, diese Langweiler, dann hätten sie den/die gestiefelte Kater/In auf Achse geschickt.
Denn „Der gestiefelte Kater“ der Gebrüder Grimm wurde von der DEFA unseres Wissens nach nicht aufgegriffen. Wahrscheinlich enthielt er zu wenig revolutionäres Potential in der Tradition der klassenbewussten Arbeiter. Die Fredersdorf-Produktion von 1955 war..., na ja, reden wir nicht drüber. Aber dann, aber dann, aber dann... Christian Theede machte sich 2009 an den Stoff und heraus kam ein allerliebst umgesetztes Märchen, das auf Kinder und Erwachsene gleichermaßen entzückend wirkt. Ohne Schmand und Schmonzes, ohne blödsinnig gestrickte Drumherum-Geschichte erfrischend stringent und getreu dem Grimm'schen Vorbild erzählt, lässt der Film nichts, aber auch gar nichts vermissen, was ein schönes Märchen ausmacht. Alles ist schlicht gehalten – aber nicht die Bohne billig. Low Budget, vielleicht, gewiss... Aber man merkt es nicht. Und Kinder brauchen auch gar nicht so viel Kulisse. Die farbigsten Bilder entstehen noch immer in ihren Köpfen. Man braucht ihnen nur kleine Brücken zu bauen und schon füllen sie den Rest mit der ihnen eigenen Vorstellungskraft. Herr Theede baut diese Brücken, die seine Zuschauer, groß und klein, fesselnd ins Geschehen hineinziehen. Er baut sie mit dezentem, unaufdringlichem Witz und Charme und er holt sich Leute an Bord, Schauspieler, die das Konzept tragen. Roman Knižka gibt den Kater Minkus. Gleichwohl er die spitzen Ohren und den Schwanz vermissen lässt, Knižka ist der Kater – und was für einer! Teufel, der Bursche hat ein paar Augen, da müssen doch die Weiber schwach werden, oder es sind keine rechten Weibsbilder. Wie er das einsetzt, zum Vortrag bringt, wie das blitzt und leuchtet, wie er den Kratzfuß macht mit vollendeter Galanterie und dazu sein courtoises Französisch! Wenn je einer des Tragens roter Kanonenstiefel und eines verwegenen Schlapphutes wert war, dann dieser pelzige Edelmann, der sein gemaltes Konterfei aus „Shrek II“ beinahe noch übertrifft... obwohl das kaum möglich scheint! Die Figur des Müllers Hans wurde von Jacob Matschenz sehr vorteilhaft besetzt. Kein süßlicher Prinz-Eisenherz-Verschnitt, handfest und doch zu Höherem tauglich. Freundlich, gutherzig, vorbildfähig. Die Prinzessin, die sich in ihn verliebt, beweist guten Geschmack. Diese Prinzessin Frieda (man beachte den einfach schönen und schön einfachen deutschen Namen), gespielt von einer zum Verlieben hübschen Jennifer Ulrich, und ihr Vater König Otto – jawoll! – gehen so herrlich leise in ihren Rollen auf. Sie sind so unaufdringlich und doch so präsent. Ihr Hofstaat ist nicht überladen, nichts lenkt von den Kernaussagen ab. Eben eine echte Märchenprinzessin und ein echter Märchenkönig, der übrigens von Kai Wiesinger ausgefüllt wird. Dieser Kai Wiesinger ist wohl der unbestrittene Traumvater aller kleinen Töchter. König und Prinzessin kommen eben unprätentiös einher, uneitel und einfach herzig. Sie wirken aus sich heraus.
Von diesen Attributen kann sogar der Zauberer Abbadon ein gut Teil für sich reklamieren. Diese Figur so zu übersetzen kommt einem Geniestreich Herrn Theedes gleich. Jürgen „Abbadon“ Tarrach ist nicht böse genug, um die Kinder in ihre Albträume zu verfolgen, aber das Potential zu einem böse-zynischen Manne hat er schon, der schwarze Magier. Nur dass sich seine Zaubersprüche immer reimen müssen wie die Limericks, das stört uns alte Zausel, die wir auf Stab- und Gegenreim abfahren. Aber die Kinder wollen das so. Und deren Film ist das ja nun mal. Also wollen wir das lästernde Maul halten. Nein, nicht ganz. Ein Kritiker muss auch was zu Meckern haben, was wäre das sonst für eine Kritik! Also, den Kutscher Eberhard (Peter Kurth) zieht's fortwährend und wie eine Art fahler running gag in die nächstgelegene Kneipe. Kein Qualitätsprädikat für einen Chauffeur – Kinders: ihr hört da mal weg und kichert nicht jedes Mal so infantil! Kneipen und Führerschein mit 17 vertragen sich in etwa wie Feuer und Eis. Merkt euch das für später!
Doch der Rest, der ganze Rest ist makellose, gefällige und kindgerechte Filmkunst vom Feinsten – man möchte sagen: hohes Ost-, sprich DEFA-Niveau. Gutes muss nicht teuer sein. Insofern führt dieser kleine 60 Minuten-Streifen Hollywood an der Nase vor wie einen alten, übergewichtigen Tanzbären. Toy-Story, die Hundertachtzigste? Wir gähnen... Welch dröge Zeitverschwendung. Brothers Grimm – wir bekreuzigen uns – weg, nur weg! Alternativlos sind wir Gott sei Dank nicht mehr, seit uns Herr Theede mit einem hervorragenden Kameramann Simon Schmejkal und einer fürwahr liebenswerten Crew einen gestiefelten Kater bescherte, der in unserem Falle ganze vier Generationen vor dem Fernseher glücklich machte. Selbst der außer Konkurrenz antretende Mitarbeiter des Landboten, unser ungestiefelter Kater Moritz, verfolgte das Geschehen mitunter. Um seine Meinung befragt, antwortete er zwar mit einem müde gequäkten „Mau“, aber das, Freundchen, wir wissen es, ist der blanke Neid auf solch einen Kollegen. Geh mal, geh! Geh zu Deinem Futternapf! Wir bleiben dabei: Dieser Film ist eine Wucht und wir empfehlen ihn. Wir empfehlen ihn den deutschen Sendeanstalten und wir empfehlen ihn den DVD-Sammlungen deutscher, mit Kindern gesegneter Haushalte und wir empfehlen ihn auch denen Älteren, die mutig genug sind das Kind in sich nicht zu verleugnen. Es ist ein wirklich schöner deutscher Märchenfilm. Hut ab und Danke schön!

 
B
9. Volumen

© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
21.07.2010