Ein Genie spielt Cembalo
Arte erinnert an den großen Scott Ross
für cand. med. dent. Evelyn Hübner (†)
zum 44. Geburtstag und für Moritz "Tätzel" Hübner
Kotofeij K. Bajun
Das ist das Privilegium des stellvertretenden
Chefredakteurs und Häuptlings der Kulturredaktion. Per Ordre de Mufti
kann ich das Thema an mich reißen. Sind sie traurig, Monsieur Lemarcou?
Dieses mal, nur dieses eine Mal müssen Sie mir verzeihen, wenn ich
Ihnen sage: "Is mir wurscht! Ich mach's. E basta!" Dafür
bleibt Ihnen der gute Bordeaux! Na, dann man los!
Für uns Taube, uns musikalische Idioten ist es ein Blick durchs Schlüsselloch
in ein anderes Universum, in ein Feenreich, surreal und bezaubernd schön.
Wir hören seine Stimme, wenn er etwas interpretiert, wenn er mitsingt
und wir sind berauscht, besoffen, tasten uns durch die Nebel von Avalon,
versuchen zu verstehen – und sind doch so hilflos und glücklich,
hilflos glücklich, glücklich hilflos. Gänsehaut –
vom Schopf bis zu den Zehen: Scott Ross traktiert sein Instrument, das
Cembalo, er streichelt es und fordert ihm dennoch die Crescendi ab, forciert,
und die einschmeichelnsten Töne durchwabern Raum und Zeit. Er interpretiert
den Meister, den die Welt unter dem Namen Johann Sebastian Bachs kennt;
er spielt Rameau, Scarlatti, Soler und Clementi. Und wie Couperin es forderte,
sitzt er auf für unsere Augen ungewöhnliche Weise etwas angeschrägt,
beinahe seitlich zur Klaviatur.
Es ist, wie wenn man der Musik des Meisters oder Vivaldis lauschte: Wenn
der letzte Akkord verklungen ist, dann sollte Ruhe einkehren für
eine Weile. Bestenfalls das Schnurren einer Katze sei erlaubt. Zu ihnen
war er sanft, der Mann, der von sich selbst sagte, er sei ein Perfektionist,
und ein autoritärer Tyrann dazu und der auf ungeheuchelte und trotzdem
unaufdringliche Art für sich in Anspruch nahm ein Genie zu sein.
Er war es, bevor er 1989 in Assas inmitten seiner geliebten Katzen und
Orchideen verstarb, wie der Kultursender ARTE im Abspann eines dokumentarischen
Beitrags schrieb.
Wer Scott Ross war? Wenn Ihnen die Namen Ton Koopmann, Swjatoslaw Richter,
Glenn Gould oder András Schiff etwas sagen, brauche ich nicht weiterzureden.
Dann kennen sie ihn. Wenn nicht, dann hören sie einfach nur zu! Denn
erklären lässt sich das nicht. Worte, und kämen sie aus
der Musikwissenschaft, müssen vor dieser Kunst versagen. Nur noch
dem Gefühl und der Empfindung ist der Zutritt ins dieses Zauberland
der kunstvollen Töne gestattet. Die Biographie finden sie in der
Wikipedia. Da müssen wir keine Redundanzen reiten.
ARTE rief die Erinnerung
an diesen begnadeten Cembalisten im Rahmen der Sendung "eine ungewöhnliche
Musikstunde mit Scott Ross" am 13. Februar 2011 wach. Beinahe eine
Stunde lang entrückte uns Ross aus diesem irdischen Jammertal, das
er uns im Verbund mit denen alten Compositeurs zu erhellen wusste. Ross
war der einzige, dessen Kritik an Glenn Gould wir ernst nehmen können,
wenn er sich über die Ketzerei beklagte, dass Gould die Tasten eines
Cembalos nicht anrührte, wenn doch die Alten das Piano gar nicht
kannten und also für dieses Instrument schlichtweg nicht komponierten.
Dieses unbeschadet der Tatsache, dass sich für uns arme amusikalische
Zeitgenossen eine Fuge aus des Meisters Feder, dargeboten von Gould, nicht
minder überirdisch anhört, als wenn sich Ross als Traditionalist
müht, der Welt nachzuspüren, in welcher und für die der
Meister seine Kunst ersonnen hat. Den 20. Februar, einem Sonntag, wird
ARTE die Sendung wiederholen. Zu früher Stunde, gegen 6:00 Uhr. Da
ist es dann der Sippe verboten, zu husten, zu schnarchen, zu kommentieren.
Das einzige Familienmitglied, das sich nach Belieben äußern
darf, ist unser schwarzer Kater Moritz mit dem weißen Latz. Er hört
die Musik nicht nur, er versteht sie! Er darf sie mit seinem Miauen und
seinem Schnurren begleiten. Denn ihn hatte Scott Ross geliebt –
wahrscheinlich genau aus diesem Grunde. Wir aber wollen andächtig
die Hände falten und lauschen und das Maul halten und staunen, zu
welch himmlischen Leistungen der Nackte Affe in Ausnahmen befähigt
ist, wenn er gerade nicht dabei ist eine Atombombe zu konstruieren um
seinen Bruder verglühen zu lassen. Dem Sender ARTE aber sei gesagt,
dass er sich mit solchen Ausstrahlungen in die Liegen der europäischen
Rundfunkanstalten qualifiziert hat, die wir für unverzichtbar erachten.
Es gibt keinen Grund zu verzweifeln, so lange der Name dieses Sender selbst
denen geistigen Einzellern ein Begriff ist, wenngleich auch nicht in der
überragend positiven Konnotation, die wir mit ihm verbinden. Chapeau,
ARTE! Chapeau nach Straßburg!
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