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Napoleon kaputt!
Gerd Fesser rekonstruiert die Völkerschlacht

Kotofeij K. Bajun
Man wird und wird den Verdacht nicht los, der Gerd Fesser sei dabei gewesen. Gut, alle Wahrscheinlichkeiten sprechen dagegen. Immerhin jährt sich die Völkerschlacht bei Leipzig 2013 schon zum zweihundertsten Male. Das bedeutet, zu dem Zeitpunkt als Gerd Fessers Stern über der Pleiße-Metropole zu erstrahlen begann, lag sie bereits 128 Jahre zurück. Liest man aber das in hervorragender und flüssiger, beinahe unterhaltsam verfasster Manier geschriebene Buch „1813 – Die Völkerschlacht bei Leipzig“, so möchte man es kaum für möglich halten, dass da jemand schreibt, der nicht unmittelbar Augenzeuge gewesen ist. Gerd Fesser ist ein studierter Historikus mit einem ausgeprägten literarischen Talent. Wer nun meint, man bekäme über diesen wichtigen Wendepunkt der europäischen Geschichte einen Folianten vor die Nase gesetzt, wie ihn weiland C. V. Wedgwood zum Dreißigjährigen Kriege verfasste, der wird sich wundern, wie kompakt sich die Vorgeschichte und der Ablauf des blutigen Völkertreffens bei Leipzig auf gerade mal 108 Seiten darstellen lässt. „Ja, ja“, werden Sie sagen, „dann kann das doch aber nur mit der heißen Feder...“ Neee! Eben nicht. Der Detailreichtum in der Darstellung Gerd Fessers verblüfft, die Ereignisse und die beteiligten Personen sind sauber recherchiert. Unmengen von Aktenbergen und Briefwechseln muss der Autor gewälzt haben. Die politische Konstellation des Alten Kontinents um die Jahrhundertwende vom achtzehnten auf das neunzehnte Säculum hat er offensichtlich im kleinen Finger. Denn – eines ist klar: Um einen solchen, mit scheinbar leichter Hand verfassten Bericht dieses Großereignisses liefern zu können, muss man in der Materie zu Hause sein. Nun kommen Sie nicht auf den Gedanken, Joachim Fernau ambivalenten Angedenkens sei auferstanden, um die bildungsfernen Zeitgenossen an den Stammtischen an die Dynamik des Werdens der Nationen heranzuführen! Gerd Fesser plaudert nicht – Gerd Fesser erzählt. Das ist ein Unterschied. Der Thüringer entwirft vor den Augen seiner Leserschaft ein lebendiges, verbales Diorama, ohne sich – und das ist die ganz hohe Kunst – im komplexen Dickicht der Geschehnisse zu verlieren. Dass man keinen Laien vor sich hat, der sich auch mal zum Thema äußern möchte, das erhellt spätestens mit der Seite 109. Hier schließt sich an die Prosa eine Zeittafel, ein die Authentizität des im Textwerk Dargelegten unterstreichendes Dokumentenkapitel mit originalen Berichten und Briefwechseln aus der Epoche, ein tadelloses und sehr informatives Glossar, ein wasserdichtes Quellenwerk und zum Schluss ein übersichtliches Personenregister an. Dieser letzte Teil beansprucht mehr als ein Drittel der Ausgabe und gibt damit deutliche Hinweise, welch fleißiger Arbeiter im Weingarten Klios uns da entgegentritt. Das Schöne und Wertvolle an der Sache aber ist, dass er eben uns Laien mit seinem Wissen versorgt, ohne in einen billigen, populärwissenschaftlichen Duktus zu verfallen. Zu loben ist, dass sich ein Mann wir Gerd Fesser nicht in seinem Stübchen im Elfenbeinturm verkramt, um von dort aus spitze Pfeile gegen die Damen und Herren Collega auf denen Fachkongressen zu verschießen, wie man das unter anderem aus der preußischen Historikerlandschaft zur Genüge und zum allgemeinen Verdruss kennt. Hier legt keiner eine Ergänzung seiner Publikationsliste vor, um zu disputieren, herauszufordern, am eigenen Profil zu werkeln... Das alles hat ein Gerd Fesser nicht nötig. Er liefert das beste, was man von einem Akademiker erwarten darf: In die Breite wirkendes, allgemein verständliches und nachvollziehbares Wissen. Es ist Herrn Fesser zu danken, dass er uns Nachgeborenen eine so hervorragende Synopsis der Geschehnisse von 1813 liefert, deren Echo dem Kundigen noch immer vernehmbar ist. Eines ist sicher. Wenn wir das nächste Mal von der Aussichtsplattform des Völkerschlachtdenkmals herab in das Leipziger Umland schauen, dann werden wir ein oranges Büchlein aus dem Hause Bussert & Stadeler dabeihaben. Und wir werden hineinschauen, darin blättern, das Fernglas vor die Augen halten und die Dinge sehen – als seien wir dabei gewesen! Dasselbe dürfen wir auch jedem unserer geschätzten Leser empfehlen, der den Seinen schlüssig erklären will, was es mit dem wuchtigen Monument auf sich hat.

Gerd Fesser
1813 Die Völkerschlacht bei Leipzig
Verlag Bussert & Stadeler Jena und Quedlinburg
169 Seiten
ISBN 978-3-942115-15-5
€ 19,90

 
B
12. Volumen

© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2012

04.06.2013