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Das Tor der Nation - die Porta Nigra Augustaen Treverorum Im Andenken an Frau cand. med. dent. Evelyn Hübner (1967-1998)
Ob es die wunderschönen romanischen Sakralbauten ehemaliger Residenzen sind, die den Himmel stürmenden gotischen Kathedralen, solche, die nicht den geringsten Einfluss des Barock oder des Rokoko zeigen, oder aber die – Porta Nigra. Die gewaltige Toranlage schützte einst den nördlichen Zugang zur Augusta Treverorum, den Weg, der stracks zur Mosel führte. Die Castra Regina, das heutige Regensburg wurde berühmt durch seine steinerne Brücke und eine mächtige Toranlage. Triers Römerbrücke ist nicht minder imposant und die nach gleichem Bauplan aufgeführte Porta Nigra ist gewaltiger als ihr Regensburger Pendant, das ist sicher! Immerhin schützte sie eine kaiserliche Residenz, eine römische Stadt, ein Zweites Rom mit Vorrang vor der CCAA, der Colonia Claudia Ara Agrippina, dem späteren Heiligen Köln. Immerhin lebten in dieser Stadt 40.000 Menschen. Selbst heute, knapp siebzehnhundert Jahre später, wohnen nur etwas mehr als doppelt so viele Trierer an den Ufern der Mosel. Noch verblüffender aber ist der Umstand, dass die Porta Nigra nur eine von drei ehemaligen, gleichartigen Toranlagen ist. Die drei anderen Tore, die Portae Alba, Media und Inclyta, sind verschwunden. Ein Steinbruch für die Bevölkerung nachrömischer Jahrhunderte. Brauchte man keine Mauern und keine Tore mehr, als Rom in den Staub gesunken war? O doch – dringender denn je zuvor! Nur hatte man keine Möglichkeiten mehr, sie zu unterhalten oder zu bewachen. Und behauene Steine waren für Steinräuber seit jeher eine zu kostbare Versuchung. Warum nun aber überstand die Porta Nigra die Zeitläufte? Es ist paradox, aber gerade einer dieser frühchristlichen, fanatischen Spinner, er wurde Simeon genannt, erkor die Porta Nigra zu seiner Klause. Das Christentum, das sich seit den Zeiten seines Beginns als lebensfeindliche, auf ein imaginäres Jenseits orientiere Religion gerierte, blies seinen Apologeten ein, man müsse sein irdisches Leben vergeuden, damit es nach dem Tode besser werde. Just dieser hirnschellige Unfug also lenkte Simeons Schritte im Jahre 1027 in den Ostflügel der Porta Nigra, in dem er dann freiwillig den acht Jahre währenden Rest seiner Tage verbrachte. Der merkwürdige Kult der Heiligenverehrung mit all seinen morbiden Auswüchsen führte dazu, dass der amtierende Bischof Poppo den Umbau des gewaltigen Stadttores in einen Sakralbau betrieb. Erst Bonaparte und etwas später die Preußen befreiten die wunderschöne Toranlage wieder von der Hülle der mittelalterlichen Kirche. Nun ist die Porta Nigra wieder das Aushängeschild Triers, gleichwohl doch die Augusta Treverorum noch mit so vielen anderen berühmten Attraktionen aufwarten kann. Das Amphitheater, die Kaiser- und die Barbarathermen, der gewaltige Dom mit der Doppelkirchenanlage, die Thermen am Viehmarkt und das Geburtshaus von Karl Marx. Dass letzterer in dem schönen Anwesen in der Brückenstraße übrigens nur ein Jahr verbracht hat, dann aber in einem kleineren Hause gegenüber der Porta Nigra aufwuchs, ist nicht vielen bekannt. Das Geburtshaus ist eine Pilgerstätte. Im Hause des Aufwachsens des Vaters des internationalen Proletariats in der Simeonstraße 8 aber logiert ein Ramschladen und in unerreichbarer und unleserlicher Höhe prangt eine Tafel, Gott weiß welchen Inhalts. Doch wie es oft so ist – gestalten sich die Umstände günstig und den Bewohnern fehlen in den folgenden Jahrhunderten die Mittel, ihre Gemeinde mitsamt deren Bauten im Sinne der jeweils herrschenden Mode zu erneuern, dann … ja dann dämmern irgendwann einmal die Tage herauf, in denen die Menschen eine authentische Überlieferung der urbanen Architektur zu schätzen wissen. Erfurt, Brügge, Rothenburg ob der Tauber, Tangermünde … sie alle sind heute Touristenmagneten. Dafür mussten viele Generationen zwischenzeitlich lange darben, nachdem ihre Mütter und Väter allen nur erdenklichen Wohlstand genossen. Diese Väter und Mütter hatten sich in ihrem Wohlstand nur allzu fahrlässig eingerichtet, meinend, sie hätten ein gottgegebenes Anrecht auf dieses Privileg, dem sie – jede gesellschaftliche Entwicklungsdynamik ignorierend – Ewigkeitscharakter unterstellten. Steht der Besucher vor den gewaltigen Resten der Porta Nigra, der Kaiserthermen oder des Amphitheaters, dann drängen sich trotz des ehrfurchtgebietenden Alters dieser Monumente deren aktuellsten Bezüge zu unserer Gegenwart nachgerade auf. Auch zu den Zeiten, in denen diese Bauwerke errichtet wurden, ging es einer Oberschicht blendend und dem Gros der Bevölkerung nicht schlecht. Der Reichtum wurde erwirtschaftet auf den Knochen einer gewaltigen Masse aus Unterprivilegierten. Niemand analysierte dies besser als der oben erwähnte Karl Marx, Triers größter Sohn. Aber unangenehme Eigenschaften wie Arroganz und ungerechtes Besitzstandsdenken lösen mit großer Regelmäßigkeit irgendwann einmal gewaltige Migrationsbewegungen aus. Die da kamen, brachten ihre Werte mit und ihre Ideen und die erwiesen sich zu den Traditionen derer, die sie überrannten, über weite Strecken als inkompatibel. Selbst, als sich Jahrhunderte später das Interesse der Gesellschaft wieder den großen Errungenschaften der einstigen Herren des Landes zuwandte, fehlte es sowohl an Wissen als auch an dem Potential, den verlorenen Faden wieder aufzunehmen. Das Imperium versagte denen, die auf der Suche nach Sicherheit und einem besseren Leben zu ihm stießen, allzu oft und all zulange die Teilhabe. Die Quittung war erbarmungslos und warf das Abendland in seiner Entwicklung beinahe zwei Jahrtausende zurück. Sind Monumente aus vergangenen Tagen zu etwas Geistigem nutze, dann dann besteht das darin, über die Botschaften nachzudenken, die sie über ihre bloße Architektur hinaus vermitteln. |
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2012
03.01.2016