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Ente, Tod und Tulpe Kotofeij K. Bajun „Ente, Tod und Tulpe“ heißt das schmale Kunstwerk, welches der Antje Kunstmann Verlag 2007 in München dem Büchermarkt vorstellte. Worum geht es? Eine kleine Laufente bekommt eines Tages Besuch vom Tod. Ein netter Tod, der ihr von nun an bis zu ihrem Lebensende nicht mehr von der Seite weichen wird. Nach eigenem Bekunden ist er seit dem Augenblick bei ihr, als sie einst ihrem Ei entschlüpfte. Aber das Entchen hatte ihn nie zuvor bemerkt. Der Bruder Tod, der mächtigste Erzengel Gottes, ist freundlich zu ihr, begleitet sie sogar in ihren Teich. Das ist nicht sein Element. Er friert, sie wärmt ihn. Sie fragt ihn über die Dinge danach. Doch er bleibt in netter Art beliebig. Er bleibt bei ihr – wie ein guter Kamerad. Dabei ist ganz klar, zu welchem Zweck. Es geht um ihr Leben. Wie es um das Leben einer jeden Kreatur geht. Eines vorweg – es geht nicht gut aus. Nicht in unserem Sinne. Am Ende stirbt das Entchen. Und der Tod bettet sie sanft auf die Wellen des Styx und legt ihr eine schwarze Tulpe auf die Brust. Auch er ist traurig. Er hat den härtesten Job der Welt und eine so liebe Gefährtin am Ende leblos mit hängendem Köpfchen und geschlossenen Augen in den Armen des Todes zu sehen, das tut uns schon beim Umblättern weh. Wir leiden beim Lesen wie die geprügelten Hunde. Wir heulen Rotz und Blasen. Doch der Autor hat recht: Das ist das Leben. Was ist das nun für ein Buch? Ist es, wie unverständige Rezensenten behaupten, ein Kinderbuch, das dem Nachwuchs von fünf Jahren an den Tod erklären soll? Ja, vielleicht. Auch. Aber es wendet sich in erster Linie an diejenigen, die glauben, ihre Angst vor dem Tod mit dicken Büchern oder religiösen, gar theosophischen Konstrukten besiegen zu können, in denen in aller erster Linie ein Haufen halt- und substanzloser Mumpitz verkündet wird. Es wendet sich an diejenigen, die sich über den einfachen Duktus und die schlichten, aber herzergreifenden Zeichnungen erhaben fühlen und diese Form der Ansprache Kindern zuweisen. Nein, dieses Buch ist alles andere als infantil und es tarnt sich als Kinderbuch, wie sich der Parzival Herrn Wolfram von Eschenbachs als gewöhnlicher Ritterroman tarnt, obgleich es ein Jahrtausendbuch ist, welches das gesamte Wissen der Menschheit um die menschliche Seele inkludiert. Kann man das Entenbuch aus der Feder des Wolf Erlbruch Kindern in die Hand geben? Natürlich kann man das. Man kann auch den Parzival durchschnittlichen Erwachsenen anempfehlen. Es passiert nichts. Den anderen aber, den Feingeistigen und Tiefsinnigen, den Erfahrenen, den Weisen, den Gefühlsbegabten, denen erschließt sich sowohl beim Parzival als auch bei Herrn Erlbruchs Entenbüchlein die Ahnung von Botschaften aus Meisterhand, die sämtliche Züge von Genialität in sich bergen. Es sind Schriftstücke, die beide in ihrer philosophischen Tiefgründigkeit mit Marc Aurels Selbstbetrachtungen, mit Epikur oder Seneca locker mithalten können. Wie begegnen
mit Herrn Erlbruchs kleinem Entenbuch einem Edelstein in der jüngeren
deutschen Literaturlandschaft, einem Buch, das mit einundsiebzig Sätzen
und dreißig Zeichnungen auf gerade mal einunddreißig Seiten
beinahe alles sagt, was es zu sagen gibt. Und dass dieses Buch, wenn
eine kluge Frau, ein kluger Mann seiner ansichtig wird, mitten durch
Herz und Seele schießt – das bedarf keiner weiteren Ausführung.
Das merkt man dann schon von ganz alleine. Ente, Tod und Tulpe
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© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2012
29.06.2013