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Eine Ära geht zu ende Der dreizehnte Fall Honoré Langustiers ist sein letzter Kotofeij K. Bajun Ja, das war's nun gewesen ... Dreizehnmal hat der feinsinnige, hochgebildete, scharfsichtige Detektiv wider Willen, Honoré Langustier, nun auf der Nachtseite des friderizianischen Preußens ermittelt. Sein 1782 bestandenes Abenteuer mit dem Titel "Nachtviolett - viel Mord um nichts" hat er bestanden, selbst betagt und in seinem 80. Lebensjahre stehend. Mit einer kreuzgefährlichen Bande aus der Berliner Unterwelt musste er es aufnehmen, die einen – nach heutigen Maßstäben gerechnet – Millionencoup landete und dreist den König bestahl. Eine Woche nur brauchte der Laien-Kriminalist, um an der etablierten Berliner Polizei vorbei, gemeinsam mit Enkelin Geraldine und versehen mit royalem Permiss, den Gaunern auf die Schliche zu kommen und sie in einer alles entscheidenden Verfolgungsjagd durch den Tiergarten zur Strecke zu bringen. Ach, Monsieur Wolf, der Er der geistige Vater dieses Ausnahmetalents ist, wer kann Ihm ruhigen Gewissens abnehmen, dass Er nicht dabei gewesen wäre! So farbenprächtig, so detailversessen, so punktgenau und präzise recherchiert kommt die topographische Beschreibung Alt-Berlins einher, so genau sind die Protagonisten in ihrem historischen Umfeld gezeichnet – Monsieur Wolf: der eigentliche Genius ist Er! Ist Er sich dessen auch wohl bewusst? Wenn etwas die progrediente Verblödung der deutschen Nation recht trefflich indiziert, wenn etwas ausweislich den Niedergang des einstigen, wahrhaft legendären deutschen Bildungsbürgertums belegt, dann doch wohl zwei Fakten, die an dieser Stelle schonungslos zu nennen sind: Da ist zum Ersten der Umstand, dass ein Mario Barth das Olympiastadion auf dem Reichssportfeld mit seinen dämlichen Sottisen, geistlosen Witzeleien und unterirdischem Verständnis von Humor bis auf den letzten Platz zu füllen versteht – o Mister Jesse Owens, gepriesen sei der Umstand, dass Sie das nicht mehr miterleben müssen – und – und das ist noch weitaus dramatischer – dass der bebra Verlag zu Berlin, allein dem Glücksfall geschuldet, dass er diesen Ausnahmeautor für sich entdeckt und verpflichtet hat, Rowohlt, Kiepenheuer und Witsch und Hinstorff nicht längst links überholt hat! Warum führen die Langustiers nicht die sogenannten Bestseller-Listen des Spiegel-Magazins an? Ich sag's Ihnen! Weil die überwältigende Mehrzahl des deutschen Volkes saudoof ist und seine Lebenszeit lieber bei Gottschalk, Jauch und DSDS vertrödelt. Es ist, wie wenn dieses Volk Urlaub in den Bergen macht: Solange eine Seilbahn sie in luftige Höhen gondelt, lassen sie es sich angelegen sein, auf einem Viertausender ein Selfie unter dem Gipfelkreuz zu schießen. Müssen sie's aber erkraxeln – dann scheidet sich die Spreu vom Weizen! Und – großer Gott – die Wolf'schen Preußenkrimis sind unbestreitbar Achttausender der Kriminalliteratur! Da hinauf führen weder Seilbahnen noch Sherpas. Das verlangt nach eigenem Grips, nach eigener Substanz! Und über die verfügen leider nur Wenige. Grips ist nun mal seltener unter der Sonne als Gold! Monsieur Langustier – es ist uns in der Seele leid, von Euch fürderhin weiter nichts mehr lesen zu können! Es ist eine gähnende, eine schwarze Leere, die sich vor uns auftut. Auch wir wissen, dass immer irgendwann der letzte Vorhang fällt. Aber wenn's dann so weit ist, dann wird der Abschiedsschmerz durch nichts gelindert. Wissen Sie, Monsieur Zweiter Hofküchenmeister Friedrichs des Größten: Den ostdeutschen Bildungsbürger erkannte man auf den ersten Blick daran, dass in seiner Bibliothek der „Bosch“ des Wilhelm Fraenger eine deutlich sichtbare Präsenz besaß. Den Nachwendedeutschen mit feinem Geist und weitem Bildungshorizont aber sollte man gleichsinnig daran ausmachen können, dass in seinem Bücherschrank mindestens die vollständige Sammlung von dreizehn Langustiers stünde. Monsieur Langustier, wir verabschieden uns von Euch mit den Worten Eures Dienstherren: Indeß der Menschheit
jämmerlich Geschlecht Lebt wohl, größter Detektiv Preußens! Gebe Gott, es wollten im Preußenlande noch Frauen und Männer Eures Geistes nachgeboren werden! Mit tief geschwenktem Dreispitz und unserem artigsten Kratzfuß erweist Euch die Reverenz – der Preußische Landbote! Dank für schönste Stunden geistreichster und gelehrsamer Unterhaltung! Valet und Adieu, Monsieur Langustier Le Grand! Ihr wart der formidabelste Import, den sich Preußen je aus den lieblichen Höhen des Elsaß geleistet hat - lieblicher als jeder Wein aus just dieser Region, die sich das Reich seit jeher mit seinen westfränkischen Vettern teilte. Tom Wolf |
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2012
26.09.2015