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"Die Alleinseglerin" J.-F. S. Lemarcou Der Charme der untergehenden DDR ist dem recht inhaltslosen und fade dahinplätschernden Film anzumerken. Eine junge, alleinerziehende Literaturwissenschaftlerin erbt von ihrem Vater ein Segelboot der "Drachen"-Klasse. Sie versucht, den Kahn aufzumöbeln um ihn verkaufen zu können. Darüber zerbricht eine vielversprechende Liebesbeziehung, ihre Doktorarbeit wird verrissen, sie hat's nicht leicht. Dennoch ist Zschoches Werk ein Dokument von historischer Bedeutung. Es spiegelt die Lebenswelt einer untergehenden Epoche, die einst mit einer großen Aufbruchstimmung in die Zukunft aufgebrochen war und zeichnet eine schon beinahe morbide Atmosphäre. Prophetisch ist daher beinahe die Schlussszene, während welcher der Drachen mitten auf der Müritz mit seinem schwertähnlichen Kiel auf eine Sandbank aufläuft und kentert. Was aber "Die Alleinseglerin" wirklich interessant macht, das sind seine despektierlichen Anspielungen, ganz diskret und versteckt, nur dem sozialisierten DDR-Bürger oder den ausgewiesenen Ost-Spezialisten erkennbar, die noch ein Jahrzehnt früher zum sicheren Verbot des Films geführt hätten. Da schaltet die Protagonistin beispielsweise ihren Fernsehapparat durch. Man zählt die Sender mit. Fünf! Der Bildschirm ist nicht zu sehen. Aber es ist klar, dass sich auch die drei Westprogramme angewählt haben muss. In der Anzeigenaufnahme einer Zeitung will ein junger Mann eine Kontaktanzeige aufgeben. Eine von ihm gewählte Abkürzung erklärt er mit seiner "gefestigten marxistisch-leninistischen Grundeinstellung". Die Angestellte gibt zu Bedenken, dass eine solche Formulierung den Kreis der Interessentinnen einschränke. Der Liebeshungrige setzt sich darauf hin noch einmal an einen Tisch und überarbeitet sein Elaborat. Der Vorgesetzte der Heldin, ein Professor, bricht zu einer Vortragsreihe auf – nicht etwa nach Moskau, nein, nach – London!!! Der Professor muss noch ein Problem klären, das die Ausstellung des Reisepasses seiner Frau betrifft. Sieh da – der Bonze war also ein privilegierter Reisekader! Und so geht das lustig weiter. Ob es die allgegenwärtige Mangelwirtschaft ist, welche die junge Frau lange und umsonst nach einer Bootsplane suchen lässt, ob es die vielen Anspielungen sind, mit denen Zschoche die scheinheiligen Versuche entlarvt, mit welcher die DDR für sich in Anspruch nahm, ein Land der gelebten Emanzipation und Gleichberechtigung der Frau zu sein, diese Momente machen diesen Film zu einem Zeitdokument erster Güte. Er ist es wert, gesehen zu werden, wenn man denn über die nötige Sensibilität und das erforderliche Hintergrundwissen verfügt, die informativen Feinheiten herauszufiltern. |
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2012
27.05.2015