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Kirchenkatze, Dom und Farben Eine Führung durch den Brandenburger Dom Kotofeij
K. Bajun Abb. 1 Da isse ... Um so wichtiger ist es, diesen Dom und seine unendlich vielen hintergründigen Geheimnisse den Jüngsten vertraut zu machen. Das ist mehr als nur ein wenig Christenlehre. Das ist Erziehung zur Heimatliebe und Verbundenheit zu den Leistungen der Alten. Derjenigen Menschen, auf deren Schultern wir stehen, deren harter Daseinskampf uns das Leben erst ermöglichte. Und ihrer tiefen Beziehung zu ihrem Gotteshaus, an dem sie viele Generationen lang arbeiteten, es umbauten, immer wieder verschönerten, mitunter auch verhunzten, dann wieder korrigierten … Der Reporter des Landboten, der sich einbildete, seinen Dom seit Jahrzehnten zu kennen, musste in Demut und Zerknirschung anerkennen, dass auch er noch vieles zu entdecken hat. Und das beginnt mit den Kirchenkatzen. Entschuldigend sei angemerkt, dass der Dom zur 2015er Bundesgartenschau in einem Maße restauriert wurde, wie das vorher nie der Fall gewesen war. Ob die Alten ihn wohl jemals in dieser atemberaubenden, schlichten, unverstellten Schönheit erleben durften? Nun ist dieser Dom noch immer ein tätiges Gotteshaus, ein Tempel des Herren, gleichwohl ihm, wie sich das für so eine ehrwürdige Kathedrale gehört, mehrere Wirtschaftsbetriebe, ein Museum, das älteste Archiv der Mark, Schulen und ein Kindergarten gehören. Nur der Bischof ist ihm – wie schon seit Jahrhunderten – abgängig. Nun aber zur Kirchenkatze! „Kirchenmäuse gibt es schon genug“, lächelt Dr. Freiherr von Schnurbein. Recht hat er: St. Marien zu Lübeck, der Dom zu Trier ... Nee, ist schon gut so! Der Brandenburger Dom St. Peter und Paul verfügt nämlich tatsächlich um einen ganzen Zoo – darunter auch drei, in Klammern zwei, Feliden. Zwei, weil der dritte auch ein Löwe sein kann, ein Leopard oder ein Ozelot. Wer weiß! Und wo findet man sie? Gewölberippen laufen in sogenannten Diensten im Mauerwerk aus. Diese Gewölbedienste wurden – ähnlich wie die Schlusssteine – oft dekorativ aufwändig gestaltet. Zwei dieser Dienste in den nördlichen und südlichen Seitenschiffen sind wohl anlässlich des gotischen Umbaus den Tieren gewidmet worden, die im ausgehenden Mittelalter zu den verleumdetsten gehörten – den Katzen! Eine davon im nördlichen Seitenschiff, an dem Pfeiler, welche die Altarinschrift von Bischof Bredow trägt. Sie putzt sich und ist von so einer immensen Lebendigkeit und Schönheit dargestellt, dass man den Hut ziehen möchte, hätte man ihn nicht bereits am Westportal abgenommen. Und so fand auch die bezaubernde altägyptische Göttin und Dame Basht, im Abendland Bastet genannt, durch ihre Kinder Einzug in das christliche Gotteshaus. Das freut das Herz. Diese Kirchenkatzen nun also sind die Schutzpatroninnen der kindgerechten Führungen. Sie standen im Januar 2016 unter dem Motto der liturgischen Farben. Demonstriert wurde das Ganze anhand der Antependien, der Tücher, die den jeweiligen Hauptaltar zieren.
Nun gut – so logisch klingt das alles nicht für uns nachgeborenes Heidenvolk. Aber was soll's! Da verleiht man beispielsweise dem Heiland und Gottessohn, unserem Rebben Jeshua, die Farbe Weiß. Ja, dachte man denn keinen Augenblick daran, dass der Rebbe als galiläischer Tischlergeselle ein noch ärmerer Mann gewesen war, als ein preußischer Chefredakteur? Was muss man einem solchen armen Menschen Waschpulverkosten in Größenordnungen zumuten, indem man ihn in den staubigen Gefilden des Gelobten Landes in Weiß kleidet? Das kommt uns unüberlegt vor! Und so dünkt uns, das Martyrium unseres Erlösers hätte nicht erst im Garten Gethsemane begonnen. Wir hätten ihm die Farbe Grün zugewiesen. Nein, nicht so ein dunkles, wie es die Rote Armee für ihre Militärfahrzeuge mit Ausnahme derer zuwies, die in Westberlin und Westdeutschland Patrouille fuhren. Die hatten ja so ein angenehmes Lindgrün. Doch vielleicht dachten sich die Christen nach Karl Martells Sieg in Poitiers und Urbans demagogischem Getöse, die Farbe Grün sei doch durch die Muselmänner hinreichend korrumpiert. Dadurch, dass sie dem Propheten, Allahs Segen ruhe auf ihm, gewidmet sei, wäre sie für den Rabbi verbrannt.
Desgleichen die Farbe Lila. Der Volksmund verhöhnt sie mit der Zuweisung, sie sei „der letzte Versuch“. Aber das ist Unsinn. Lila ist eine sehr schöne Farbe und wir verbinden sie nicht nur mit der Kaiserin von Indien, Frau Oberst Elisabeth Battenberg von Sachsen-Coburg-Gotha, alias Windsor, sondern auch und vor allen Dingen mit unseren Kaisern des Römischen und des Heiligen Römischen Reiches. Aber insbesondere unsere Frau Kaiserin Theophanu, das blitzgescheite Mädchen aus Konstantinopel, wird uns immer an die Farbe Lila erinnern. Sie, die Schwiegertochter unseres Herrn Kaisers Otto des Großen, hatte es besonders schwer, weil sie keine Purpurgeborene war. Aber sie setzte sich durch und wirkte so segensreich für das deutsche Land, dass wir, zu Besuch in der CCAA, nie einen Besuch in St. Pantaleon versäumen. Lila also, Violett oder Purpur – egal … das wäre vielleicht die passende Farbe für den Rebben gewesen – König der Welt, der er war und ist immerdar! Doch halt – in SEINEM Sinne wäre das nicht gewesen. Er wollte dienen, nicht herrschen. Nackt und erbärmlich hing er am Kreuze. Das macht ihn zum Pantokrator – nicht die kaiserliche Farbe. Aber sei es, wie es sei – die Christen haben ihre Farbensymbolik festgelegt, und zu einer unverzichtbaren Tradition in den Gauen des wilden Slawenlandes östlich von Mütterchen Elbe gehört die absolute religiöse Toleranz, solange sie allen und nicht nur einigen wenigen Menschen dient. Die drei Herren Lippold, Radeke und von Schnurbein leisteten eine hervorragende Arbeit und wer seinen Kindern eine umfassende Bildung mitgeben möchte, der ist gut beraten, die Brandenburger Kirchenkatze in die Angebotsliste aufzunehmen. Der Preußische Landbote bedankt sich sowohl bei den drei Vertretern seines Doms, als auch bei der ebenso schönen wie liebreizenden Frau A. aus dem Laden des Dommuseums, die so nett war, der ewig vom Bankrott bedrohten Gazette angelegentlich unseres Besuches zwei wundervolle Barock-Weinflöten aus böhmischem Waldglas zu verkaufen. Jetzt sind wir am Bettelstab, arm wie eine Kirchenkatze – aber glücklich! Merci Monsieurs, Merci Madame!
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© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2012
17.01.2016