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Piper, Käppner, Berthold Beitz Kotofeij K. Bajun Ist mir egal. Ich blättere bereits in meinem neuen „Beitz“. Mein anfänglicher Vergleich mit Kleppers epochalem und grandiosem Werk bestätigt sich nicht nur, während ich das sechshundert Seiten starke Buch überfliegend quer lese. Von Art, Gestalt und Umfang wirklich zum Verwechseln ähnlich. Aber erst die Art, die Schreibe, wenn man so will! Käppner ist ein respektabler Wurf gelungen: Er zeichnet das Leben eines Industriemagnaten. Zugegebenermaßen nicht gerade der Brüller im Ozean der seichten Lebensporträts aller möglichen Sternchen, Schlageraffen, Unterhaltungskasper und sonstiger „Prominenter“, die profilneurotisch der Ansicht sind, da man ihnen einmal irgend einen sinnfreien Preis andrehte, müssten sie sich nun über ihre oftmals mehr als nur belanglosen Viten auslassen. Berthold Beitz war von einem anderen Schlag. Er selbst hegte kein Interesse an einem Rummel um seine Person und Käppner mag sich zu Recht geadelt fühlen, dass es ihm gestattet war, den Weg dieses Großen zu beleuchten. Dass er gar Altbundeskanzler Helmut Schmidt, das Urmeter eines unverdächtigen Politkers, für sein Vorwort gewinnen konnte, bestätigt die hohe Anerkennung, die Autor und Sujet gleichermaßen genießen. Der immensen Verantwortung war sich Käppner spürbar bewusst. Es muss eine enorme Fleißarbeit gewesen sein. Aber Käppner war sich auch darüber im Klaren, dass er mit einer Industriellen-Biographie keinen Hund hinter dem Ofen hervor locken würde, wenn er es nicht zuwege brächte, sie mit einer besonderen Note zu würzen. Auch hier bewies das richtige Händchen. Sein Erzählstil fesselt ganz ungemein. Man nimmt das Buch zur Hand, wann immer sich die Gelegenheit bietet. Man schleppt es mit sich herum, wo man geht und steht. Wir lassen das Automobil in der Garage und fahren mit Omnibus und Reichsbahn – denn auf der Chaussee kommt man ja nicht zum Lesen. Es wäre schade um die ohne das Buch vertane Zeit, denn die Seiten fliegen nur so dahin! Man saugt regelrecht in sich hinein, was der Joachim Käppner da berichtet. Spannend – ja, fürwahr, das trifft es. Warum lesen denn die meisten Menschen Biographien erfolgreicher Leute, solcher, die im Mittelpunkt stehen oder sich dort zumindest gerne verorten würden? Weil sie partizipieren wollen, um jeden Preis und irgendwie! Weil sie häufig hoffen, zwischen den Zeilen das Geheimrezept zu finden, das sie ebenfalls in diese lichten und innig ersehnten Höhen trägt. Bei Käppners „Beitz“ verliefe sich eine solch alberne Motivation zur Gänze im Leeren. Das alter ego des Alfried Krupp war ein Liebling der Götter, wie der Deutsche Banker Hermann Josef Abs einst das Phänomen Beitz treffend beschrieb. Die Götter aber suchen sich die Ihren aus. Nein, wer Käppners Buch verschlingt, der sucht etwas anderes. Es mag die Neugier sein, wie einer der unauffälligsten und doch wirkungsmächtigsten Nachkriegsindustriellen dachte und handelte. Welche moralische Ansprüche leiteten einen Industriekapitän, der einem Superkonzern vorstand? Einer Stahldynastie, welche all zulange und keineswegs zu Unrecht auf der ganzen Welt mit Tod und Verderben, mit Versklavung und Ausbeutung in Verbindung gebracht wurde. Wie meisterte Beitz den Spagat, in eigener Person doch stets berechenbar, sozial und integer zu bleiben? Wie gelang es ihm, sich gegen den erbitterten Widerstand der altbackenen, ubiquitären Betonköpfe, die in Wandlitz und Essen gleichermaßen zuhause sind, durchzusetzen und dem Firmenimperium Krupp ein neues Antlitz zu verleihen? Das ist wirklich ganz großes Kino! Der Käppner
im Jahre 2011 verliehene Deutsche Wirtschaftsbuchpreis ist mehr als
verdient, denn der Autor setzt einen neuen Standard in Gestaltung und
Abfassung von Lebensbeschreibungen Großindustrieller. Nun gut,
da ist noch ein Aspekt, in dem sich Klepper und Käppner ebenfalls
auffällig ähneln: Beide haben ihre Protagonisten gründlich
weichgespült. Klepper hatte das vielleicht gar nicht mal so nötig.
Käppner aber ist doch Zum Beispiel ist es selbst für wertkonservative Preußen, wie uns, durchaus nicht verständlich, wie ein junger Taugenichts und Tagedieb, der in seinem Leben nie etwas anderes leistete, als Geld zu verschleudern und zu verschenken, das er nicht erarbeitet hatte, mit zwei Millionen Euro jährlich durchalimentiert werden kann. Und Philanthrop Beitz sagt dazu Ja und Amen? Ein Mann, der weiß, wie Armut schmeckt, winkt das durch, anstatt an dem Bürschlein, von dem er „Vater II “ genannt wird, mal gehörig väterliche Pflichten wahrzunehmen? Wie viele Menschen müssen in dem „sozialen“ Großkonzern Krupp für die Schmarotzer – nota bene nicht für die hart arbeitenden Führungseliten – auf einen erheblichen Teil ihres sauer erarbeiteten Einkommens verzichten? Das betrifft auch den Rest der Krupp‘schen Verwandtschaft, die ihr dubioses Anrecht auf enorme Summen bis auf den heutigen Tag einzig aus dem Stammbaum herleiten. Wie steht es damit, Herr Käppner? Dass sich Beitz sein Gehalt verdient hat, das sei nicht in Zweifel gezogen! Aber der Rest, Herr Käppner... sind hier wirklich Samthandschuhe angebracht? Ja doch, oft, allzu oft muss auch ein Joachim Käppner die Kröte schlucken: Im Kerngeschäft geht es um den Profit des Konzerns. Die nebenher erworbenen menschlichen Verdienste des Berthold Beitz sind unwidersprochen aller Ehren wert. Aber in letzter Konsequenz bekommt es den Stellenwert eines überdimensionierten Feigenblatts. Erst die Wirtschaft, dann die Flagge – das ist doch mal eine Aussage! Und der Leser spürt, wie erbittert der Autor um die Bewahrung seiner Objektivität ringt und sich eigentlich nicht scheuen möchte, den salzigen Finger in die blutige Wunde zu tunken. In der Zeugnissprache hieße das: Er hat sich aufrichtig bemüht... Aber ein paar paraphrasierende Alibi-Formulierungen reichen uns da nicht. Das ist alles eine Spur zu glatt! Und das macht stutzig. Das beunruhigt. Es ist ja so mit dem Vertrauen in eine Gesamtaussage: Wirft das irgendwo Falten, dann beginnen die kritischen Fragen. Von daher hätte der Suppe etwas mehr Salz und vielleicht auch eine Prise Roten Pfeffers ganz gut getan. Dennoch – geschmeckt hat uns das ganz vorzüglich, was uns Käppner und der Piper Verlag da kredenzten. „Und übrigens, Chef, bild‘ dir man ja nich ein, dass der Beitz in deinem Büro verschwindet. Den hat Piper an mich adressiert. Koof dir mal selber einen! Die zwanzig Euro wird dein knausriges Verlegerherz ja noch entbehren können. Lohnen tut es jedenfalls allemal!“ Joachim Käppner |
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2012
17.08.2013