Wasserwelten im Sorat
Birgit Fischer eröffnete Fotoausstellung
Birgit Fischer vor einer ihrer Fotografien
Kotofeij K. Bajun
„Auf dem Seerosenblatt der
Frosch. Doch was macht er – für ein Gesicht?“. Das
ist eines der berühmtesten Haikus des wohl genialsten aller Vertreter
der Kunst des japanischen Dreizeilers. Der unerreichte Kobayashi Issa
schrieb den Vers vor über zweihundert Jahren – und Birgit
Fischer fing das Bild dieses Gedichtes ein. Just diesen einen, besonderen
Augenblick, festgefroren in der Zeit. Und so steht der Betrachter der
jüngsten Ausstellung im Sorat-Hotel vor dem Antlitz der kleinen,
grünen Amphibie und darf der Aussage von Issa's Haiku nachsinnen.
War sich die Künstlerin bewusst, dass ihr der ganz seltene Wurf
gelang, ein Haiku von Weltruf zu visualisieren? Sicher nicht. Darauf
hat sie es gar nicht angelegt. Sie wollte die Schönheit ihrer Heimat
festhalten, betont sie. Vom Fotografieren hat sie eigenem Bekunden zufolge
keine Ahnung... Wer's glaubt! Nur ihre Nikon und ein gewöhnliches
Objektiv und sonst gar nichts, sagt sie. Na, na, na, Frau Fischer. Vielleicht
noch während der Motivsuche ein paar Verse aus den Merseburger
Zaubersprüchen gemurmelt? Sie verneint. Sie schwört:“
Habe ich nicht!“ Ob vielleicht gekreuzte Finger hinter ihrem Rücken
den Eid annullieren? Man sieht es nicht. Zu gedrängt, zu voll ist
die Vernissage, zu viele Leute drängen sich um die Sportikone,
Leute, die Birgit Fischers Bilder aus einer anderen Welt sehen wollen.
Aus einer anderen Welt? So hat es zumindest den Anschein. Frau Fischer
aber schwört wiederum: „...alles nur im Umkreis von wenigen
Meilen aufgenommen und abgelichtet!“ Havel, Beetzsee, Riewendsee.
Keine Bearbeitung, kein Photoshop, keine Nachbelichtung, keine Filter,
keine Weichzeichnung, nix, gar nix. Just darin liegt wohl das Genie
begründet, das weder um die eigene Genialität weiß,
noch von dieser etwas wissen will.
Da gibt es noch einen anderen Barden. Aus Köln stammt der und hat,
was Ostelbien betrifft, wenig Ahnung und dafür aber viele armselig
geistlose Vorurteile. „Brannnndennnbuuurg“, so röhrt
der Klischee behaftete Rheinländer, „Ich fühl' mich
so leer, ich fühl' mich Brandenburg. “ Ja – auf den
Punkt gebracht hat er's. Lässt sich nichts gegen sagen: Wer innerlich
leer ist, der hat auch kein Auge, keinen Sinn für diese schon unwirkliche
Schönheit. Der begreift nicht, dass dies eines der schönsten
Länder Deutschlands ist. Birgit Fischers Fotos liefern dafür
den ultimativen Beweis. „Was soll man auch machen mit 17, 18 in
Brandenburg?“ Die erfolgreichste Olympionikin aller Zeiten liefert
die Antwort: Man kann zum Beispiel die Augen auf machen, das Einmalige
entdecken, das sich jedem offenbart, der es sucht. Bilder aus der Traumzeit,
eingefangen von einer Sportlerin, die „keine Ahnung vom Fotografieren“
hat, pulverisieren die Hymne aller Intelligenzallergiker und Unästheten.
Sie singen das Hohe Lied auf eine Heimat, welche den Ihrigen Lebenskraft
verleiht wie einst die Erdmutter Gaia ihrem Sohn Antaios. Nur –
man muss wohl in dieser Heimat Wurzeln geschlagen haben und nicht irgendwo
auf der Durchreise zwischen Köln und Berlin stecken geblieben sein.
Wer sein Domizil mit einer dieser Lichtbild-Preziosen schmücken
möchte, kann mit Birgit Fischer ins Geschäft kommen. Von jedem
Motiv verkauft sie jedoch nur fünf Abzüge. „Das soll
nicht inflationieren“, sagt sie. Ein Hoffnungsschimmer immerhin:
Wenigstens in den Fragen der Ökonomie ist die „Laien-Fotografin“
nicht ganz unbeschlagen!