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Kein Erbarmen
Ken Follett sägt an den Nerven des Bildungsbürgers
"Die Säulen der Erde", "Die Tore der Welt" (Film)

Jules-Francois S. Lemarcou
Viel war nicht zu verstehen von dem, was an Wortfetzen aus dem Büro des Alten an unsere Ohren drang. Deutlich war nur das Gebrüll unseres Russen. Bajun kam dann auch mit hochrotem Kopf aus Fjølfrossens Officin gestürmt, drehte noch einmal auf dem Absatz um, riss die Tür des seine Pfeife schmauchenden Verlagsleiters auf und krakeelte in den Raum: "Follett? Folllletttt? FALLOTT heißt das! Und damit Basta!" Er ließ die Tür ins Schloss krachen, dass die Redaktion erzitterte, blitzte uns furchtbar über den Rand seiner Brille an und keuchte alliterierend: "Schnöder, schlampiger, schnulziger Schund – Scheiße!" Dann trollte er sich, wuchtig durch den Korridor stapfend.

Die Tür des Alten öffnete sich ein weiteres Mal, die qualmende Pfeife des Alten schob sich am Türblatt vorbei, gefolgt von seinem gutmütigen, ruhigen Vollmondgesicht. "Monsieur Lemarcou, komm'se doch mal längs, bitte!" Ich kam.

"Sie haben ja den Auftritt des Kulturchefs gerade erlebt. Zugegeben, es ist eine Herausforderung. Aber auch Sie sind gelernter Historiker und verstehen etwas von Kunst und Kultur. Wir haben uns noch nie zu den Paradewerken Ken Folletts geäußert. Trauen Sie sich ran? Eine Flasche Champagner aus Reims als Bonus!" Ich zögerte. Mir schwante, dass der Russe nicht von ungefähr ballistisch geworden war. Aber meine Väter kamen aus der Gascogne. Sie sollten sich meiner nicht schämen. Ich akzeptierte.

Acht DVDs später. Sie stammen aus einer Sammelbox, in der die beiden verfilmten Romane „Die Säulen der Erde“ und „Die Tore der Welt“ enthalten sind. Hätte es eine neunte DVD gegeben, ich hätte zugegeben, de Gaulle erschossen zu haben, nur um nicht noch mehr sehen zu müssen. Was auf diesen DVDs gezeigt wurde, ist tatsächlich an Grausamkeit nicht mehr zu überbieten. Es ist ja nicht so, dass sich diese Quälerei aus einer realitätsnahen Erzählung des historisch erforschten Mittelalters speist, in dem ja das Leben für die Allermeisten in der Tat eine Tortur war.

Nein, es ist die unerträgliche Art, einen kitschigen, süßlichen und verlogenen Plot derart zu inszenieren, dass es den alten Sandalen-, Mantel-und-Degen-Schinken Hollywoods der Fünfziger Jahre zur Ehre gereicht hätte. Die Handlung ist gähnend langweilig. Es ist das uralte, sattsam ausgelutschte und abgedroschene Lied: Gut gegen Böse, viel Mord, viel Sex, alles schön bunt, und selbst die Lumpen des Armen persilgewaschen, frisch aus der Konfektionsabteilung des medievalen Kaufhauses … ganz kurz vor Schluss siegen die Guten!

Es ist eine billige Seifenoper, unsagbar schlecht verpackt in eine Kulisse, in Kostüme, in Kommunikationsformen, die man für spätmittelalterlich halten soll, die aber nichts anderes sind, als eine billige Verbrämung neuzeitlicher Themata, verpackt in Bühnenaufbauten, die nicht wesentlich viel mehr hermachen, als die Albernheiten der US-amerikanischen Serie „Xena“. Auch der Inhalt dehnt sich nur kaugummiartig, jedoch nicht minder blödsinnig, dafür exponentiell um so länger und ermüdender, dahin. Soll das eine Saga sein? Ein Streifzug durch einige spannende Jahrzehnte der englischen Gotik ... Bildungsverweigerern mag dieser Impetus schlüssig vermittelt scheinen – den Kenner graust es! Da hatte die Serie „Die Melchiors“ aus den Anfangssiebzigern des letzten Jahrhunderts unvergleichlich viel mehr Format, Strahlkraft und Authentizität!

Natürlich haben menschliche Probleme, Motivationen und Handlungsweisen Ewigkeitscharakter. Dieser seit sechs bzw. acht Säkula vergangenen Epoche jedoch einen pseudomatriarchalen Unterbau zu attestieren, knallharte Emanzen über die Leinwand zu jagen, die ihren eierlosen Partnern modernste Sprachmetastasen „politischer Korrektheit“ abfordern – die sie zu allem Elend auch noch bekommen, statt historisch präzise paar auf's Maul, das ist zu harter Toback! Warum kommen eigentlich nach den vielfältigen Morden keine Büttel von Scotland Yard auf die Bühne, um die Tatorte nach Fingerabdrücken zu untersuchen und genetisches Material sicherzustellen., welches sie dann beim Alchimisten um die Ecke mit den in den umfangreichen Datenbanken hinterlegten Proben abgleichen lassen? Glauben Sie mir, derlei wäre nicht mehr aufgefallen!

Dagegen fallen Idiotien, wie die spätmittelalterlich-okzidentale Toleranz homophober Lebensentwürfe, die öffentliche Parteinahme für überwiesene Hexen und konvertierte Juden oder Langschiff-Bestuhlungen gotischer Kathedralen in der Zeit kurz nach ihrer Fertigstellung, schon kaum noch ins Gewicht!

Das Tragischste ist diese für kleine Kinder und adulte Anencephale gestrickte Charakterzeichnung der Protagonisten: Billiger geht’s nicht mehr! Die Bösen sind permanent und stetig zunehmend verdorben und fies, die Guten sind himmlisch lieb und voller Milde, die Gauner landen in den ersten neunzig Prozent der Filmzeit einen Coup nach dem anderen, muten ihren himmlischen Antagonisten Höllentrips zu, die nur noch von denen des Zuschauers übertroffen werden – Dualität des menschlichen Charakters ist was für Fortgeschrittene. Für so etwas hat man im Follett-Elaborat keinen Platz.

Wir wollen damit ja nicht behaupten, dass es derlei böse-gestörte Typen nicht gäbe. Konrad von Marburg und Heinrich Kramer bedienen dieses Klischee schon ganz proper. Aber diese nervige, sinnlos überzeichnete Schwarz-Weiß-Malerei ist ein einziger Kotau vor der Debilität der Massen. Auch bei Folletts Säulenheiligen statuieren sich ernste psychische Defekte, mit denen sie ihrer Umgebung gehörig auf den Senkel gehen. Das ließe sich mit einem Fläschchen Tillidin© noch verkraften. Bei Follett ist es jedoch diese aberwitzige Verdichtung von Extremen und der völlige Verzicht auf vermittelnde Zwischentöne, die das Spektakel so unerträglich machen.

Angesichts einer solchen Erzählweise würde es mutmaßlich sogar den Bastei-Lübbe-Verlag und Hedwig Courths-Maler schütteln. Hier wird Geschichte schlimmer verbogen, als das selbst ein Schwarzes Loch mit der Raumzeit anzustellen vermag. Der Russe Bajun, den eine Flasche Stolitschnaja nicht aus den Latschen hebt, weigerte sich mit dem Kampfesmut eines vom Tode Bedrohten, diesen Unfug zu kommentieren. Ich wünschte, ich hätte es ihm gleich getan, bevor ich diesen Schmonzetten Tür und Tor zu meinen Albträumen öffnete. Wenn es mir gegeben wäre, würde ich über Fallotts, Pardon, Folletts Historienromane die damnatio memoriae verhängen. Es wäre jedoch vergebens: Die 130 Millionen Schwachköpfe, die Follett auf den Olymp der Schriftstellerei gehoben haben, vergessen, wie Hitler die Welt in Brand gesteckt hat. Den bösen Prior Godwyn aber, und dessen notgeile Masturbation vor seiner angebeteten Cousine – den vergessen sie nie!

Und so will ich meinen Verriss mit einem inbrünstigen Gebet beenden: Herr, der Du Eisen wachsen ließest und diesen Volksverblödern die Möglichkeit gabst, das Volk noch mehr zu verblöden als es eh schon ist, lass Hirn regnen oder aber, wenn es denn gar nicht anders geht, einen großen Arsch vom Himmel kommen und den Laden – zuscheißen! Dein Schöngeist und frommer Knecht Jules-Francois ...

 
B
12. Volumen

© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2012

21.032.2016