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Rowohlt im Fonte
Geheimtipp des deutschen Kabarettisten-Pantheons ließ Tränen kullern


Harry Rowohlt

Kotofeij K. Bajun
Keine SPD initiierte Podiumsdiskussion „Projekt Zukunft“ ohne kulturellen Nachtisch: Und so bescherte die jüngste Veranstaltung dieser Art den Brandenburgern ein als Lesung getarntes kabarettistisches Highlight der Superlative: Harry Rowohlt kam, sah und siegte! Der Sohn des legendären Tucholsky-Verlegers – ...Mit den besten Grüßen Ihr(Riesenschnörkel) Ernst Rowohlt... – kam auf Einladung der SPD und des Brandenburger Kulturvereins und füllte Annik Rauhs „Fonte“ bis auf den letzten Platz. Der Einzige, der nicht lachte, war Rowohlt selbst. Der profilierte Übersetzer und Autor, dem einst der große Dieter Hallervorden die Offerte unterbreitete, das überragende komische Talent doch professionell einzusetzen, deklamierte, zitierte, schwadronierte mit unbewegter Miene. Man ist versucht zu sagen: bierernst. Doch der für seine Trinkfestigkeit bekannte Hamburger Jung' ließ sich im Gegensatz zu den früheren Lesungen, die er als „Schausaufen mit Betonung“ bezeichnete, Tafelwasser kredenzen. Nun wurde es eine beinahe dreieinhalb stündige „Betonung ohne Schausaufen“, während der er seiner Genialität in geschliffenem und stilsicherem Palaver freien Lauf lies. Sicher – die Veranstaltung enthielt vereinzelte Elemente einer Lesung. Doch Rowohlt wäre nicht er selbst, wenn er die seltenen Auszüge aus seinen und fremden Werken nicht permanent durch süffisante, skurrile und fein pointierte Anekdoten aus seinem Leben bereicherte. Dabei spielte er, die Intelligenz seines Auditoriums permanent prüfend, virtuos sämtliche noch so verstaubt geglaubten Register der deutschen Hochsprache. Das kam an – es waren wohl genau die Leute nach seinem Geschmack um ihn versammelt, auch wenn er die anwesenden Nichtraucher schon mal pauschal in die zweite Liga verbannte. Des ungeachtet liebte ihn auch sein nicht rauchendes Publikum bereits nach dem zweiten gesprochenen Wort und keine noch so holzhammerharte Grobheit an die Adresse seiner Hörerschaft gerichtet, tat dieser Liebe den geringsten Abbruch. Mit der verbrieften Narrenfreiheit begabt, scherte sich Rowohlt auch nicht im Geringsten um Konventionen oder Befindlichkeiten. Dabei ist der als verkappter Seebär maskierte Hamburger ein intellektueller, hochgebildeter und feinsinniger Geist, dem keine Schwäche seiner Umwelt entgeht. Wer vor seinen Augen nicht besteht, der dürfte zu den wenigen zählen, denen das Lachen in seiner Gegenwart ganz schnell vergeht. Um die Glaubwürdigkeit seiner Zitate zu erhöhen, entwickelt Rowohlt nämlich noch ein weiteres frappierendes Talent: Er ist ein Stimmenimitator der Spitzenklasse. Da sitzt auf einmal nicht mehr Rowohlt – da sitzt Reich-Ranicki, da sitzt Gerhard Schröder, da sitzt Dieter Hallervorden. Er kennt sie alle und sie – kennen ihn! Mancher von denen, die Rowohlt über Kimme und Korn anvisiert, wird den Wunsch in sein Nachtgebet einschließen, der Autor mit dem Hang zur beißenden Satire möge den bundesweit übertragenen Kabarettbühnen seine Präsenz auch weiterhin versagen. Doch im kleinen Kreise ist der umtriebige Literat hoffentlich noch lange zu erleben. Die Brandenburger allerdings haben es sich gründlich mit ihm vergeigt: Kam er doch zum ersten Mal in den 68 Jahren seines Lebens in die Chur- und Hauptstadt und plante, dies nach weiteren 68 Jahren zu wiederholen. Weil sich die sturen Havelstädter jedoch nicht von ihren Plätzen erhoben, als Rowohlt seine Hamburger A- und B-Hymne intonierte – auch ein Barde mit beachtlicher, herrlich versoffen-rauer Stimme ist der Dichter Rowohlt – knurrte der rachsüchtige Träger der Goldenen Ehrennadel des FC Sankt Pauli, das Wiedersehen im Jahre 2081 könnten sich die Brandenburger in die Haare schmieren! Na ja, ganz so hat er's nicht ausgedrückt – aber was soll's: Journalisten sind eh zu blöde zum korrekten und wortgetreuen Zitieren, nicht wahr, lieber Meister?

 
B
11. Volumen

© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2012

24.05.2012