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Bosch, Hieronymus Erzbischof Wichmann von Seeburg, Erzbischof von Magdeburg Friedrich der Große von Preußen Friedrich Wilhelm I. von Preußen Guenther, stud.med. Johann Christian |
Professor Iwan Iwanowitsch Schischkin
* 13. (25.) Januar 1832 Jelabuga an der Kama K. K. Bajun
In den frühen achtziger Jahren gelang es mir ausnahmsweise, eines "Sputniks" teilhaftig zu werden. Nein, nicht jenes legendären Prototypen der sowjetischen Satelliten, sondern des auf dem D.D.R.- Zeitungsmarkt so heiß begehrten kleinen Digests der sowjetischen Presse, das am ehesten seine Entsprechung im Readers Digest findet. Das nachfolgende Bild einer tief verschneiten Tanne hoch über dem Ural-Gebirge, die in der Winternacht ihren einsamen, letzten Grenzposten hoch über der endlosen Taiga hält, zierte als Aufmacher das Titelblatt des "Sputnik".
Auch den Titel sehe ich noch vor meinem geistigen Auge: Iwan Schischkin - er besang die Natur... Es sollte also über einen Maler berichtet werden. Einen Maler? Nicht über einen Photographen? Nein! Das war beim ersten Hinsehen klar. Das konnte keine Photographie leisten. Keine photographische Aufnahme kann je so beseelt sein, so atmen, so sprechen, wie diese Bilder. Das war etwas Einmaliges, Unerhörtes. Ein Genie mußte dahinterstecken! Eines, das den Pinsel zu führen wußte, wie keiner vor ihm. Als das Heft dann aufgeschlagen war und seine Schätze auf Hochglanzpapier preisgab, müssen sich bei mir maßloses Staunen und ungläubiges Gaffen die Hand gereicht haben. War ich schon dem Romantiker Caspar David Friedrich verfallen, der ja Natur so trefflich auf die Leinwand zu bannen verstand, daß man angesichts einer schönen Landschaft unwillkürlich sagte: "Die sieht ja aus, wie von Caspar David gemalt...", so wurde mir im gleichen Augenblick klar, daß hier eines Mannes Bilder zu sehen waren, der die Grenzen irdischer Kunstfertigkeit überwunden hatte. Hier begegnete ich dem Vivaldi der Malerei. Und wenn Gott, der Herr je Menschen verstattet hatte, seine Schöpfung in makelloser Schönheit darzustellen, so zählte Iwan Schischkin zweifelsohne zu jenem erlauchten Kreise, der Namen wie Johann Sebastian Bach, Antonio Vivaldi und Issa Kobayashi vereinigt. Dabei stammte dieses Genie aus einfachsten Verhältnissen. Aufgewachsen an den Ufern der Kama, einem gewaltigen, sich unter dem Ural nach Süden ziehenden Nebenfluß von Mütterchen Wolga, entdeckte Iwan schon früh seine große Neigung, die ihn umgebende landschaftliche Schönheit abzubilden. Sein enormes Talent fand entsprechende Förderung. Sein Vater Iwan Wassiljewitsch, ein nicht eben reicher, aber tüchtiger Kaufmann, war ein vielseitig interessierter und engagierter Mann - dem Neuen aufgeschlossen, am Alten nicht achtlos vorübergehend. Bedürfte es einer Korrektur des unsäglichen Klischees vom ewig betrunkenen, Weib und Kinder prügelnden und unkultivierten Russen - es wäre uns eine Ehre die Person dieses Jelabugaer Kaufmannes zitieren zu dürfen. Er förderte den hochbegabten Sohn, wie er immer nur konnte und ließ ihm ohne weiteres die Freiheit der Berufswahl. Nach einer gründlichen
Ausbildung an der Petersburger Akademie - er zählte später
zu den Begründern der Künstlergruppe der Peredwischniki* -
versäumte es Iwan Schischkin nicht, nach Deutschland zu reisen,
um seine Kunst zu erweitern und zu vervollkommnen. In der Nähe
von Düsseldorf malte er Landschaften, die so bestachen, daß
man ihn in die dortige Kunstakademie aufnahm. Es ist völlig unverständlich,
warum Herr Schischkin in unserem Lande so in Vergessenheit geriet, daß
man sich seiner erst in jüngsten Ausgaben der Großlexika
wieder erinnert.
Doch bald zog es ihn wieder mit aller Macht heim in die unendlich weiten Landschaften seiner russisch-tatarischen Heimat, in die verzauberten Kiefer- und Tannenwälder, die kahlen Ebenen über der Kama, die riesigen wogenden Getreidefelder, die murmelnden und dahinplätschernden Bäche. In Rußland ist sein Name keineswegs vergessen. Durch seine überragende Kunst, die Schönheit seiner Heimat zu verkünden, trug er maßgeblich an der Schaffung eines starken russischen Nationalbewußtseins bei und steht in diesem Verdienst großen Namen wie Ilja Repin, Peter Tschaikowskij, Leo Tolstoi, Fjodor Dostojewskij, Alexander Puschkin, Nikolaij Gogol und Sergeij Prokowjew in nichts nach. Nein, angesichts dieser Bilder möchte man ihm ohne weiteres eine exponierte Position in diesem Kreise hervorragender Künstler zugestehen. Seine unerreichte Detailtreue, dieses grandiose, ja virtuose Spiel mit Licht und Schatten, diese Brillanz, mit der Herr Schischkin seine Farben wählte und einsetzte, berauschen. Sie machen den Betrachter ganz ohne drei-D-Effekte oder Einsatz teurer Spezialkameras glauben, er sei ein Teil der dargestellten Szene. Riecht man nicht die würzig-harzige Luft, wenn man seine Kiefern in der Sonne betrachtet? Hört man nicht das Rauschen der Blätter in den Kronen der Eichen? Lastet auf dem Betrachter nicht die Sommerhitze, die den Schatten des einsamen Baumes am Wegesrand ersehnt? Insekten summen und brummen, Vögel singen uns aus den Bildern entgegen, sie mögen Teil des Gemäldes sein oder nicht. Denn wir werden, vom Anblick verzaubert, zu einem solchen. Wir stehen nicht länger in einem Museum. Herr Schischkin hätte mit dem Begriff "Beamen" nichts anzufangen gewußt. Und trotzdem beschleicht uns genau dieses Gefühl - in die Landschaft hinausge"beamt" worden zu sein. Machen Sie die Probe auf's Exempel! Besehen Sie sich die einsame, verschneite Tanne, hoch über dem nächtlichen Uralgebirge. Oder den verschneiten Wald! Na, fröstelt es Sie schon? Sehnsucht nach dem heimischen Kamin? Und trotzdem dieser Zauber, dieser endlose Zauber. Man sieht - und fühlt sich wohl! Die russische Erde hat einen Sohn geboren, der sie liebte. Einen großartigen Menschen, einfühlsamen Pädagogen und Lehrer und Künstler von Bach'schem Formate. Einen, den man in der unmittelbaren Nachfolge eines Albrecht Dürer sehen kann. Einen, den man nicht vergessen sollte, wenn von den schönsten Seiten des Lebens die Rede ist. *Peredwischniki - die Wandernden,
eine Künstlervereinigung, die sogenannte Wanderausstellungen etablierte,
um ihre Werke bekanntzumachen. Ihr gehörten namhafte Maler wie
zum Beispiel Herr Repin oder Herr Kramskoi an. Die Bilder sind den folgenden Publikationen entnommen: Irina Schuwalowa Sputnik -Spiegel der sowjetischen Presse
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P 1. Volumen |
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2003 |