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Dr. jur. Heinrich Heine
13. Dezember 1797 - 17. Februar 1856

Dr. jur. Heinrich Heine
Dr. jur. Heinrich Heine


B. St. Fjöllfross
Am 17.Februar 2006 jährt sich der Tag zum 150. Mal, an dem der überragende deutsche Dichter und Journalist Heinrich Heine nach langer und schwerer Krankheit diese Welt verlassen mußte.
Dieser Verlust hat in der langen Zeit, die seither verstrichen ist, nichts an seiner Tragik eingebüßt.
Wir, die wir uns als seine geistigen Enkel betrachten, nutzen diesen Tag, seiner mit einem ehrenden Artikel zu gedenken.

In einem Kulturbeitrag formulierte Herr Lemarcou die kühne These, daß wir die Ahnenreihe des Landboten zu diesem Giganten der deutschen Sprache getrost verlängern dürften – ihn gleichsam zu unserem Geistigen Großvater ernennen. Der Respekt vor diesem Manne läßt uns diese Ehre nur mit ehrfürchtigem Vorbehalt annehmen. Die Verpflichtung, die uns aus diesem „Enkel-Verhältnis“ erwächst, ist gewaltig. Ob wir uns also diesen Adel jemals werden realiter erarbeiten können, steht in den Sternen. Aber uns redlich placken auf diesem Wege, das werden wir – versprochen!
Herr Lemarcou argumentierte mit den bestechenden Parallelen, die zwischen unserem Geistigen Vater und dessen Vorbild Heine zu sehen sind. Ich zitiere:
„Das Studium und der Doktor der Jurisprudenz, die zeitweilige Arbeit in einem Bankhause, darin aber nicht alt geworden, die Herkunft aus dem bildungsbürgerlichen Judentume, die enthusiastische Liebe zu Paris und der lange Aufenthalt in der französischen Hauptstadt und – natürlich – die himmlische Virtuosität des Umgangs mit der deutschen Sprache. Das politische Engagement, die messerscharfe und vorschlaghammerschwere Polemik gegen alle die Dummdepperten – man möchte meinen, Tucholsky sei ein leiblicher Sohn des großen Dichters von Düsseldorf gewesen. Selbst die Nazis begriffen trotz ihrer attestierten Dummheit diese Verbindung und ließen beider Autoren Werke auf einem gemeinsamen Scheiterhaufen in Flammen aufgehen.“

Dabei fürchtet man Heine mancherorts in deutschen Landen noch heute wie die Schwarze Pest. Zwanzig Jahre währte beispielsweise der Streit um die Namensgebung der Düsseldorfer Universität, bis er endlich zu Gunsten dieses sicher größten Sohnes der Rheinstadt entschieden werden konnte. Ab 1980 war es dann endlich die Heinrich-Heine-Universität. Zwei Dezennien für eine Selbstverständlichkeit! Eine Affenschande! Die Pariser, die deutsche Namen an ihre Straßen eigentlich nur dann vergeben, wenn sie diese mit irgendeinem militärischen Sieg der französischen Truppen in Verbindung bringen können, taten sich beileibe nicht so schwer. Warum? War Heine ihre unfreiwillige Geheimwaffe, ihr höhnisches Lächeln über den würstefressenden und biersaufenden teutonischen Spießbürger, der schon immer das Haßbild des Mariannensohnes gewesen?
Nein, sicher nicht. So verbiestert sind die westfränkischen Vettern denn doch nicht.
Man geht dort nur anders um mit frechen Zeitgenossen, solange diese nicht ins Pöbeln geraten. Vor allem aber schätzt man den feinen, den spritzigen, den spitzbübischen Geist. Und just dieser war Heines Kompagnon ein Leben lang. Vielleicht ist es der Wein, der zu solcher Haltung animiert und das Bier, das uns stieselig werden läßt – wer weiß?
Daß aber jene, die unvorsichtig genug waren, Heinrich Heine ans Schienbein zu pinkeln, allen Grund hatten ihn zu fürchten, ja gar zu hassen, diesen Beweis blieb er uns nicht schuldig. Wer sich wie Graf Platen beispielsweise der unsagbaren und törichten Gemeinheit bediente, Heines Judentum gegen den Dichter zu instrumentalisieren, der fand sich stante pede mit einem locker aus der Drehung gespielten Rückhandslice konfrontiert, flach übers Netz gezogen, unhaltbar, beim besten Willen nicht zu retournieren – und konnte sich der arme Tor glücklich schätzen, von diesem Ball nicht wie von eines Jägers Kugel darniedergestreckt zu werden. Platen war am Boden. Sein pDrastisches (lies pehDehrastisches oder „päderastisches“) Verhalten stand im Gegensatz zu Heines Judentum in der Verantwortung Platens. Und das ließ Heine die Nation denn auch mit scharfer Zunge wissen. Es war eben kein Mut, sich plump und geistesfern mit diesem Titanen anzulegen – es war selbstzerstörerische Tumbheit.
Doch das ist es nicht hauptsächlich, was uns an unserem ewig jung gebliebenen Geistigen Großvater so maßlos fasziniert.
Es ist dieses Einmalige – dieses Gefühl im Bauch, wenn man seine Texte liest, dieses Nicht- davon- loskommen- Können. Wie es beschreiben und verstanden werden? Ja, das ist schwer. Aber dafür haben wir IHN ja! Lassen wir IHN doch selbst zu Worte kommen, wie er das Flüßchen Ilse in seiner „Harzreise“ beschreibt:
„…Je tiefer wir hinabstiegen, desto lieblicher rauschte das unterirdische Gewässer, nur hier und da, unter Gestein und Gestrippe, blickte es hervor und schien heimlich zu lauschen, ob es ans Licht treten dürfe, und endlich kam eine kleine Welle entschlossen hervorgesprungen. Nun zeigt sich die gewöhnliche Erscheinung: ein Kühner macht den Anfang, und der große Troß der Zagenden wird plötzlich, zu seinem eigenen Erstaunen, von Mut ergriffen und eilt, sich mit jenem ersten zu vereinigen.
Eine Menge anderer Quellen hüpften jetzt hastig aus ihrem Versteck, verbanden sich mit der zuerst hervorgesprungenen, und bald bildeten sie zusammen ein schon bedeutendes Bächlein, das in unzähligen Wasserfällen und in wunderlichen Windungen das Bergtal hinabrauscht. Das ist nun die Ilse, die liebliche, süße Ilse. Sie zieht sich durch das gesegnete Ilsetal, an dessen beiden Seiten sich die Berge allmählich höher erheben, und diese sind, bis zu ihrem Fuße, meistens mit Buchen, Eichen und gewöhnlichem Blattgesträuche bewachsen, nicht mehr mit Tannen und anderem Nadelholz… …Es ist unbeschreibbar, mit welcher Fröhlichkeit, Naivetät und Anmut die Ilse sich hinunterstürzt über die abenteuerlich gebildeten Felsstücke, die sich in ihrem Laufe findet, so daß das Wasser hier wild emporzischt oderschäumend überläuft, dort aus allerlei Steinspalten, wie aus tollen Gießkannen, in reinen Bögen sich ergießt und unten wieder über die kleinen Steine hintrippelt, wie ein munteres Mädchen. Ja, die Sage ist wahr, die Ilse ist eine Prinzessin, die lachend und blühend den Berg hinabläuft. Wie blinkt im Sonnenschein ihr weißes Schaumgewand! Wie flattern im Winde ihre silbernen Busenbänder! Wie funkeln und blitzen ihre Diamanten! Die hohen Buchen stehen dabei gleich ernsten Vätern, die verstohlen lächelnd dem Mutwillen des Kindes zusehen; die weißen Birken bewegen sich tantenhaft vergnügt und doch zugleich ängstlich über die gewagten Sprünge; der stolze Eichbaum schaut drein wie ein verdrießlicher Oheim, der das schöne Wetter bezahlen soll; die Vögelein in den Lüften jubeln ihren Beifall, die Blumen am Ufer flüstern zärtlich: O, nimm uns mit, nimm uns mit, lieb Schwesterchen! – aber das lustige Mädchen springt unaufhaltsam weiter, und plötzlich ergreift sie den träumenden Dichter, und es strömt auf mich herab ein Blumenregen von klingenden Strahlen und strahlenden Klängen, und die Sinne vergehen mir vor lauter Herrlichkeit, und ich höre nur noch die flötensüße Stimme…“* Ach was, lesen Sie doch bei IHM selbst weiter!
Genauso spielen seine Worte dahin… Oberflächlich? Seicht? Oh, da kennen Sie entweder die Ilse nicht, oder Heine, oder keinen von beiden. Da steckt hinter all dem Geplätscher eine ungeheure Kraft. Sie kann ein Mühlenrad treiben, oder die Mühle zu Tale reißen.
Hinter all den lustigen Reimen, die dahingehaucht –, den witzigen Wortspielen, die einer leicht dahinhüpfenden Feder entsprungen scheinen, steckt ein Geist, dessen Brillanz wie ein Achttausender die sanfte deutsche Hügelwelt überragt. Und Geist und Witz und Witz und Geist verschmelzen zu Einem, wie es die deutsche Sprache vor Jahrhunderten schon vorsah.
Es ist DAS Armutszeugnis der Deutschen schlechthin, daß dieser Landessohn sein Leben in Paris enden mußte. Und damit auch alle Welt begreife, zu welch aberwitziger Stumpfheit dieses Volk noch fähig sei, mußten seine Bücher während der dunkelsten Zeit öffentlich und lichterloh brennen.
Es gibt Anlaß zur Hoffnung, daß die Hohe Schule nun doch endlich Heinrich-Heine-Universität heißt. Den Muckern und reaktionären Idioten ist ein Zügel angelegt. Ein schmaler noch, ein dünner – zugegeben! Aber die Bekanntheit dieses Schriftstellers, der bis dato zu den meist übersetzten und in der Welt gelesenen deutschen Autoren zählt, wird wohl auch dem schwachsinnigsten deutschen Michel irgendwann einmal klar machen, daß er an Heine nicht vorbeikommt. Er mag sich drehen und wenden wie er will.
Das alte Sprichwort wurde an Heine wahr, daß der Prophet im eigenen Lande nichts gelte – nun gut (oder besser – nun schlecht!), Seine politische Weitsicht aber, seine Vorahnungen, waren treffsicherer und aussagekräftiger als jeder einzelne Vers des Michel Nostradamus. Die ungeahnte und weltzerstörende Gewalt, die hinter dem Fatum steckt, daß Michel von seinen europäischen Nachbarn über Jahrhunderte erfolgreich am Erwachsenwerden verhindert wurde, erschloß sich ihm in absoluter Klarheit. Er formulierte – kaum einer begriff.
Heine, der Freund Marxens und Engels’, der intime Kenner des kommunistischen Gedankenguts, konnte lange vor der ersten bolschewistischen Revolution die Richtung vorbestimmen, die auch jene verheerende Mure nehmen würde – getrieben von der ebenfalls Jahrhunderte lang verordneten Ausbeutung und Verblödung der Massen. Hätte man ihm zugehört, der Welt wäre milliardenfaches Elend erspart geblieben. Auch das eint ihn mit dem kleinen, dicken Berliner, der mit seiner Schreibmaschine eine Katastrophe aufzuhalten suchte**, die einzig dasteht in der deutschen Geschichte.
Es ist uns nicht gegeben, das Werk dieses Mannes fortzuführen. Einen Blumenstrauß können wir an seinem Denkmal niederlegen, seinen Namen wachhalten, seine Sache vertreten, so gut wir es vermögen. Das aber wollen wir mit Inbrunst tun.


* Aus Heinrich Heine, „Die Harzreise“, „Sämtliche Werke“, (10 Bände, Leipzig 1910-1915)
** Der Verfasser dieses Bonmots ist mir leider unbekannt. Hinweise nehmen wir gern entgegen und reagieren dann mit der Quellennennung sofort!

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© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2006