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Pfarrer Günther Hunold
*15. Dezember 1910 Tsingtao (China)
Priesterweihe 22. Dezember 1934 Fulda (Hessen)
† 01. April 1991 Erfurt (Thüringen)
Michael L. Hübner
Die katholische Kirche hat aus
ihrem Schoße viele unendlich wertvolle, großartige Menschen
hervorgebracht. Nicht alle hat der Pontifex Maximus zu Heiligen erklärt.
Und doch sind derer weitaus mehr, als der Vatikan es wahrhaben will.
Einer von diesen Menschen, von diesen wahrhaftigen Dienern des HERRN,
ein guter Christ und ein frommer Mann mit lauterem Herzen war der Pfarrer
Günther Hunold aus Erfurt.
Pfarrer Günther Hunold
Als an Heilig Abend des Jahres 1985 die Große Glocke des weltberühmten
Erfurter Domes, die Gloriosa, nach langer und aufwendiger Reparatur
wieder eingeläutet werden sollte, da fuhr ein junger Mann von 21
Jahren in seinem Trabant über einsame, winterliche Straßen
von der Stadt Brandenburg an der Havel nach Erfurt. Es war bitter kalt,
der junge Mann gab alles, fuhr durch den verlassenen Harz, jagte den
kleinen Wagen, was das Zeug hielt, um wie er meinte – pünktlich
um 18:00 Uhr auf dem Erfurter Domplatz zu stehen. Zu diesem Zeitpunkt
dachte er, müsse doch wohl angeläutet werden. Wurde es aber
nicht. Die Zeiger der Domuhr rutschten über die abendliche „Sechs“
hinaus, hinter den Fenstern Erfurts war wohl die allgemeine Bescherung
zugange, der Domplatz war menschenleer und der Mann stand enttäuscht
und gottverlassen im eisigen Wind.
Die DDR war nicht das Land, in dem man problemlos ein Hotelzimmer nehmen
konnte. Das war beinahe ein Ding der Unmöglichkeit. Zurück
nach Brandenburg? Das bedeutete mindestens dreieinhalb, wenn nicht vier
Stunden Fahrt durch Nacht und Kälte. Müde war er ohnedies
– er hatte einen anstrengenden Frühdienst hinter sich gebracht.
Also was nun?
Er sah sich hilflos um, als sich eiligen Schrittes ein wohlgekleideter,
älterer Herr in einem langen schwarzen Mantel von der südwestlichen
Ecke des Domplatzes her näherte. „Sie werden entschuldigen,
mein Herr, aber sagen sie doch, wissen sie, wann die Gloriosa angeläutet
wird?“ Der Herr, es war der Pfarrer Hunold, sagte freundlich lächelnd:
„Aber ja, um Mitternacht:“ Der junge Mensch wurde bleich:
„Mitternacht! Das ist ein Fiasko!“ „Ja, aber warum
denn das?“ Der Brandenburger erklärte es dem geistlichen
Herren, worauf dieser kurzentschlossen sagte: “Wissen Sie was,
ich habe noch eine Christmesse zu halten, in Dittersdorf, kommen Sie
doch mit, und danach sind Sie mein Gast. Die Glocke bekommen Sie heute
noch zu hören, versprochen!“ „Ich danke zutiefst für
das freundliche Angebot, aber ich kann Ihnen doch unmöglich zur
Last fallen, und schon gar nicht am Heiligen Abend!“ Der Pfarrer
lachte hell und freundlich auf: „Gerade am Heiligen Abend! Kommen
Sie, Sie sind mein „Christkind“! Kommen Sie nur!“
Und der junge Mann ging mit, und bekam ein Quartier in der Mainzerhofstraße
5, in der Pfarrerswohnung unterhalb und im Schutze des gewaltigen Domes.
Wie ist das doch gleich, liebe Kleriker: Was ein richtiger Heiliger
ist, der muß ein nachgewiesenes und bezeugtes Wunder gewirkt haben,
nicht wahr? Nun, hier stehe ich und bezeuge euch dieses Wunder. Dieser
Pfarrer nahm einen jungen, leichtsinnigen Mann auf, als er vor der Wahl
stand, zu erfrieren oder wegen absoluter Übermüdung einen
Unfall zu bauen und dann zu erfrieren.
Er beschied mir, denn ich war der Springinsfeld, die genaue Stelle,
an der man das beste akustische Klangerlebnis hatte, ich suchte und
fand sie, und die Glocke dröhnte zum Ende des Heiligen Abends mit
tiefen und doch so unendlich wohltuenden Tönen durch mich hindurch.
Zwei Tage war ich dann noch sein Gast. Mit einem Zettel von seiner Hand,
auf der die bedeutendsten Sehenswürdigkeiten verzeichnet waren,
und einem Stadtplan von Erfurt bewaffnet, zog ich dann am 1.Weihnachtsfeiertag
durch die bezaubernde thüringische Metropole und war am Ende dieses
Rundgangs verliebt. Verliebt in eine Stadt, die wie keine mir bekannte
sonst das gotische Mittelalter Deutschlands verkörperte, saugte
ich Arche und Krämerbrücke, Predigerkirche und Turniergasse,
den Dom und St. Severi in mich auf.
Doch das Beste an dieser Stadt war dieser einfache, bescheidene und
herzensgute Mann.
Viel ist mir aus seiner Biographie nicht überliefert. In Tsingtao
wurde er geboren, als Sohn eins deutschen Kolonialbeamten. In Fulda
wurde er zum Priester geweiht. Und in der für Christen harten Zeit
der frühen DDR leitete er ein Seelsorgehelferinnenseminar in Erfurt,
wurde Pfarrer an der Erfurter Kirche St. Josef und später in Erfurt-Melchendorf.
Was aber sagen diese spärlichen Daten über einen Menschen
aus? Wenig.
In seinen jüngeren Jahren soll er ein recht eckiger und manchmal
etwas sperriger Mensch gewesen sein. Gerüchte!
Ich habe ihn nur als einen sehr gütigen, rechtschaffenden und lehrenden
Menschen kennengelernt, einen der dezent und nur durch die Vorgabe des
eigenen Beispiels missionierte. Er wollte keine Christen um jeden Preis,
keine Kirchensteuerzahler, er wollte wenn, dann Menschen, die sich ganzen
Herzens zum Christus bekannten und seinem Weg zu folgen bereit waren.
Wenn ich mir Gedanken über das Bild eines Lehrers mache, so verwerfe
ich im allgemeinen das Klischee vom Schulpädagogen, der mit der
Kreide in der Hand ein Tafelbild entwirft und seine Schüler benotet.
Ein Lehrer, im klassischen Sinn des Wortes, ist ein Mensch, der etwas
weitergibt an die Nachfolgenden, etwas, was hängenbleibt, was einen
begleitet das ganze Laben lang!
Ein Lehrer ist der, dessen man sich noch Jahrzehnte später erinnert,
Tag für Tag, und dessen Lehren einem den eigenen Weg ausleuchten.
So ein Mann war der Pfarrer Günther Hunold.
Er lehrte wenig durch das, was er sprach. Er lehrte viel durch das,
was er war.
Als aufrechter Mann ging er einen geraden Weg durch sein Leben, als
aufrechter Mann sah er seinem Tod in die Augen, als dieser an ihn herantrat.
In seinem letzten Brief, der mich nach seinem Ableben erreichte, zitierte
er Ruth Schaumann: „Geburt ist Sterbens Anfang, Tod des Lebens
Aufgang, strahlendes Beginnen!“ Mit dieser Zuversicht legte er
sein Leben voller Vertrauen zurück in die Hände seines Schöpfers,
ohne Furcht den dunklen Pfad beschreitend, vor dem jede Kreatur Urangst
empfindet.
Seinem letzten Wunsche: „ Bitte schenkt mir ein Memento!“
soll diese Seite entsprechen.
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