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Johann Sebastian
Bach
Der Meister
21.März 1685 – 28.Julei
1750
Der
Meister
K. K. Bajun
Meister, wie soll man über
Dich schreiben? Wie Dir gerecht werden?
Die Juden, die frühen Christen und die Muselmänner hatten sich
ein Bilderverbot auferlegt, die Gottheit betreffend und ihre gesamte Schöpfung.
Weil sie es als Blasphemie empfanden, das Unbeschreibliche mit schwacher
menschlicher Hand beschreiben zu wollen. Dieser Gedankengang hat ’was
für sich: Denn die Feder wird schwer in der Hand, da sie sich einer
Leuchte der Menschheit nähern soll.
Und doch halte ich das Bilderverbot für verkehrt. Schischkin hat
es bewiesen – man kann, man darf, man muß sich ein Bild machen
– selbst von dem, was uns überirdisch anmutet. Es mag krumm
und schief werden, was soll’s? Das Bemühen zählt!
Überirdisch, das ist sie – Deine Musik. Sie zählt zum
Absoluten in dieser Welt, gerad so, wie die Deines grandiosen Kollegen
Vivaldi aus der Lagunenstadt Venedig, gerad so wie Spinozas Philosophie,
gerad so wie Issas Dichtkunst.
Auf die Frage Faustens, was die Welt im Inneren zusammenhält könnte
man rein physikalisch antworten: das Spiel unsichtbarer Kräfte. Oder
man könnte es auf den Punkt bringen: ein Takt Deiner Musik!
Irgendwo haben wir Dich und den Prete Rosso (Antonio Vivaldi) einmal die
Minister Gottes für abendländische Musik genannt. Ich glaube,
das trifft es. Mozart und Beethoven – das waren Genies; die Haydens,
Couperin und Rameau, die Scarlattis und Marchand waren Giganten, Mussorgskij
und Gounod, Satie und Respighi und viele andere waren große Meister
der Tonkunst. Aber ihr beide, ihr ward die Gralshüter der perfekten
Harmonie. Der makellosen Schönheit, des Höchsten, was Menschenhand
in der Musik zu leisten vermag.
Denn Du, Meister, hast es vermocht, das rätselhafteste Geschöpf
überhaupt mit Noten zu malen – die menschliche Seele vor ihrem
Gott! Der Vivaldi war der Einzige auf dem Erdenrund, der Dir das gleichtun
konnte. Niemand sonst!
1685 hat Dich der allmächtige Vater Israels der Welt geschenkt. Und
wie so viele seiner Gaben wurdest auch Du von vielen nicht entsprechend
erkannt und behandelt. Eher das Gegenteil: Angefangen bei dem dussligen
Herzog von Sachsen-Weimar, der Dein Brötchengeber war und Dich gar
wegen Renitenz in Arnstadt einbuchten ließ (1717). Doch von dem
wollen wir schweigen! Dieser Name verdient nicht, genannt zu werden. Dabei
hätte dieser Depp wissen müssen, wen er als seinen Domestiken
verkannt hatte: spätestens seit jenem legendären Duell zu Dresden,
bei dem Du als einziger und noch weitestgehend unbekannter Organist gegen
Louis Marchand auf der Orgel antreten wolltest. Es kam nicht dazu. Marchand
le Grand hatte Dich heimlich belauscht, während Du „übtest“
und sofort begriffen, wer ihm da die Stirn bot. Marchand le Grand verließ
am Abend vor dem Wettstreit heimlich und fluchtartig die sächsische
Hauptstadt. Keine Feigheit, sondern der Ausdruck höchster musikalischer
Professionalität, die ihn die Situation, die Offenbarung schlagartig
erkennen ließ. Es war ein ehrenvoller Rückzug vor der Stimme
Gottes. Demut am richtigen Platze. Stärke, die ihre Grenzen kannte.
(1717) Der Fürst von Anhalt-Köthen, der war der Einzige, der
Dich wirklich liebte, der Dich schätzte, der Dir alle Freiheiten
ließ, im Persönlichen wie im Beruf. Ach, hätte dieser
wahrhaft Adlige lebenslang Dein Mäzen bleiben können!
(1720) Die hanseatischen Pfeffersäcke würden sich schon gern
mit Dir als Kapellmeister geschmückt haben – aber zahlen solltest
Du’s ihnen! Zumindest eine pekuniäre Danksagung abstatten –
Du, der Bach?! Dann, ja dann wollten sie Dich schon fürstlich entlohnen.
Auch sie hätten Dir große musikalische Freiheiten gewährt,
wenn…. Wenn Du das Entree geblecht hättest. Du, der Bach! Die
armen Narren! Hätte es nicht eine Suite, eine Toccata et Fuga, ein
Präludium auf der Orgel sein können, was ihnen an Dankes Statt
zur Ehre gereicht hätte? Wo immer sie aufgeführt worden wäre,
wäre Hamburgs Namen in aller Munde gewesen. Noch Jahrhunderte später.
So, wie Du den Markgrafen von Brandenburg die Brandenburgischen Konzerte
dediziertest, wie Du dem Jan Adams Reinken das Volkslied aus seiner Heimat
variiertest. Wie Du dem Grafen Keyserlingk, respektive dessen Cembalisten
Goldberg einige Variationen schriebst, die ihm letzterer des Abends zu
Gehör bringen sollte, damit der Herr seine Einschlafprobleme überwände.
Aber Geld wollten sie! Geld, schnödes Geld! Immer nur Geld! Nur das
kannten sie. Und Deine Kunst sollte ihnen zur Unterhaltung dienen. Zu
nichts sonst.
Als sie mutmaßlich ihren enormen Fehler begriffen, war es zu spät.
Sie haben ihn bei Deinem Sohn Carl Phillip Emanuel versucht, wieder gutzumachen.
Aber Du, Du warst ihnen verloren. St. Katharinen zu Hamburg hätte
die glanzvollste Kirche der Christenheit werden können durch Deine
Musik!
So gingst Du nach Leipzig. Wurdest Thomaskantor. Verhalfst Durch Deine
Persönlichkeit dem Amte zu unsterblichen Würden. Aber die Leipziger
Ratsherren waren das Letzte, was Dir hätte passieren können.
Dieser Ausbund an Arroganz und Dummheit, diese Krämerseelen, die
sich für die personifizierte Unentbehrlichkeit hielten, weil sie
einer mitteldeutschen Messestadt präsidierten. Ihre Namen sind dem
Gedächtnis der Menschheit entschwunden. Zu recht. Und man hätte
sie absolut vergessen, wenn sie Dich nicht so erbärmlich kujoniert
hätten.
Vielleicht muß man auch ein wenig Verständnis aufbringen. Als
Du geboren wurdest, war das Große Morden gerade mal siebenunddreißig
Jahre vorbei. Nach nichts verlangte die Menschen so sehr, wie nach Ruhe
und Sicherheit. Durch wertkonservative Restriktionen schien man die Erinnerung
an die Exzesse der rechtlosen Zeit, der Anarchie, des Mordens und Brennens
verdrängen zu wollen. Neues, Weltliches, Experimentelles –
das alles roch nach Unruhe. Und davon hatten die Menschen des ausgehenden
Barock die Schnauze gestrichen voll! Und so waren sie mißtrauisch
gegen jedermann, der sich nicht bedingungslos in die Ordnung fügen
wollte.
Wolltest Du das? Was war Dir die Ordnung? Sie war Dir viel. Tiefgläubiger
Protestant, der Du warst, sahst Du in allem die göttliche Ordnung,
machtest sie zur Grundlage Deiner Musik – aber eben die göttliche!
Nicht die menschliche, die Ordnung der Mucker, der eitlen Fatzken, der
bornierten Recht- und Machthaber.
Daß der Gott, der Dir seine Stimme lieh, gleichzeitig Dich, seinen
frömmsten Knecht, der Gewalt dieser Canaille ausliefern konnte, das
gehört wohl zu Seiner Unergründlichkeit.
Gewiß, auch Dein Charakter wird als nicht sehr umgänglich,
ja geradezu polternd und jähzornig beschrieben. Aber ist das ein
Wunder? Wenn die menschlichen Ameisen mit nichts anderem befaßt
sind, als ein Genie wie das Deine permanent auszubremsen, Dich in sinnlose
Machtproben verwickeln, in kleinliches und unerquickliches Gezänk
– wer sollte da nicht irgendwann aus der Haut fahren! Und daß
Du kein ängstlicher Bönhase und ein hinterm Schreibpult verstecktes,
tintenklecksendes, fragiles Künstlernaturell warst, das mußten
schon die jungen Halunken – heute würden wir Rowdys sagen –
leidvoll erfahren, die Dir damals in Arnstadt mit Knüppeln auflauerten,
um sich auf ihre Weise bei Dir für den erteilten Musikunterricht
und die Chorstunden zu bedanken. Im Angesicht Deines blanken Degens ergriffen
die feigen Gesellen die wilde Flucht. Ja, zu wehren wußtest Du Dich,
frommer Christ hin oder her.
Aber auch solche Strauchdiebe gehörten zu Gottes Schöpfung.
Und konnte man Gott wirklich lieben, wenn man nicht seiner ganzen Schöpfung
zugetan war?
Du, Meister, liebtest, was da kreucht und fleucht. Du liebtest ohne Netz
und doppelten Boden. Und Du ertrugst alle Prüfungen Deines Gottes,
auch wenn Du meintest, unter ihnen zusammenbrechen zu müssen. Wieviele
Kinder nahm ER Dir, ehe sie groß wurden? Und das eine, der Älteste,
der Friedemann, der nach Dir der Größte Deines Namens hätte
werden können? Der Dein Genius in sich trug? Den nahm ER Dir auch.
Auf noch schlimmere Art. Friedemann verkam. Carl Philipp Emanuel und Johann
Christian waren fleißige Arbeiter und große Musici. Haben
viel und eifrig von Dir gelernt. Aber dieser Eine! Auf dem so viele Deiner
Hoffnungen ruhten. Bettelarm ist er in Berlin gestorben, der Friedemann.
Welch eine Tragödie! Zu einem Hiob hat er Dich gemacht, der Friedemann.
Maria Barbara, Dein erstes und geliebtes Weib hast Du müssen 1720
zu Grabe tragen. Doch diesem Deinem biblischen Vorbild bist Du auch in
Deiner unwandelbaren Liebe zu Gott treu geblieben.
Man braucht nur Deiner Musik hinterzulauschen! Denn Deine Musik ist ein
Gottesdienst. Auch wenn Du jetzt abwehrend die Hände heben würdest.
Es bedarf im Prinzip keines Rituals, keiner Predigt, keines Hokuspokus’
um die Gegenwart Gottes herbei zu beschwören.
Es bedarf eigentlich nur Deiner Musik!
Der begnadete Pianist Andras Schiff, sagte einmal: „Ein Tag ohne
Bach ist ein verlorener Tag!“ Dem bleibt nichts hinzuzufügen.
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