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Otto der Große
Herr Kaiser Otto I. aus dem Geschlecht
der Liudolfinger (re.) mit Frau Edith (Egditha von England)
Bild: Preußischer Landbote
K. K. Bajun
Magdeburg – Du wundervolle,
Du arme, gequälte Hauptstadt des Ostens. Du warst für die Gebiete
östlich der Elbe bis hoch ins ferne Preußen einst so etwas
wie für uns Heutige New York: Überragend, beeindruckend, quirlig,
lebendig. Der preußische Rebell Herkus Monte studierte in Deinen
Mauern, Otto von Guericke spottete des Horrors Vacui, Gundling legte seine
streitbaren Schriften auf die Kanzel von St. Katharinen.
Und Erzbischof Wichmann plante
und leitete von hier aus die Ostexpansion. Wir berichteten über diesen
Vater des Magdeburger Rechts und Chef der ostelbischen Kolonisation in
derselben Rubrik des Landboten.
Ein Erzbischof also…
Ein Erzbischof ist der geistliche Chef eines Erzbistums. Magdeburg war
ein Erzbistum. Einer muß es zu dieser hohen Ehre erhoben haben.
Ja, einer…
Einer liebte Dich ganz besonders. Er war der Erste unter den Deinen und
Dein Dom umgibt sein Grab mit seinen wuchtigen Mauern: Otto hieß
er und er war wahrhaft einer der ganz Großen der deutschen Geschichte.
Die Zeit, in die Otto am 23.11.912 zu Wallhausen bei Sangerhausen hineingeboren
wurde, war bretterhart, weiß Gott! Sie war ungleich härter,
als sie das für die Wallhausener heute ist. Deswegen werden die meisten
Bewohner dieses Dorfes beim Kyffhäuser kaum noch etwas über
den größten Mann wissen, den ihr Dorf je hervorbrachte. „Und
Du, Bethlehem Ephratha, die Du klein bist unter den Städten in Juda,
aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei…“ So orakelt
es der wortgewaltige Prophet Micha in Micha 5.1. an den Ohren der Wallhausener
vorbei – denn aus ihrem Nirgendwo kam der, der einer der unbestritten
Größten des Deutschen Reiches war, von Anfang bis Ende. Amen.
Sein Vater war der Erste Heinrich, der König der Sachsen, der im
klirrendkalten Winter 928/ 929 die mächtige Slawenfeste Brandenburg
berannte, und ihr und den Wenden des Ostens durch Hunger, Schwert und
Kälte den Rest gab. Die Mutter war die kluge und energische Mathilde,
die Nachfahrin des Widukind.
Otto selbst muß ein Bild von einem Manne gewesen sein. Groß,
stattlich, blond mit wallendem Haar, blauäugig, klug und mutig. Ein
Glücksfall für die Geschichte des Reiches, ach, was sag ich
– ein Sechser im Lotto. Sein Vater Heinrich wußte genau was
er tat, als er diesen Sohn, nicht den Erstgeborenen zu seinem Nachfolger
bestimmte.
Irgendwann hat mich mal jemand gefragt, wen ich besonders schätze.
Ich antwortete: “Kaiser Otto.“ „Ja, klar, immer muß
es ein Kaiser sein, Cäsar, Napoleon, Gähn…wie langweilig.“
Ich aber sagte: „Ein Dummkopf bist Du. Du hast keine Ahnung, von
wem ich rede. Ich spreche von einem Mann, der für einen Augenblick
ein Europäisches Großreich in seinen Händen ließ
und aus genialer politischer Vernunft und Weitsicht auf den Wahn so vieler
Cäsaren verzichtete. Ich spreche von einem Mann, der so grausam hätte
sein können wie der Lahme Timur, der aber selbst denen immer und
immer wieder in beinahe unendlicher Güte verzieh, die ihm sogar nach
dem Leben trachteten. Ich spreche von einem, der mit seiner Großherzigkeit
und seiner charakterlichen Festigkeit Feinde zu Verbündeten wandeln
konnte, der aber – wo das partout nicht angehen wollte – mit
eiserner Härte und Feldherren-Genie ein zahlenmäßig weit
überlegendes, grausames und für unbesiegbar gehaltenes Heer
so zusammendrosch, daß man von diesen nomadisierenden Strolchen
für tausend Jahre nichts anderes mehr hörte als Csardas und
Gulaschsuppe. Ich spreche von einem guten Menschen, der das Prädikat
„Heilig“ wahrscheinlich weitaus mehr verdient hätte,
als sein Bruder Erzbischof Brun von Köln.“
Otto war sicherlich kein Heiliger in dem Sinne, daß er sich gegen
jedermann fair und menschlich benommen hätte. Dazu waren die Zeiten
viel zu brutal. Ein solcher Mann hätte sich in der Liga, in der Otto
spielte, keinen Wimpernschlag halten können. Uns dauert zutiefst
die kleine Slawenprinzessin, man munkelt, Dragomira hätte sie geheißen,
der sich Otto aus politischen Gründen anverlobte. Als dann die Slawen
am Boden lagen und keine nennenswerte Macht mehr darstellten, wurde die
Verlobung oder gar Ehe aufgelöst und das Mädchen in ein Kloster
geschickt, wo es sein Leben fern der Heimat, fern seines alten Glaubens
beschließen mochte. Eine politische Schachfigur nur, die man vom
Brett entfernte wie ein Bauernopfer – denn eine dem König anverlobte
Braut durfte nach dieser Liaison niemand anderem mehr angehören,
nicht wahr?!
Für ihn, den Mann, galt das natürlich nicht. Er heiratete in
dem Jahr, das Dragomira überflüssig machte, Edith, Aethelstans
Tochter. Ihr schenkte er Magdeburg – seinen Lieblingssitz. Nach
Ediths Tod nahm es sich die blutjunge, knapp 19jährige Adelheid,
die er aus geopolitischen Erwägungen den Klauen Berengars entriß.
Ja, so ganz der ritterliche Haudrauf, der die Lanze senkt, sobald er eine
Dame um Hilfe schreien hört, war er denn doch nicht. Bei aller Herzensgüte
war er doch ein durch und durch politisch denkender Mensch. Nein, er war
mehr: er war ein politisches Genie.
Doch auch seine Hochherzigkeit kannte Grenzen: Ein von seinem Bruder Heinrich
mitinitiierter Mordanschlag auf den König endete für alle Beteiligten
außer Heinrich tödlich. Heinrich hatte zu diesem Zeitpunkt
nur das unverschämte Glück, beizeiten entwischen zu können.
Desungeachtet verzieh Otto ihm auch diesen Hochverrat, denn das war schon
der Zweite, und setzte ihn später zum bayerischen Herzog ein. Heinrich
war geläutert. So gewinnt man Herzen!
Otto war es, der das Genie und die Tatkraft seiner Schwiegertochter Theophanu
sofort erkannte, eines Mädchens von grandiosem Geist, einem poltischen
Ausnahmetalent, einer Frau,
Gefährtin und Mitkaiserin, wie sein Sohn keine bessere je hätte
haben können. Er liebte, förderte und schützte Theophanu
und ließ sie sich zu dem entwickeln, was sie später wurde,
die Stütze und Hoffnung des Reiches. Er nahm herben Krach mit Adelheid
in Kauf, die sich permanent gegen Theophanu stellte und sich nur an deren
Seite schlug, wenn es die Not und die Sorge um die Dynastie erforderte.
Otto war ein Jahrtausendpolitiker. Ein kraftvoller und energischer, weitsichtiger
und entschlusskräftiger Mann.
Großes hatte er geleistet, als er in seiner Pfalz Memleben am 7.Mai
973 für immer die Augen schloß. Groß nannte man ihn fortan.
Schon oft haben wir verkündet, die Heimat begänne für uns
an den Ufern der Elbe. Dort, wo durch die mächtigen Türme des
Magdeburger Doms dieses Ufer angekündigt wird, dort liegt einer der
menschlich und herrschaftlich größten Männer Europas begraben.
Auch wenn seine Politik den Grundstein dafür legte, daß die
Hälfte unserer Vorfahren die Herrschaft über ihr Land verloren
und nur noch Paria auf der ehemals eigenen Scholle waren – das ist
der Lauf der Geschichte – erkennen wir ihn als unseren Kaiser an,
dessen menschliches Vorbild noch immer in uns wirkt.
Die Blumen und Kränze auf seinem Sarkophag im Dom zu Magdeburg, die
sein Andenken weit über tausend Jahre nach seinem Tode noch immer
ehren, sprechen eine beredte Sprache.
„Unterschrift“ Kaiser
Ottos, der Kaiser zog den „Vollzugsstrich“ zwischen den beiden
„O“ s
Bild: Preußischer Landbote
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