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Baruch Spinoza
Philosoph
philosophischer Vater des Preußischen Landboten
24. November 1632 in Amsterdam
21. Februar 1677 in Scheveningen

K. K. Bajun
Ein verschlafenes Städtchen im polnischen Galizien des frühen achtzehnten Jahrhunderts: Einbruch und Mord erschüttern die verängstigten Bewohner. Ein Gespenst soll an den Verbrechen schuldig sein, munkelt man hinter vorgehaltener Hand. Doch ein Inspektor mit Dreispitz und Degen nimmt den Kampf gegen das metaphysische Wesen unerschrocken auf. "Ich habe Spinoza gelesen!" verkündet er im Brustton der Überzeugung. "Da ist kein Platz für Gespenster. Es geht alles ganz natürlich zu!" Und so jagt er den ominösen Geist mit den schwachen kriminalistischen Mitteln seiner Zeit, aber bewaffnet mit einem kristallklaren, unvernebelten Geist, geschult an den Werken dieses Mannes Spinoza.
Ende der siebziger Jahre des Zwanzigsten Jahrhunderts wurde der Film, der diese Geschichte zum Inhalt hatte, ausgestrahlt. Es war das erste Mal, daß ich mit dem Namen Baruch Spinozas in Berührung kam. Meine Neugier war geweckt. Wer war dieser Mann, dessen Name in ein von finsterem, mittelalterlichem Aberglauben beherrschtes Fleckchen am Ende der zivilisierten Welt drang und die wabernden Nebel der Gespensterfurcht wie ein scharf gebündelter Lichtstrahl zerriß? Was für ein heller, überragender Geist mochte hinter diesem Namen stecken?
Es machte wenig Mühe, selbst in der Größten DDR der ganzen Welt, deren Geschichte doch recht eigentlich erst mit Marx und Engels beginnen sollte, etwas über diesen holländischen Philosophen in Erfahrung zu bringen. Zählte er doch für die Marxisten zum philosophischen Urgestein. Sein ihn in den Augen der Kommunisten adelndes Verdienst war es, die alten philosophischen Feinde, die Volksverdummer und Spökenkieker, die das einfache Volk Jahrhunderte lang in abergläubischer Furcht und Abhängigkeit gehalten hatten, mit den wuchtigsten Hammerschlägen des menschlichen Verstandes attackiert zu haben. Mit unbestechlicher, mathematischer Präzision drosch Baruch Spinoza auf den herrschenden Monotheismus und damit auf dessen Vertreter ein. Als geringfügige Konzession an den zu seiner Zeit noch allmächtigen Gottesbegriff legte er genau dieses Schema auch seinen Betrachtungen zu Grunde. Darunter aber brodelte die Hölle des Aufruhrs! Vorbei war's mit Gottvater als liebende und allgütige, alttestamentarische Patriarchengestalt! Ich glaube auch, daß der Begriff "Pantheismus" auf das Denkgebäude Herrn Spinozas nicht anwendbar ist. Dieser Philosoph lehrte einen knallharten Materialismus, der sich an alles hielt, was da war – und kein Jota mehr.
Sie werden vielleicht einwenden: Ja, aber was ist denn dann mit den Radiowellen? Man sieht sie nicht, man fühlt sie nicht, keiner unserer Sinne ist dafür geschaffen, sie wahrzunehmen – und doch existieren sie und leisten uns sogar heutzutage unschätzbare Dienste.
Das ist keineswegs ein Ausschlußgrund. Herr Spinoza teilt die Welt sehr wohl in eine materielle und eine geistige Komponente ein, die keineswegs impliziert, daß in der materiellen Welt nur existieren dürfe, was die geistige zu erfassen in der Lage sei. "Aha, also sind doch Gespenster denkbar!" Nun, wenn man sie mathematisch-physikalisch und hieb- und stichfest nachweisen und ihre Existenz rational beschreiben kann, warum denn nicht? Aber bis es soweit ist, wollen wir uns doch mit den handfesten den augenscheinlichen Dingen des Lebens befassen, nicht wahr! Das ist die Quintessenz, für die wir Landboten Herrn Baruch Spinoza zu unserem philosophischen Vater erkoren haben. Denn er weist uns den Weg in dieses Leben und lehrt uns, mit den Tücken des Alltags und unserer Mitmenschen sachlich und nüchtern umzugehen, ohne daß uns Geister und überflüssige Phantastereien den Kram sinnloser Weise noch mehr erschweren. Wir brauchen kein Jenseits, und nicht die vergebliche Hoffnung darauf, um uns in dieser Welt anständig aufzuführen und unser einziges Leben zu genießen. Jene, die uns mit einer dergearteten Furcht zu erpressen suchen, wollen wir auslachen und auf ihre Märchenbücher donnern wir die Abhandlungen des Baruch Spinoza aus Amsterdam!
Der eingangs erwähnte Kommissar aus dem Galizischen brachte übrigens das einbrechende, stehlende und mordende "Gespenst" zur Strecke. Er hatte nur einen Degen und einen Dreispitz auf dem Kopf – aber das wichtigste trug er unter diesem schönen Hut: den freien, kristallklaren und brillanten Geist Baruch Spinozas! Eines Mannes der dem Begriff der Philosophie endlich die Ehre angedeihen ließ, die der Mutter der Wissenschaften zusteht. Einer Lichtgestalt der Philosophie, eines Aufklärers von überragendem Format.


Daten zu Herrn Spinozas Leben:
Am 24. November 1632 wurde die Leuchte der Philosophie in Amsterdam geboren.
Er wuchs in einer jüdischen Familie auf, die im Zuge der Judenvertreibung aus Portugal ins liberalere Holland geflüchtet war und begann eine kaufmännische Lehre im väterlichen Geschäft, das er mit vierundzwanzig Jahren verließ. Zeitgleich wurde er aus der jüdischen Gemeinde ’rausgeworfen, die wohl befürchten mußte, der unorthodoxen Tendenzen des junge Baruch wegen erneut mit der Gesellschaft in Konflikt zu geraten, die sie gerade eben, sie so vor den Verfolgungen der Inquisition schützend, aufgenommen hatte. Im Übrigen ging das philosophische Gedankengebäude Herrn Spinozas, das eine völlige Abkehr vom Gott der Juden bedeutete, den frommen Juden furchtbar gegen den Strich!
Seiner Verpflichtung zur geistigen Unabhängigkeit treu, lehnte er 1673 einen Ruf als ordentlicher Professor an die philosophische Fakultät der hochberühmten Universität Heidelberg ab. Der Mann hatte Charakter und ist auch in diesem Punkte ein Vater des Landboten zu nennen.
1661 zog er nach Rijnsburg bei Leiden und drei Jahre später nach Voorburg bei Den Haag. Am 21. Februar 1677 starb er in Scheveningen/Holland wahrscheinlich an Tuberkulose.

Empfehlungen:
Wir empfehlen unserer verehrten Leserschaft die Lektüre der „Ethik“ und des „Politisch-Theologischen Traktats“! Wenn man diese Werke auch nicht bis ins Letzte versteht, das ist keine Schande! Wessen Bücherregal sie aber zieren, der mag allein schon für einen kultivierten und gebildeten Zeitgenossen gelten.

P 1. Volumen

© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2003