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Bosch, Hieronymus Erzbischof Wichmann von Seeburg, Erzbischof von Magdeburg Friedrich der Große von Preußen Friedrich Wilhelm I. von Preußen Guenther, stud.med. Johann Christian |
Dr. med. Jeshua Nkone
- statt eines Lichtbilds- Michael L. Hübner, Havelsee. „Maikel – I am a coal black Negro – but you, you are a white rabbit! What you need else, is just a real pocket-watch! Ha ha ha ha ha …“ Dein Lachen, Dein unbeschreibliches Lachen, warmherzig, stakattierend, etwas kehlig, aber dieses weiche Timbre dahinter. Damit hast Du gleichermaßen deine kleinen Patienten um Deinen Finger gewickelt, wie deine schon etwas größeren Verehrerinnen in der abendlichen Studentendiskothek im Lichtenberger Wohnheim. Kannst Du Dich noch an die schwarzhaarige, schwarzäugige Feurige aus dem 1. Klinischen erinnern, die von den bei ihrem Anblick regelmäßig in Schnappatmung verfallenden Herren der Schöpfung nur nach ihrem imposantesten Textil „Netzstrumpfhose“ genannt wurde? Diese großmaschige Netzstrumpfhose – natürlich auch schwarz, stammte aus Westberlin – nein, nicht das Mädchen, das Textil – und ließ anwesende Damen blass vor Neid und anwesende Herren verträumt werden. Dieses Fräulein wusste, wer sie war und wer sie ansprach, fand sich alsbald bedrippt in irgendeiner Ecke des Tanzsaals wieder, sich frustriert am Henkel seines Bierglases festklammernd. Allein Dir gegenüber war sie aber so was von offen und zugewandt, warf ihr Köpfchen hin und her und setzte ihre Reize in Position, wie es immer nur angehen mochte. Die Perlschnur Deiner blendend weißen Zähne blinkte ihr freundlich zu – und das war’s. An Deiner Person konnte sie lernen, wie es ist, einen Korb zu bekommen. Die anderen Frauen tuschelten hämisch und begannen sich ihrerseits Hoffnungen zu machen – umsonst, umsonst. Noch in ihren feuchten Träumen wirst Du ihnen mit Deinem unnachahmlichen Tanzstil ein Stück vom Paradies beschert haben – aber in ihre Arme bekamen sie Dich nie. Denn Du warst integer. Deine Verlobte wartete auf Dich in Douala /Kamerun. Die liebtest Du, der warst Du treu. Für die hast Du jede Möglichkeit anbrennen lassen, die sich Dir bot. Viele abgewiesene Männchen hielten Dich für rundheraus bescheuert, weil sie nicht verstehen konnten, dass Du nicht – wie sie – mit den Gonaden, sondern mit dem Herzen und mit dem Kopf dachtest. Ich hielt Dich für das Gegenteil: für einen ausgesprochen klugen und ehrbaren Gentleman, einen Hauptgewinn für Deine Caroline. … so war doch ihr Name, oder? Ich hatte das Privileg von Dir lernen zu dürfen – menschlich und fachlich, und dieses Privileg war ein Gottesgeschenk. Denn aus Dir wurde das Urmeter eines Kinderarztes. Wir beide, Jeshua, Du und ich, mit dem Notarzt-Wartburg des Rettungsamtes in der Marienburger Straße über die sonntäglich – morgendliche Greifswalder Allee nach Osten unterwegs, hinaus ins Suburbium von Berlin, nach Stasi-Schönhausen, Marzipanien, Hellersdorf mit deren riesigen, seelenlosen Arbeiterschlafregalen aus Beton. Wir waren in etwa gleich alt – aber da Du auf Armee und drei Jahre Berufspraktikum verzichten konntest, warst Du im Gegensatz zu mir, der ich das Physikum noch vor mir hatte, schon beinahe fertig. Auch Du durftest damals schon an Deiner Dissertation basteln und dass Du ein Kinderarzt werden würdest, das stand bereits fest. Die Allee gehörte uns. Ab und an passierten wir einen der Verkehrsposten, welche Tag und Nacht abgestellt waren, um die Protokollstrecke Wandlitz – Regierungssitz freizusperren, wenn es dem Genossen Honecker oder einem anderen Politbüro-Mitglied einfallen sollte, diesen Arbeitsweg zu benutzen. Es fiel ihnen nicht ein. Gustav-Adolf-Straße in Weißensee, der Wartburg sauste unter den Kronen sich herbstlich verfärbender Baumriesen dahin, welche den Rand des benachbarten Friedhofs überschatteten. Ein warmer Morgen und Du erzähltest mir von der Oma und ihrem kleinen Kral in der Nähe Doualas, am Rande des Dschungels in der Nähe des Ufers des Dibamba. Du lächeltest, wenn wir auf der Weidendammer Brücke am Bahnhof Friedrichstraße standen oder mit unseren Bierhumpen an der Kaimauer vor dem „Trichter“ über das Bächlein Spree da unten: Der Dibamba war bei Douala bereits einen halben Kilometer breit. Das waren andere Dimensionen. Du erzähltest, wie Du mit der Oma in den Wald gegangen bist und dass ihr euch einen Affen zum Mittag gefangen habt – trotz ihres Alters sei die Oma darin sehr geschickt gewesen, so wie auch in der Zubereitung des Tieres. Du erzähltest, wie die Oma auf ihre Weise ein so immenses Wissen über die Heilkunde angesammelt hatte, wie Du es niemals zu erlangen hofftest und die Oma nicht verstand, wozu Du das an einer fernen, ausländischen Universität erlernen willst, was du doch auch von ihr lernen könntest. Geträumt hattest Du von der Universität Pretoria – aber die Apartheid-Leute dort unter Botha haben dir was gehustet. Johannesburg hätte wohl zugesagt, aber woher $ 40.000 pro Jahr Semestergebühren nehmen – oder das Äquivalent in Krüger Rand? Leben musste man auch irgendwie. Zudem war Johannesburg ein gefährliches Pflaster, von dem ein Bonmot sagte, dass der übelste Rassismus dort nicht einmal von den Weißen ausginge. Auch in Yaounde wuchsen keine Bäume in den Himmel, bis Du durch Zufall von diesem Programm hörtest, dass die DDR ausländische Studenten akzeptiere. Du hast Dich beworben – und sie nahmen Dich. Warum auch nicht? Du warst ein exzellenter Schüler. Ein Jahr kamst Du nach Leipzig zur Sprachvorbereitung: „Maikel, do you know, where I have seen my first Elephant??? In Leipzig Zoo, Maikel, in Leipzig Zoo! And what a giant trunk he had! It was so fascinating!“ Jeshua, Busenfreund, was gäbe ich darum, Dich noch einmal sprechen zu hören! Ich weiß, es muss da noch diese Minikassette geben, so eine für Anrufbeantworter des vordigitalen Zeitalters, auf den Du mir sprachst, als Du wieder in Deiner Heimat warst und eine Stelle an einem Hospital in Douala gefunden hattest. Ich wollte immer auf sie aufpassen – aber dreimal umgezogen, ist wie einmal abgebrannt. Wenn es etwas gibt, was dem Aastpreißischen Konkurrenz machen kann, dann war das Dein English! … Dein so wundervoll gerolltes „r“ … Französisch sprachst Du perfekt. Ich musste Dir immer etwas Plattdeutsch beibringen – das faszinierte Dich und wenn wir bei Deinen kleinen Patienten in den Plattenbunkern von Stasi-Schönhausen waren, dann lächeltest Du manchmal zu mir rüber und sagtest leise: „Maikel, poschaluysta otkrywaij okno njemnogo ! … Buylo prawil’no?“ Ich nickte, öffnete das Fenster und freute mich – Du hattest ein Fabel für Sprachen und weil ich so von Mütterchen Russland schwärmte und von Moskau und der Moskwa, die am Kreml zwar breit, aber nicht mal ein Sechstel so breit vorbeizieht, wie Dein geliebter Dibamba – da wolltest Du von mir auch die russische Zunge lernen. Ihren Klang fandest Du bezaubernd, aber die slawischen Zischlaute bereiteten Dir doch erhebliche Probleme. Die Eltern, die neben Deinen kleinen Patienten standen, wunderten sich, nahmen mich manchmal beiseite und fragten mich, ob „der Neger ein Russe“ wäre. Ich aber sagte ihnen voller Stolz: „Herr Dr. Nkone ist ein universell gebildeter Gentleman, der keine Gelegenheit ausließe, sich weiterzubilden und gerade in diesem Augenblick sei er die Hoffnung und die Rettung ihres Kindes. Das sollte dann auch ihre Hoffnung und Rettung sein, wobei es ihnen bei nüchterner Überlegung scheißegal sein sollte, woher er gebürtig sei.“ Dann schwiegen die meisten betreten – in den Stasi-Haushalten beeilte sich die Frau, zwei Gedecke auf den Tisch der guten Stube zu stellen, die wir ablehnen mussten, weil noch mehr kleine Kinder auf den Onkel Doktor warteten. Bei Prolls hingegen wurde von den Jogginghosenträgern aus Verlegenheit eine Fluppe angezündet, die von Jeshua – und dort sah man ihn wirklich einmal resolut bis wütend – aus den Mündern der Mütter oder Väter gerissen und mit einem Schnipps zum Fenster hinaus expediert wurde: „Ihr Kind krügt kaine Luft und Sie rauchen hür? Sünd Sü verrückt geworden? Sehe üsch das nochmal, nähme üsch das Kind mit, verrrrlassen Sü süsch darauf!“ Die meisten waren zu verdattert, um zu widersprechen. Alles, was recht ist, mein Freund: Auch Autorität lag Dir im Blute. Das Wunder, dessen ich wieder und wieder teilhaftig wurde, fand jedoch regelmäßig statt, wenn wir gemeinsam das Kinderzimmer betraten. Da lagen sie, die armen kleinen Gestalten, röchelnd und um Luft kämpfend – Pseudokrupp. Die ungefilterten Abgase der nahegelegenen, riesigen Heizkraftwerke, die Abgase aus ungezählten Trabant-, Wartburg-, Škoda und Lada-Auspüffen, W 50 und Barkas und was nicht noch alles – das machte ihren kleinen Lungen schwer zu schaffen. Dann betrat ein riesiger weißer Rückenschlusskittel das Zimmer, und unter den Locken des sich aufrichtenden Kopfes schälte sich ein kohlrabenschwarzes Gesicht hervor. Erst wollten sie vor Angst aufschreien, wähnend, der Teufel sei gekommen sie zu holen. Das war der Moment, in dem ich meine MDN 15,- - Taschenzwiebel von Ruhla – ging nach wie vor – aus meiner Kitteltasche ziehen und die Zeit nehmen konnte. Denn exakt fünf Minuten später waren diese Kinder bereit, ihre eigenen Eltern zu verkaufen, wenn nur der Onkel Doktor noch bei ihnen bliebe. Wenn jemand in der Lage ist, Herzensbildung besser zu beschreiben, der tue das! Dr. Jeshua Nkone weckte in seinen kleinen Kindern mutmaßlich die Überzeugung, dass ein Engel Gottes schwarz sein müsse. Wenn nun aber diese Kinder nicht nur von ihrem damaligen Leiden Linderung erfuhren, sondern darüber hinaus allein durch die Gegenwart dieses einen Mannes eine Grundvaccinierung gegen das Übel des Rassismus erhielten – dann allein hat dieser großartige Kinderarzt viel geleistet. Er beschämte die Universität Pretoria, die sich aus bodenloser Dummheit heraus dieser menschlichen Koryphäe begab. Aber das war ihm nicht wichtig. Zum Abschied –
am Ende unseres letzten gemeinsamen Kindernotdienstes in Köpenick,
ich meine, es muss Ostern 1990 gewesen sein und wir schlossen den Stützpunkt
ein für alle Mal zu, da sagte er mir: „Maikel, my Grandma
even told me: ‚The one who betrays you is sitting next to you
by the fire! - never forget this, promise me!“ Ich sah ihm in
die Augen: „Aber ich verrate Dich nicht, mein Freund – niemals!“.
„I know, my brother!“ Deine Haut war so dunkel wie eine Bleistiftmine - aber wo Deine Füße standen, da war es hell. … weil es aus Deiner Seele heraus leuchtete, weil Du ein Stern unter den Menschen warst. Ich habe Dich geliebt, wie ein Bruder nur einen Bruder lieben kann – und ich denke, dass auch ich eine kleine Ecke in Deinem Herzen beanspruchen durfte – das verriet mir unser gemeinsames Lachen. Man mag sich fragen, Herzbruder Jeshua Nkone, warum ich heute erst, nach dreiunddreißig Jahren, diesen Aufsatz schreibe. Nun, unser kleiner Wolfi – der einer Deiner kleinen Patienten sein könnte, hatte in den letzten paar Tagen brutal mit einem Virusinfekt zu kämpfen. Das volle Programm, hohes Fieber, die Lunge gibt Töne von sich, die man eher bei einem wütenden Gorilla vermutet. Ich mache alles, was ich von Dir gelernt habe – und es ist alles richtig. Der Junge ist nach wenigen Tagen wieder mopsfidel und Du hast einen Ehrenplatz in meiner Lehrer-Ahnengalerie verdient: Neben Imhotep, Paracelsus, Ibn Sina, Prof. Staudt und Prof. Elling – Jeshua Nkone. Aber ich habe kein Bild von Dir, hatte nie eines. Wer hatte denn damals schon einen Fotoapparat? Ich glaube Du – eine kleine Smena SL, gekauft für den Leipziger Zoo. Haben wir mal ein gemeinsames Bild geschossen? Damals im Studentenwohnheim? Ich weiß nicht mehr. Aber wenn – dann habe ich dieses Bild nie zu Gesicht bekommen. Dieser Aufsatz soll mir Dein Bild ersetzen, so gut es geht. Es soll die Erinnerung an Dich wachhalten, solange es den Preußischen Landboten gibt. Und danach? Danach komme was will. Für mich warst Du wichtig und sicher für eine Reihe anderer Leute auch – vor allem für die vielen Kinder, denen Du helfen konntest mit Deinem großen Fachwissen und Deinem noch größeren Herzen. Gäbe es mehr Menschen wie Dich, Dr. Jeshua Nkone – die Welt wäre ein angenehmerer Ort zum Leben. Wo Du abgeblieben bist, weiß ich nicht. Meine Suche nach Dir bleib auch mit den heutigen Optionen erfolglos. Ich weiß nicht, ob Du noch lebst, wie es Dir geht, ob Du Dich meiner noch entsinnen kannst. Man hat sicherlich andere Sorgen in Douala. Bevor wir unsere Hände losließen, sagtest Du noch: „Maikel, come over, whenever you want. I’ll lit a fire for you in my cabin day and night. Now the wall is smashed down, you can visit me an' I’ll show you the dshungle and Dibamba-river.“ Und dann, später, riefst Du an – ein einziges Mal, und ich war gerade einkaufen in der Kaufhalle am Rosenfelder Ring, und als ich nach Hause kam, hörte ich das Band ab und Deinen wunderbaren Dialekt. Aber es war keine Rückrufnummer auf dem Band hinterlassen und einen Speicher kannten die damaligen Telefone noch nicht. Ich hätte Dich gerne nach Deiner Adresse gefragt. Ich war sehr traurig. Das Sprichwort: „Ihr Weißen habt die Uhren, wir haben die Zeit“ kanntest Du nicht – mit preußischer Pünktlichkeit war Dir sowieso nicht zu kommen, mit Ausnahme der Einnahme von Antibiotika oder ähnlichen medizinischen Versorgungs- und Therapieleistungen. Nun hast Du meine Uhr – aber die Zeit rinnt mir dennoch zwischen den Fingern dahin. Es mochte ein Zufall gewesen sein - aber nachdem Du fort warst, begann sich langsam, ganz langsam und immer schlimmer die Dunkelheit über Evelyn und mich herabzusenken. Du hattest Evelyn sehr gemocht - und sie Dich. Ihre Seele litt oft Höllenqualen - aber allein Deine Gegenwart konnte sie jedesmal wieder in das Reich der Lebenden zurückholen. Dein Lachen, Deine Fröhlichkeit, Dein Charme, Deine Albernheit, Deine Unbeschwertheit dem Leben gegenüber ... vielleicht hätte sie bei Dir überlebt. Ja, sie liebte Dich auch. Deine Rede lautete
oft im Scherz: „Maikel, we meet us, when the antelopes will head
for drinkin’ down to the shores of Dibamba.“ Mittlerweile
werden sie wohl den halben Fluss ausgesoffen haben – aber in meinen
Gedanken – mein Freund und Bruder, Du Gentleman Kameruns, Du brillanter
Kinderarzt, in Gedanken treffe ich Dich jeden Tag, den Gott werden lässt.
Und das wird so sein, bis ich die Augen für immer schließe
– denn ich verdanke Dir viel! |
P 1. Volumen |
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2006 15.03.2024 |