zurück
zur Stammseite "Persönlichkeiten"
Bach,
Johann Sebastian
Bosch, Hieronymus
Claudius.
Matthias
Dreckbeen
Erzbischof
Wichmann von Seeburg, Erzbischof von Magdeburg
Eulenspiegel,
Till
Friedrich
der Große von Preußen
Friedrich
Wilhelm I. von Preußen
Guenther,
stud.med. Johann Christian
Gundling,
Jacob Paul Freiherr von
Heine,
Heinrich Dr. jur.
Hunold,
Pfarrer Günther
Issa,
Kobayashi Yataro
Iwan der Schreckliche
Katzentraum, Sabine
Kisch, Egon Erwin
Last,
Jens Peter, Arzt
Lichtenberg,
Georg Christoph
Mazarin,
Jules
Müntzer, Thomas
Nkone, Dr. med. Jeshua
Otto
der Große
Panizza,
Dr. Oskar
Peter der Große
Prophet, Ekkehard
Rattchen
Schischkin
Iwan
Spinoza,
Baruch
Sprogøe,
Ove
Tucholsky,
Kurt
Villon,
Francois
Vivaldi,
Antonio
|
Ekkehard Prophet
Michael L. Hübner
Vor sechs Jahren brachte der Arbeitskreis
Stadtgeschichte der Stadt Brandenburg an der Havel eine Schrift heraus,
die den Titel „45 namhafte Brandenburger“ trug. Vielleicht
hätten es Sechsundvierzig sein sollen. Einer hätte nämlich
seinen Platz in dieser Broschüre mit Sicherheit ebenfalls gerechtfertigt:
der ehemalige Generalintendant des Brandenburger Theaters Ekkehard Prophet.
Im Jahre 1938 auf Deutschlands größter Insel Rügen geboren,
wuchs Ekkehard Prophet als sechstes von sieben Kindern eines protestantischen
Pfarrershaushaltes auf, an dem Luther seine helle Freude gehabt hätte.
Zwei Jahre vorher erst war der hochgebildete, humanistische, belesene,
kultivierte und vielsprachige Gemeindepfarrer Prophet mit seiner Familie
aus Brasilien zurückgekehrt, wo er eine deutsche Mission betreut
hatte.
Wenn Prophet seine Kindheit im Pfarrhaus zu Samtens beschreibt, dann
leuchten seine wasserblauen Augen, in denen sich seine Ostsee bei schönem
Wetter zu spiegeln scheint. Den Kindern des Pfarrers wurde keine Bildung
übergeholfen, sie wuchsen mit ihr auf, sie wuchsen in sie hinein.
Da wurde gelesen, gesungen und rezitiert, was das Zeug hielt. Man hatte
Spaß daran, man vertrödelte die Zeit nicht vor einer Glotze,
man „hing nicht ab“. Der Tag wurde genutzt. Mit Hochachtung
spricht der Alt-Intendant von Mutter und Vater, die in der ersten Nachkriegszeit
teilweise mehr als 50 Flüchtlinge im Pfarrhaus beherbergten und
verköstigten. Wie die Eltern das schafften, ist ihm ein Rätsel.
Doch dieser ungeheure, zupackende Elan – das prägte den späteren
Theatermann ein Leben lang.
Der junge Ekkehard merkte recht bald, wie sehr ihm das Rezitieren von
Gedichten lag, wie es ihm Spaß machte, in kleine Rollen zu schlüpfen.
Als er die Oberschule auf Rügen beendet hatte, lag sein weiterer
Weg ganz klar vor ihm: Ekkehard Prophet wollte Schauspieler werden.
Die Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch" in der
Berliner Schnellerstraße nahm den begabten jungen Mann an und
bildete ihn aus. Vielleicht war es die Dankbarkeit dem Staat gegenüber,
der ihn, den Pfarrerssohn Ekkehard Prophet in einer zwischen Staat und
Kirche konfliktgeladenen Zeit den Traumberuf ergreifen ließ; vielleicht
war es die Überzeugung, sich auf die Seite dieses Staates stellen
zu müssen, als die beiden damaligen Herrschaftssysteme des Kapitals
und des Kommunismus mit unerhörter Wucht aufeinanderzuprallen drohten
– 1966 jedenfalls trat der 28-Jährige der Sozialistischen
Einheitspartei Deutschlands bei und stand fortan für die Sache
der Arbeiterklasse ein.
Der Vater legte ihm keine Steine in den Weg. Wahrhafter Christ, der
er war, faltete er die Hände und bat seinen protestantischen Gott,
seine Hände auch weiterhin über den Sohn Ekkehard zu halten
– egal, für welchen Weg dieser sich entschiede.
Dieser schien für seinen frommen Knecht auf Samtens ein offenes
Ohr zu haben. Wie auch immer. Ekkehard Prophet bekam sein erstes festes
Engagement in Zwickau. Auch dort lächelte ihm das Glück. Fand
er doch in dem dortigen Intendanten Edgar Schatte einen väterlichen
Freund und großherzigen Förderer, der alsbald die Fähigkeiten
des jungen Mimen erkannte, welche weit über die reine Schauspielkunst
hinausgingen. „Du mußt selbst Intendant werden“ riet
der kluge Alte und bereitete seinen Schützling zielgerichtet auf
die angestrebte Profession vor. Ab 1966 /1967 begann sich Prophet mit
eigenen Inszenierungen zu profilieren, er spielte alle großen
klassischen Rollen, den Faust, den Puntila, den Hamlet…
Prophet wuchs auch in diese neue Rolle des Intendanten regelrecht hinein,
übernahm sogar zeitweilig kommissarisch das Zwickauer Theater und
machte auch hier gute Figur.
Im Kulturministerium schätzte man die Solidität des Schauspielers
Ekkehard Prophet und so bot man ihm im Jahre 1981 die Möglichkeit,
als Intendant an das Rudolstädter Theater zu wechseln. Der Dichterfürst
Goethe zählte zu seinen Amtsvorgängern. Das ist beinah so,
als würde man sich auf den Stuhl des Kantors der Leipziger Thomaskirche
bewerben. Eine große Geschichte wirkt immer verpflichtend. Ekkehard
Prophet aber – eingedenk des elterlichen Vorbildes im Hunger-
und Kältejahr 1945 – krempelte die Arme hoch, warf alle Bedenken
über Bord und packte zu. Das Haus war marode. Er rekonstruierte
es trefflich. Als es drei Jahre später wieder in Besitz genommen
werden konnte, wußte man in Nah und Fern, dass man mit dem Rudolstädter
Intendanten keine Fehlbesetzung getroffen hatte.
Solche Leute wollte man exponieren. Nach fünfeinhalb Jahren in
Rudolstadt wurde Ekkehard Prophet zum Generalintendanten des Schweriner
Schloßtheaters berufen. Das Märchenschloß der Schweriner
Herzöge sollte die Reihen der schönen Kulissen fürs erste
jedoch beschließen, vor denen Ekkehard Prophet sein Publikum begeisterte.
Waren Zwickau, Rudolstadt und Schwerin für ihn Inseln der Glückseligkeit
gewesen, zogen mit der Zeit seiner Berufung als Generalintendant in
die Hansestadt Rostock dunklere Wolken am Horizont herauf. Zwar war
der Vorgänger Prophets in Rostock, der große Hanns Anselm
Perten, ein ausgewiesener Macher, der seinem Hause auch zu internationalem
Renommee verhalf. Diese Erfolge aber schienen regelrecht mit dem rigiden
und beinahe despotischen Führungsstil des Schöpfers der Störtebecker-Festspeile
auf Ralswiek erkauft worden zu sein. Der liberale Prophet stieß
hier auf Strukturen, die sich in ihren hierarchischen Bahnen festgefahren
zu haben schienen. Das war Seines nicht. Und so packte er wieder die
Koffer und übernahm 1991 die Generalintendanz des Brandenburger
Stadttheaters.
Wir nennen diese Epoche aus heutiger Sicht die Nachwendezeit. Für
Ekkehard Prophet war sie eine Zeit des Aufbruchs, des Mutes, der Wagnisse
und der hohen Ziele. Für die Ewigkeit gegossene Fundamente brachen
weg, von heute auf morgen sah sich das budgetierte Theater dem rauhen
Winde der Marktwirtschaft ausgesetzt. Das alte Theater in der Grabenstraße
war der neuen Zeit nicht mehr gewachsen. Ekkehard Prophet steckte mit
namhaften Architekten die Köpfe zusammen, fand Rückhalt bei
der Stadtregierung unter dem damaligen Oberbürgermeister Schliesing
und konnte die Stadtverordnetenversammlung einstimmig für sein
Projekt begeistern. Noch immer ist Prophet des Lobes voll, wenn er des
Mutes und der Entschlossenheit der damaligen lokalen Parlamentarier
gedenkt. Das neue Haus wurde in Angriff genommen. Dennoch vernachlässigte
Prophet nie seine eigentliche Leidenschaft – das Theaterspiel.
Er erschloß neue Spielstätten wie die Jägerhalle, damals
schon die Ruine des Pauliklosters, den Dom und den Malsaal des Theaters
auf dem Neustädtischen Markte. Im Theaterpark erwachte Shakespeares
Sommernachtstraum zum Leben.
Beinahe alle vierzehn Tage gab es eine neue Premiere. Sein “Anatevka“
wurde 57-mal wiederholt. 57-mal! Alle Vorstellungen ausverkauft. Begeistert
erzählt Prophet von seinem damaligen Team – Schauspieler,
Orchester, Techniker, Bühnenbildner, Verwalter – allesamt
hochmotiviert, allesamt erstklassige Leute. Er spricht von Harald Arnold,
seinem damaligen Vize, der so engagiert an der Seite seines Chefs um
den Erhalt und die Qualität des Musentempels rang. Nein, er ist
kein Ichmensch, dieser Ekkehard Prophet. Immer wieder betont er die
Leistungen der Anderen. Daß er gut ist, weiß er selbst.
Das reicht ihm.
Doch dann, gerade als die Brandenburger Truppe deutschlandweit zu gastieren
begann, als sich Ensemble und Orchester zu inoffiziellen Kulturbotschaftern
der Havelmetropole mauserten, kam die Zeit, in welcher der neu aufkommende
Kapitalismus unmißverständlich seine Prioritäten setzte.
Die Musen der Theaterkunst wurden auf die billigen Ränge verwiesen,
statt dessen fanden sich Schauspieler, Musiker, Techniker und andere
Theaterbedienstete auf Entlassungslisten wieder. Der Generalintendant
Prophet, dessen Credo darin besteht, daß gute Schauspieler, ja,
ein gutes Team die halbe Miete ausmachen würden, kämpfte um
seine Leute mit demselben Mute der Verzweiflung, mit dem einst Don Quichotte
gegen die berüchtigten Windmühlen anrannte. Der Kampf war
genauso vergeblich. Am Ende, das war im Jahre 1994 stieß man gar
ihn selbst aus dem Sattel. Vorwürfe, die sich auf frühere
Kontakte zum Ministerium für Staatssicherheit bezogen, dienten
zum Vorwand, den rührigen Intendanten seines Postens zu entheben.
Zwar durfte er noch weitere 5 Jahre an seinem Hause als Schauspieler
verbleiben – das war aber auch alles. Es zählte nicht, daß
sich das Brandenburger Theater geschlossen hinter seinen Chef stellte.
So viel Freiheit ließ die junge Demokratie ihren Bürgern
nicht. Auch Kulturminister Reiche mühte sich vergeblich, sein Brandenburger
Zugpferd im Stalle behalten zu dürfen.
Gesetz ist Gesetz – da bleibt kein Platz für differenzierende
Betrachtungen.
Heute lebt Ekkehard Prophet wieder auf seinem geliebten Rügen,
bewirtschaftet mit seinem Trecker seine Ländereien und ist –
ein rundum glücklicher Mensch. Fünf Bypässe konnten seinen
Lebensmut und seine Fröhlichkeit nicht trüben. Seine Familie,
seine Freunde, seine Heimat – das ist die Grundlage seines Wohlbefindens.
Immerhin ist er schon seit 1961 mit seiner Frau, einer gelernten Krankenschwester,
verheiratet, blickt voller Stolz auf seine beiden Töchter, von
denen die eine in Rostock als Augenärztin und die andere in Berlin
als Keramikerin mit Behinderten arbeitet. Ein Enkel studiert bereits
die Juristerei und Urgroßvater ist er auch schon. Was will man
mehr!
Brandenburg an der Havel – das muß wohl so etwas wie seine
heimliche große Liebe gewesen sein. Als er von Brielow her in
die Stadt einfuhr, in der er die vier schönsten Jahre seines Theaterschaffens
erleben durfte, hatte er mit den Tränen zu kämpfen. Diese
Rührung merkte ihm sein Publikum noch an, als er es einen Tag später
zum heurigen Muttertagskonzert in seinem alten, neuen Theater begrüßte.
Der Saal dankte mit beeindruckendem Applaus. Er dankte für das
Wirken und Schaffen eines echten Theatermannes, eines begnadeten Schauspielers
und hervorragenden Handwerkers.
Korrektur:
Das abgedruckte
Porträt von Ekkehard Prophet enthält einen inhaltlichen Fehler:
Dem Intendanten lag das unterschriftsreife Angebot nach Schwerin zu
gehen vor, auf das er aber zugunsten Rostocks verzichtete. Ich bitte
die fehlerhafte Darstellung zu entschuldigen. Hübner
|