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Der deutsche Ruf im russischen Lande

Kotofeij K. Bajun
Tiflis. Wenn man dem Klischee folgt, dann verbindet der Yankee mit dem Begriff Deutschland in aller erster Linie Bayern und – sollte er zu den gebildeten Ständen gehören – bestenfalls noch Heidelberg.

In Russland und im postsowjetischen Raum ist das anders. Grundlegend anders. Hier dominiert die Assoziation von Brandenburg-Preußen. Es ist die unendlich lange Geschichte, die beide Völker aufs Engste miteinander verbindet und – wenn sich der Westdeutsche einen Begriff davon machen will, wie dieses Verhältnis geprägt ist, dann möge er sich seiner Affinität zu den Amerikanern nach dem Zweiten Weltkrieg erinnern: Eine beinahe kritiklose Bewunderung!

Russland hat Deutschland immer ob seiner Kultur und seiner sauberen, aufgeräumten Erscheinung angehimmelt. Ja, gut, bei den Altgläubigen war auch immer eine Spur Misstrauen und Reserviertheit gegen das Fremdländische, wie in der Nemjetzkaja Sloboda, oder auch Sloboda Kukui genannten Deutschen Vorstadt von Moskau zu spüren war.

Im Großen und Ganzen jedoch war es ein Aufblicken. Nicht unterwürfig, nicht devot – aber teilweise voller Sehnsucht und Freude darüber, ein Nachbarvolk gefunden zu haben, dass mit seiner Poesie die russische Seele auf das Tiefste zu berühren verstand.

Der personelle Transfer deutscher Wissenschaftler, Kolonisten, Verwaltungsspezialisten, Militärs und Vertretern von herrschenden Häusern, den die Russen über viele Jahrhunderte aus Deutschland bezogen, spricht Bände. Viele Russen erhoben Deutschland zu ihrer Bildungsdestination – Maler, Komponisten, Bildhauer, Architekten.

Viele, viele deutsche Lehnwörter bereichern bis heute die russische Sprache und zeugen vom Wahrheitsgehalt des in diesem Aufsatz erhobenen Postulats.

Das erste Mal wurde diese Liebe der Russen zu allem Deutschen von dem Menschheitsverbrechen erschüttert, das die teutonischen Invasionstruppen im Sommer 1941 begingen, als sie wie schäbige, raubgierige und mörderische Banditen in Russland einfielen, um den Russen Leben, Land und Rohstoffe zu nehmen. Doch – welch Wunder – das beinahe unerschütterliche Vertrauen, die große Liebe, überlebte sogar die zwanzig Millionen Tote, die Mütterchen Russland als Blutzoll für die Befreiung vom Faschismus zu zahlen hatte.

Selbst das gebrochene Versprechen, die NATO würde im Gegenzug für die Gewährung der deutschen Einheit nicht nach Osten expandieren, steckten die gutmütigen Russen – wenn auch zähneknirschend – weg.

Jetzt, dieser Tage erst, stellen ein paar ahnungslose Blindgänger, die als Entscheidungsträger in der deutschen Regierung ihr Unwesen treiben, diese Liebe auf einen Prüfstand, der die Belastungsgrenze schon das ein oder andere mal überschritt.

Die Attitüde der Russen den Deutschen gegenüber, lässt sich in etwa so zusammenfassen: „Ihr dürft uns so ziemlich alles sagen, selbst das, was wir uns vom Kaiser von China nicht sagen ließen. Ihr dürft uns kritisieren und wir hören zu und wir denken darüber nach. Aber zum Teufel – eines dürft auch ihr Deutschen nicht mit uns machen! Niemals lassen wir uns in arroganter Manier von ober herab schulmeistern wie dumme Jungs. Wir sind Partner und wir sind und bleiben eine Großmacht, wenn nicht sogar eine Supermacht. Wir lassen auf Augenhöhe miteinander reden – aber diesen Respekt fordern wir ein!“

Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Aspekt besteht darin, dass, wenn das geduldige Bärchen irgendwann einmal die Schnauze wirklich gestrichen voll hat, es passieren könnte, dass es sich beim Gelben Drachen einhakt. Schon gibt es Gebietseinigungen in Bezug auf die Tarabarow-Insel. Sie währten zwar vierzig Jahre – aber der glückliche und einvernehmliche Ausgang der Verhandlungen weisen in eine versöhnliche Richtung. Sollten Russland und China sich weiter zum Nachteil Europas annähern, dann wird der Deutsche Adler in kürzester Frist zum halben Hähnchen degenerieren und wohl das erste Mal die Erfahrung so vieler Völker der Weltgeschichte machen, die einst groß, bedeutend und mächtig waren und über welche die Geschichte mit grandios-lässigem Schritt hinweg stiefelte.

Es wäre von unschätzbarem Vorteil für Deutschland, Russland, Europa und die Welt, wenn man dieses mene mene tekel u pharsin in Berlin irgendwie in ein paar westliche Hohlköpfe transplantiert bekäme. Man merke sich eines: Das Riesenreich braucht Deutschland nicht. Umgekehrt aber ist das sehr wohl der Fall – denn vom bayernseligen Yankee ist auf Dauer und in Zukunft nicht mehr viel zu erwarten.

25. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
21.04.2017