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Ein Global Player am Abgrund

300 Dollar überfordern die Deutsche Bank

Glosse

Die letzten Banken, die zugeben mussten, dass sie keine $ 300,- mehr besäßen, hießen Lehmann Brothers und Barings ... Deren Namen findet man nur noch in den Geschichtsbüchern.

Don M. Barbagrigia
Kurz bevor sich Iason auf Geheiß seines tückischen Oheims Pelias mit der Argo gen Kolchis aufmachte, um das Goldene Vlies zu holen, war noch ein kleines Problem zu lösen. Jeder Reisende in ferne Länder kennt es: Der Chef der Argonauten brauchte etwas Handgeld für den Aufenthalt in seinem Zielland. Wir wissen, in Kolchis – heute nennt man das Land Sakartwelo oder auch Georgien – ist der frei konvertierbare Lari im Umlauf. Und gleichwohl das alte Thessalien mutmaßlich gute Handelsbeziehungen zu Kolchis pflog, hielt die Thessalische Volksbank keine nennenswerten Lari-Bestände vor. Man hätte sie erst bestellen müssen. Kein Problem, dachte Iason, nehme ich eben Dollars mit. Damit kommt man überall weiter. Gesagt, getan. Der Held legte 283 Euro und 25 Cent auf den Bankschalter und noch eine Drachme für die Bearbeitung oben drauf und … die nette Bankangestellte zählte dem Griechen 300 Dollar Cash in die Kralle. Später, in Aia am Phasis (heute heißt der Fluss Rioni), war der Währungstausch ebenfalls kein Problem. „Etwas Gold aus dem Goldenen Vlies in Dollars, Lari, Drachmen gefällig? Nein, sie wollen noch Gold dazu kaufen? Gar kein Problem! Wie möchten Sie bitte zahlen? Wir nehmen auch Bernstein.“

Iason strich die Dollars ein und los ging die Reise zum Großen Kaukasus.

Dreitausend Jahre später. Ein Preuße aus der Chur- und Hauptstadt Brandenburg an der Havel muss ebenfalls für ein paar Tage nach Kolchis. Wir erinnern uns: Die Chur- und Hauptstadt Brandenburg an der Havel ist eine kreisfreie Stadt im Staate Deutschland.

Dieses Land zählte einmal zu den wirtschaftsmächtigsten Nationen der Welt. Seine Deutsche Bank nannte man einen Global Player. Nun war dieser Preuße aber ein betagter Herr, der vom alterstypischen Kurzzeitgedächtnisverlust befallen war und sich statt dessen nur noch an die glücklichen und unglücklichen Jugendtage erinnern konnte.

Unglücklich waren diese Tage, wenn er feststellen musste, dass er als Bürger der Deutschen Demokratischen Republik keine Dollars kaufen konnte, weil man ihm für seine Mark der Deutschen Notenbank, genannt Alu-Chips, keine geben wollte. Glücklich wurden sie nach der Wende, als er in eine x-beliebige Bank spazieren und sagen konnte: „100 Dollar Cash, einen Maple Leaf, drei Krüger Rand und eine Unze Känguru 1994 bitte!“ Er legte ein paar D-Mark auf den Tisch und hatte seinen Kram.

Just im Banne dieser Erinnerung betrat nun dieser Preuße am 11. April 2017 nacheinander die Deutsche Bank zu Brandenburg an der Havel, die Commerzbank im ehemaligen Reichsbankgebäude derselben Stadt und hernach noch die ... – ach je – die ..., wie heißt sie noch gleich … ach ja: die Sparkasse.

Frau X. von der Deutschen Bank stotterte zunächst, soviel Dollars hätte sie nicht. Der alte Preuße meinte sich verhört zu haben. Dann entschuldigte er sich höflich bei Frau X. und meinte, er sei halb blind und es wäre ihm peinlich, wenn er sich in der Türe geirrt hätte und versehentlich beim Arbeiter- und Kleingartensparverein „Fortschritt“ gelandet wäre: Er hätte eigentlich in die Deutsche Bank gewollt. Doch Frau X. erklärte ihm, dort sei er in der Tat.

Jetzt wurden ihm die Knie weich und das Sausen kam ihm in die Ohren: Die Deutsche Bank hat keine Dollars? Ist der Papst noch katholisch? Ist der Mond ein Käse?

Da der Preuße zusehends bleicher wurde, begann die hilfsbereite Frau X. in einem schwarzen Täschchen zu wühlen, und förderte tatsächlich 300 Dollar zu Tage. Der Preuße legte ihr 300 Euro auf den Tisch, wollte schon sagen „Stimmt so“ und gehen – aber weit gefehlt! Frau X. fragte ihn nämlich, ob er Kunde bei der Deutschen Bank sei. „Nicht mehr“ lautete die Antwort, denn diese Bank hatte ihn einst angelegentlich einer Kreditvergabe übel über den Tisch gezogen und hernach im Regen stehen gelassen, obgleich er als Chefredakteur ein ganz gutes und vor allem regelmäßiges Gehalt bezog.

„Dann tut es mir leid“ flötete die Deutsche Bankerin X. und strich vor den Augen des entsetzten Preußen das Geld wieder ein. „Nur für Inhaber eines Girokontos unseres Hauses“, lautete der Nachsatz. Da war sie wieder – die Deutsche Demokratische Zone in ihren elendsten Tagen! Ängstlich lugte der alte Preuße, ob nicht irgendwo schon Visitenkarten mit der Aufschrift „VEB Deutsche Bank“ herumlagen.

Die Commerzbank hielt es übrigens genauso. Da zählte auch nicht, dass der Preuße ein Sparkonto bei ihr unterhielt. Die Sparkasse bedarf keiner weiteren Erwähnung – hier lag der Erwartungsdruck auch von vornherein im negativen Bereich. Es war also logischerweise keine Enttäuschung denkbar.

Fazit – in Deutschland ist es nicht mehr möglich, ohne weiteres Dollars zu kaufen. 'Wahrscheinlich sind dies Sicherungsmaßnahmen, um den kriminellen Sumpf aus Korruption, Prostitution, Waffen- und Drogenhandel und damit verbundener Geldwäsche auszutrocknen', dachte sich der Preuße und bekam erstmalig an diesem Tag einen Lachanfall, der ihn so heftig schüttelte, dass er um Haaresbreite daran verreckt wäre. So abstrus und abwegig erschien dieser Gedanke. Denn den richtigen Koryphäen auf dem Gebiet der Geldwäsche ist solcher Firlefanz schnurzpiepegal und das einfache Volk, das von dieser Dollarknappheit betroffen wird, besitzt eh kein Geld um es waschen zu können. Nein, es gibt nur eine sinnvolle Erklärung – die ehemaligen Global Player sind nicht mehr leistungsfähig. Ihnen würde man sogar mit Monopoly-Spielgeld noch eine Freude machen.

Sonst hätten sie es auch nicht nötig gehabt, einen Normalverdiener mittels eines wenig vertrauenswürdigen Procedere bei der Kreditvergabe übers Ohr zu hauen. Immerhin konnte sich die Deutsche Bank damals noch einen gelben Marker leisten, mit dem sie seinerzeit einen in 6Pt-Größe kleingedruckten Satz hervorhob, mit welchem sie begründete, warum sie eine vertraglich vereinbarte und sauteuer bezahlte Kreditausfallversicherung nicht bediente. Wie gesagt, der deutliche Hinweis auf diesen Passus erfolgte erst nach der Unterschrift und nach dem Eintritt des Eventualfalls. Also ein Gebaren, dass man von den modernen Rosstäuschern gewohnt ist, die auf obskuren Hinterhöfen unter blau-weißen Wimpelketten gebrauchte Autos verschachern.

Doch Gott sei Dank ist Preußen weitaus größer als dieses jämmerliche, im Muff der Provinz versackende Deutschland. So wird ein erheblicher Teil Preußens heutzutage von den polnischen Brüdern und Schwestern regiert und verwaltet und das mit hoher Effizienz. Die Straßen sind tip-top, die Internetversorgung ist hervorragend und gleich, wenn der Preuße die Frankfurter Oderbrücke in Richtung Neumark überquert, grüßt ihn schon ein großes Schild mit der Aufschrift „Kantor“. Das ist eine Wechselstube. Eintreten, „Prosze, Pan …?“ 300 Dollar bitte“, „Wie möchten Sie bezahlen bitte, mit Zloty oder mit Euro?“ …

Nun ja, es ist halt lange her, dass man in Deutschland noch eine weltläufige Marktwirtschaft besaß. Heute heißen die Metropolen dieser Welt Frankfurt-Dammvorstadt (Slubice) und Aia am Phasis. Und selbst wenn es von letztgenannter Stadt keinen einzigen Mauerrest mehr gibt, Jesaja 13. 19-22 explizit für die antike Residenz des Aietes geschrieben worden zu sein scheint – selbst wenn sie noch wüster darniederliegen würde als das einst so stolze Karakorum – so provinziell wie Brandenburg an der Havel und der Rest vom Deutschen Reich kann sie niemals werden.

Hierzulande gilt nunmehr das Wort des großen Dante: „Wanderer, der Du hier eintrittst, lass alle Hoffnung fahren!“

Und wenn wir das nächste Mal gefragt werden, warum um alles in der Welt man bei der Deutschen Bank oder der Commerzbank ein Konto eröffnen sollte – die Frage nach der Sparkasse stellt sich unserer Ansicht an dieser Stelle nicht ernsthaft – dann antworten wir fröhlich und voller Inbrunst im Herzen: „Damit ihr es kündigen könnt!“

25. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
11.04.2017